Das Smartphone als besserer Lehrer?
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Das Smartphone als besserer Lehrer?

Digitalisierung und geistiges Lernen

„Digitalisierung macht Lernen kreativer und individueller“ – im größer werdenden Kreis der Digitalisierungseuphoriker herrscht diese Meinung vor. Wenn jeder einzelne Schüler im Unterricht ein Smartphone benutzen darf, dann hat er jederzeit Zugriff auf die relevanten Daten, die er benötigt, um seine Aufgaben erfolgreich zu lösen. Außerdem ist er dabei aktiv —er selbst entscheidet, welcher Schritt als nächstes zu bewältigen ist. Zudem lernt er noch den sinnvollen Umgang mit den Medien.

Doch an unseren Schulen herrscht stattdessen Handyverbot!

Lehrer sollten sich dem Fortschritt nicht verweigern und die Verantwortung für eine zukunftsfähige Erziehung übernehmen: Sie sollten Verantwortung an die Technik und an den Schüler abgeben. So könnte sich der Unterricht an den momentanen Informationsbedürfnissen jedes einzelnen Schülers ausrichten, statt am alten Stil der nicht differenzierende Frontalbelehrung eines nach einem festgelegten Plan dozierenden Lehrers festzuhalten. Das Smartphone sollte zum ständigen Lernbegleiter werden. Wir brauchen Mobilität, Flexibilität, Agilität und Selbstwirksamkeit. Die Schulen müssen radikal umdenken!

Das klingt zunächst plausibel, hoffnungsvoll und zukunftsträchtig — geht aber an der Realität des geistigen Lernens völlig vorbei.

Was in dieser oberflächlichen Betrachtung übersehen wird, ist die Unterscheidung von Nachfrage und Angebot. Ein Angebot an Informationen bedeutet noch keinen Lernfortschritt. Eine Antwort kann nur dann eine geistige Bereicherung darstellen, wenn sie zu einer drängenden Frage passt. Wenn sie also nachgefragt wird. Eine Frage ist aber bereits das Ergebnis eines Denkprozesses. Nichts bereichert den Unterricht mehr als eine gute Frage.

Dass eine gute Frage aber nichts mit dem Informationsangebot in einer digitalen Schule zu tun hat, möchte ich mit folgendem Gedanken erläutern.

Lernen kann sehr viel heißen. Wenn wir über die Verbindung von Digitalisierung und Schule nachdenken, sollten wir uns darüber vergewissern, welches Verständnis von Lernen wir jeweils meinen. Dass die Schüler die eigentlichen Experten sind, stimmt, wenn es um den geschickten Umgang mit neuer Technik geht. Wenn wir Lernen aber als die Erweiterung und Vertiefung des eigenen Weltverstehens betrachten, dann sind Zweifel angebracht, ob die Rolle des Lehrers von den Schülern oder gar von der digitalen Technik selbst übernommen werden kann. Geistiges Lernen ist sinnorientierte Informationsverarbeitung und findet immer noch im Geist des Schülers statt. Von dessen Erfahrungs- und Erlebenshorizont nimmt das Lernen auch seinen Ausgang.

Digitale Technologie stellt gefilterte Informationen bereit— liefert aber (noch) keinen individuell sinngerichteten Lernimpuls. Denn dazu bedarf es des Bezugs auf die momentane geistige Befindlichkeit des Schülers. Welche Gedanken sind ihm gerade wichtig? Auf welche seiner Überzeugungen bezieht er sich in welchem Grad? Und welcher Impuls könnte sein Verstehen erweitern und vertiefen? Im direkten Kontakt mit dem Schüler kann der Lehrer diese Fragen beantworten und so die individuelle Informations-Nachfrage bestimmen. Bislang besteht seine Rolle darin, seinem jeweiligen Schüler individuell geeignete Anregungen zu geben, um den Lernprozess anzustoßen.

Nun mag man einwenden: Diese Impulse sind aber auch nur Informationen. Kann das nicht ein Computer übernehmen?

Ein guter Lehrer ist ein empathischer Mentor, der sich in das Denken des Schülers einfühlt und dementsprechend geeignete Impulse geben kann. Er erahnt dessen Sinnkonstruktionen und hat ein Gespür dafür, welche Fragen und Anregungen ihm jetzt hilfreich sein werden. Dazu muss der Lehrer in der Lage sein, sich in das Denken des Schülers zu versetzen. Das kann nur, wer selbst ein geistiges Wesen ist, dass Sinn verstehen kann. Der Lehrer verlässt sich dabei auf ein entwickeltes Gespür für sinnstiftende Stimmigkeit. Ein programmierter Algorithmus künstlicher Intelligenz unterscheidet sich von diesem Gespür (noch) wesentlich.

Welche Vorteile für den geistigen Lernprozess stützen eigentlich den verbreiteten Digitalisierungsoptimismus? Die Digitalisierung verändert den Menschen in seinen Gewohnheiten — aber nicht den Weg, der ihn zum Sinnverstehen führt, also das geistige Lernen.

Jens Wimmers, Forchheim


Lea Friedmann

Lehrerin Sekundarstufe 1 - Chancengleichheit ist ein Grundpfeiler unserer Bildungslandschaft

6 Jahre

Sobald wir WLAN in den Klassenzimmern haben....

Jörg Dohnicht

„Prüfet alles, das Gute behaltet!“ in Verbindung mit: „Quidquid agis prudenter agas et respice finem.“

6 Jahre

Hier werden von @Jens Wimmers wichtige Fragen gestellt bzw. Klärungen eingefordert. Dazu Substanzielles antworten zu können, dies unaufgeregt einem auch kritischen Gegenüber überzeugend vermitteln zu können und schließlich dazu stimmige, adressatengerechte Lernangebote entwerfen zu können... ... das wären aus meiner Sicht wichtige Schlüsselkompetenzen von Lehrkräften im Prozess der „Digitalen Transformation“.

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