Das Sozialkapital – Die zentrale Rolle sozialer Netzwerke
Soziale Netzwerke rücken in Krisenzeiten vermehrt in den Vordergrund unseres Handelns. In der gefühlten Ausweglosigkeit können diese zu Optimismus und Sicherheit führen, da sie – nicht nur im arbeitstechnischen Umfeld – unseren Horizont erweitern und uns Dinge aus verschiedenen Perspektiven betrachten lassen. In meiner langjährigen Tätigkeit als Berater konnte ich mein Netzwerk ausweiten und durfte viele interessante Persönlichkeiten kennenlernen, die mich inspirierten und von denen ich viel lernte. In diesem Artikel möchte ich die Theorie des Sozialkapitals diskutieren, welche soziale Netzwerke in ihren Grundpfeilern einordnet.
Das Sozialkapital stützt sich auf gegenseitiges Vertrauen zwischen Menschen und fasziniert mich seit geraumer Zeit. Mit meinen Ausführungen versuche ich – stark theoretisch angehaucht – darzulegen, weshalb soziale Netzwerke und gegenseitiges Vertrauen eine Gesellschaft verbessern und diese, gerade in Krisenzeiten, stärken. In solchen Krisenzeiten sehen sich Gesellschaften grossen Hürden ausgesetzt. Schaut man sich die politischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in unserer westlichen Welt an, wird ersichtlich, wie sich Gesellschaften veränderten und weiterhin verändern.
Das Sozialkapital
Putnam (2000: 3-5) – ein bekannter Sozialwissenschaftler – definiert drei verschiedene Kapitalarten. Er nennt das physische Kapital, das Humankapital und das Sozialkapital. Das physische Kapital bezieht sich auf physische Objekte, während sich das Humankapital auf Eigenschaften der Individuen gründet. Soziales Kapital hingegen bezieht sich auf Verbindungen zwischen Individuen. Dazu gehören soziale Netzwerke und die Normen von Gegenseitigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Coleman (1988: 100-101), ein anderer Begründer der Sozialkapitaltheorie, definiert das Sozialkapital als das am wenigstes greifbare Kapital. Von diesen drei Kapitalformen erscheinen uns das physische und das Humankapital am familiärsten.
Das Sozialkapital wird – meiner Meinung nach – in der heutigen Zeit immer wichtiger. Soziales Kapital entsteht in den Beziehungen zwischen verschiedenen Personen und erleichtert, wie das physische Kapital und das Humankapital, die produktive Tätigkeit. In unübersichtlichen Zeiten ist es von zentraler Bedeutung, Vertrauen in Mitmenschen, politischen Institutionen und den Unternehmungen zu wahren. Dieses Vertrauen bildet auch die grundlegende Komponente des Sozialkapitalkonzeptes. Es wird als unverzichtbar für eine kooperative Kultur angesehen und verhindert das Problem der Unsicherheit über sequenzielle Abfolgen von Handlungen, die man untereinander vereinbart. Zusätzlich macht es Austauschprozesse reibungsloser und führt zu ertragreichen Kooperationsbeziehungen. Ertragreiche Kooperationsbeziehungen sind in der heutigen Zeit von zentraler Bedeutung.
Vertrauen und Sozialkapital
Putnam (2000) und Coleman (1988) beschäftigten sich in ihren Werken mit dem Zusammenhang zwischen dem Vertrauen und seiner Wirkung auf das Sozialkapital der Menschen. Für Coleman (1988) kann eine Gruppe, die weitreichende Vertrauenswürdigkeit und umfassendes Vertrauen propagiert, mehr bewegen als eine vergleichbare Gruppe ohne Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen. Putnam (2000) definiert nebst dem Vertrauen auch die Reziprozität als unabdingbare Voraussetzung des Konzepts. Für Putnam (2000) ist eine Gesellschaft, die durch Reziprozität gekennzeichnet ist, effizienter als eine, die sich durch fehlendes Vertrauen auszeichnet. Dieses Vertrauen entsteht durch Interaktionen, die durch Kommunikation und Kontaktpflege ermöglicht werden.
Faktoren, die Vertrauen beziehungsweise zwischenmenschliches Vertrauen ermöglichen, können kultureller oder institutioneller Natur sein. Der institutionelle Ansatz geht davon aus, dass Institutionen durch ihre Form Vertrauensnormen aufbauen. Der Einfluss der Institutionen geht so weit, dass Menschen in ihrem Alltag beeinflusst werden. Bei gut funktionierenden Institutionen, die für Gleichberechtigung und Transparenz einstehen, kann Vertrauen in Mitmenschen entstehen. Der Einfluss von Institutionen kann jedoch auch negativ sein. So können korrupte Institutionen zu Diskriminierung und unfairen Behandlungen übergehen. Dies kann dann dazu führen, dass das Mistrauen gegenüber den Motiven anderer Menschen erhöht wird, welches wiederum zu einem verringerten gesellschaftlichen Vertrauen führt.
Kulturelle und institutionelle Formen prägen das allgemeine Vertrauen der Menschen und müssen nicht im Widerspruch zueinanderstehen. Staaten mit hohem Vertrauen sind tendenziell wirtschaftlich ausgeglichener und politisch stabiler.
Wir benötigen Sozialkapital!
In der gegenwärtigen Zeit benötigen wir Sozialkapital in gleichem Masse wie Humankapital und physisches Kapital. Vertrauen und vor allem Vertrauensförderung durch politische Institutionen und Unternehmungen muss gefördert und gefordert werden. Wenn wir unser Handeln auf gegenseitiges Vertrauen stützen, fördern wir unsere Gesellschaft und können ein gut funktionierendes «Zusammensein» ermöglichen. Ich stehe für soziale Netzwerke ein, weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass ein Austausch viel bewegen kann und missliche Situationen verständlicher macht. Diesen Artikel möchte ich mit einem bekannten Zitat vom Dalai Lama abschliessen, welcher meine gesamten Ausführungen abrundet:
«Gelingt es uns, die Welt als vernetzt zu betrachten, hören wir auf, alles nur in Schwarz oder Weiss zu sehen.»
Toni Zeciri
ROCKEN Executive Search empfiehlt: Freitag, Markus (2014): Das soziale Kapital der Schweiz. Politik und Gesellschaft in der Schweiz. Zürich: NZZ Libro.