Dem Methan auf der Spur - Wie wir bei Thyssengas Methanemissionen aufspüren und vermeiden
Im Jahr 2021 flossen 6,5 Milliarden m3 Erdgas durch unsere Leitungen. Das entspricht gut 70 TWh Energie und damit knapp 7 Prozent des gesamten deutschen Erdgasverbrauchs. Bei dem Betrieb unserer Leitungen geben wir unser Bestes, um die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten, die Umwelt zu schützen und Industrie und Haushalte rund um die Uhr mit Energie zu versorgen.
Aber – und daraus machen wir kein Geheimnis – wo Erdgas fließt, da kann auch Erdgas entweichen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn es notwendig ist, Wartungsmaßnahmen an unseren Leitungen oder Anlagen vorzunehmen und sich das in der jeweiligen Anlage befindliche Gas nicht vorher umleiten oder abpumpen lässt. Methan kann aber auch ohne geplante Eingriffe austreten. Leitungen können durch externe Einflüsse Schaden nehmen oder einzelne der vielen Bauteile unseres Netzes werden mit der Zeit undicht. All dies ist nicht gut – weder für das Klima noch im Sinne einer effizienten Verwendung eines Rohstoffs, dessen Wichtigkeit und Knappheit uns gerade in den letzten Monaten noch einmal besonders bewusst geworden ist. Deshalb kümmern wir uns darum, die entweichenden Mengen zu minimieren und die Quellen für solche Entweichungen aufzuspüren.
Was gut ist kann noch besser werden
Methanemissionen haben derzeit einen Anteil von etwa 50 Prozent an unserem CO2-Fußabdruck, der sich im Jahr 2021 auf rund 125.000 Tonnen CO2-Äquivalent beziffern ließ. Verglichen mit der in diesem Zeitraum transportierten Erdgasmenge ist dieser Anteil mit etwa 0,5 Promille zwar sehