Decoding yourself. Lifehacks für Selbstkritik und Umparken im Kopf.

Decoding yourself. Lifehacks für Selbstkritik und Umparken im Kopf.

Es war bei einem gemütlichen Kaffee-Trinken mit Kuchen auf einem Seminar für Führungskräfte im Kloster Triefenstein bei Wertheim: Ein interessantes und ehrliches Gespräch ergab sich unter den TeilnehmerInnen, wie man als Führungskraft nicht an der Manager-Krankheit der Manager-Krankheiten zugrunde geht: Für Kritik nicht mehr erreichbar zu sein und sich in einen Elfenbeinturm der Selbstgefälligkeit einzuschließen. Jeder von uns hatte eine Geschichte davon zu erzählen, von sich selbst, aber auch von Erfahrungen mit Vorgesetzten und Geschäftsführern/-innen.

Der Dunning-Kruger-Effekt schlägt (wieder einmal) zu

Ehrlich gesagt, sind mir erst als 35jähriger die Gründe für die Anfälligkeit für diese "Krankheit" so richtig bewusst geworden, als ich selbst Abteilungsleiter für knapp 25 IT-Berater und Software-Entwickler geworden bin, von denen ich - von den Azubis einmal abgesehen - fast der Jüngste war. Jetzt ist es so, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem man als Vorgesetzter Entscheidungen trifft, immer sehr viele Meinungen auf einen einprasseln und man sich nicht selten in einem großem Schlachtfeld der innenpolitischen Mikropolitik wiederfindet. Gerade als junger Mensch durchschaut man die Zusammenhänge hinter den Kulissen oft noch nicht und stapft ohne die Hilfe eines guten Mentors zielsicher in jedes Fettnäpfchen. Egal, was man entscheidet, es ist aus dem Blickwinkel von irgendjemanden falsch und eine Störung für irgendwen - das kann einen schon ziemlich deprimieren, gerade wenn man gerade so richtig starten möchten und höchst motiviert unterwegs ist. Und wenn man (noch) harmoniebedürftig ist und es allen Recht machen möchte.

Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb immer weniger junge Menschen Führungspositionen überhaupt noch anstreben und lieber den Weg der fachlichen Karriere ohne Führungsverantwortung gehen, denn dieses Spagat zwischen Kollegen und Vorgesetztem auszuhalten, kostet psychische und physische Kraft und je sensibler man ist, desto mehr. Da die Klugen und Sensiblen bei Führungspositionen immer öfter dankend abwinken, bleiben für die Führungspositionen - je höher es in der Karriereleiter geht - meiner Beobachtung nach regelmäßig nur noch die zur Auswahl, welche so unsensibel sind, dass es ihnen egal ist, was andere über sie denken und die einfach ihre Schneise durch das Unternehmen ziehen ohne Rücksicht auf Verluste. Dazu passt dieses Zitat, welches Charles Bukowski zugeschrieben wird (wahrscheinlich aber von Bertrand Russel stammt):

"Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind. "

In einer gewissen Weise haben es Menschen, die sich nicht viel um die Meinung anderer scheren und der Überzeugung sind, dass alles was sie tun perfekt ist, einfacher, den psychischen Druck einer Führungsposition auszuhalten. Der Dunning-Kruger-Effekt ist einer der Erklärungsmodelle dafür:

Die Rebellion gegen sich selbst

Nun einmal vorausgesetzt dem Fall, man möchte nicht gegen die Meinungen anderer abstumpfen und tatsächlich Kritik als Führungskraft an sich heranlassen, wie geht das? Denn nicht alle Kritik ist berechtigt und sollte einen zu sehr beschäftigen. Führen bedeutet ja, ein Team oder eine Firma dahin zu führen, wo es selbst nicht von alleine hingegangen bzw. -gekommen wäre. Dies führt zwangsläufig zu Widerstand und Zögern, gegen das man sich in gewisser Weise durchsetzen muss. Aber wann ist der Punkt erreicht, ab dem eine Kritik berechtigt ist, wie erkenne ich das? Wie filtere ich das richtig? Die Übergänge zwischen berechtigter und einfach nur kaputt machender und unkonstruktiver Kritik sind fließend.

Aus meiner Sicht ist es eine hervorstechende Eigenschaft guter Führungskräfte, dass sie einen guten Workflow für die Verarbeitung und Gewährleistung von Kritik bewusst "installieren" (und das Gegenteil trifft auch zu). Etwa genauso, wie gute Unternehmen immer einen Feedback und Rückkanal installieren, der bewusst den "Geist der Rebellion" in der Firma in so einem Maße nährt, dass er dem Unternehmen gut tut und nach vorne bringt. Siehe dazu z.B. das folgende Zitat aus dem empfehlenswerten Buch "Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung" von Dr. Hans-Joachim Gergs:

"Wenn Führungskräfte einen Prozess der kontinuierlichen Selbsterneuerung etablieren wollen, müssen sie ungeregelte Räume zulassen, in denen Initiativen entstehen, deren Auswirkungen nach altem Maßstab nicht planbar sind."

Tipps zur Selbstreflexion

Hier ein paar Strategien zum Umgang mit Kritik und der kontinuierlichen Selbsterneuerung, die ich selbst als gut und hilfreich empfinde und die ich versuche, in meinen Alltag zu integrieren:

  • Finde mindestens einen Mentor bzw. Mentorin, der/die Dich coacht und Dich von außen reflektiert. Idealerweise findest Du jemanden, der sich fachlich mit Deinem beruflichen Kontext auskennt und zusätzlich jemanden, der sich gar nicht mit Deinem beruflichen Kontext befasst und Dich vollkommen aus einem externen Blickwinkel heraus beurteilt. Wenn ich auf meinen Weg der letzten 20 Jahre zurückblicke, kann ich gar nicht genug betonen, wieviel ich einer Hand voll Mentoren/-innen verdanke, die mich in schwierigen Situationen in meinem beruflichen und privaten Leben unterstützt und beraten haben. Einer meiner Mentoren ist z.B. ein langjähriger Freund, der Theologie studiert hat und heute Pfarrer eine evangelischen Gemeinde ist. Wir kennen uns schon seit dem Studium. Obwohl meine Arbeitswelt im "Business" ihm vollkommen fremd ist, erhalte ich immer wieder wichtiges Feedback von ihm, welches mir bei der Beurteilung von Fragestellungen weiterhilft. Gleichzeitig bin ich sein Mentor für Fragen in seinem Gemeindeleben, bei dem ich einen "Business"-Blickwinkel hineinbringe, den er ansonsten in seinem Umfeld nicht erhält. Eine tolle Symbiose und wir profitieren immer wieder gegenseitig sehr von unseren gemeinsamen Spaziergängen.
  • Eine der besten Quellen für die Selbstreflexion und Identifikation von Schwachstellen sind Deine "Feinde", diejenigen, die bewusst Mikropolitik (in der Firma) gegen Dich betreiben (wenn es sie bedauerlicherweise gibt). Dieser Gedanke mag anfangs vielleicht erstmal überraschen. Betrachte die Aktionen Deiner Feinde gegen Dich als ein kostenfreies "Coaching", denn auch wenn Feinde in der Regel Deine Schwächen in unzulässiger Weise für ihre Zwecke missbrauchen und ausnützen, haben diese ein extrem gutes Talent darin, Deine wunden Punkte mit einer Lupe für Dich zu vergrößern. Es lohnt sich, genauer hinzuzusehen, welche Dinge sie mit einer großen Feinheit herausarbeiten, denn darin steckt häufig tatsächlich eine Schwäche oder eine berechtigte Kritik, wenn auch nicht in dem Maße, wie sie die Lupe darauf richten oder wie sie die Story darum "konstruieren". Wenn man den wahren Kern der Kritik der Feinde dechiffrieren und identifizieren kann, kann man daraus gute Ansatzpunkte ableiten, um sich persönlich weiterzuentwickeln.
  • Der eigene (Ehe-) Partner/in, die Kinder und enge Freunde/-innen sind immer eine gute Quelle von Kritik. Sie achten nicht darauf, was du verdienst, oder was Du zu sagen hast und das gibt ihrer Kritik gerade einen so hohen Stellenwert. Musst Du eine wichtige, vielleicht Deine Karriere verändernde, E-Mail schreiben? Lass Deine Frau/Mann/PartnerIn darüber einmal lesen und höre Dir ihr/sein Feedback dazu an. Auch Kinder sind dafür berühmt, dass sie Dir die Wahrheit über Dich selbst unverblümt sagen - das wissen alle Eltern!
  • Bücher lesen ist ein große Inspiration und hilft, sich selbst kritisch im Spiegel zu betrachten, denn Du blickst beim Lesen auf andere Menschen mit einem Meta-Blick. Dabei wirst Du (hoffentlich) auch Dich selbst entdecken und Dich in Frage stellen. Wenn Du gar nicht weißt, wo Du zu lesen anfangen sollst, wäre z.B. Tom Wolfes "Fegefeuer der Eitelkeiten" (oder "Ein ganzer Kerl") ein reicher Fundus zum Start.
  • Gemeinsame Lern-Konzepte wie "Working Out Loud!" oder "LernOS" helfen Dir, Dich in einer Gruppe als Lernender wahrzunehmen. Du tauschst Dich mit einer möglichst diversen Gruppe von Menschen regelmäßig aus und wirst dadurch ganz automatisch erfahren, dass Du selbst nicht der Nabel der Welt bist, sondern dass Du aus dem Feedback anderer unendlich viel lernen kannst.
  • Sei bereit, auch über Jahre gebildete Überzeugungen regelmäßig ergebnisoffen neu zu hinterfragen. Bei vielen Fragestellungen ändern sich die Rahmenbedingungen so sehr, dass einmal getroffene Denkmuster und Argumente sich als nicht mehr zielführend herausstellen. Du bist der Überzeugung, dass BMW die besten Autos der Welt baut? Beschäftige Dich 5 Jahre später noch einmal damit, ob dies wirklich noch mit der Faktenlage übereinstimmt.

Diese Liste ist sicherlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber vielleicht hat sie Dir ein paar neue Ideen gegeben, wie Du Selbstreflexion in Deinem Leben besser installieren kannst. Hast Du noch andere Erfahrungen und Ideen dazu? Mich würde Dein Feedback dazu sehr interessieren und Du kannst es gerne in den Kommentaren oder als Private Message vermerken.

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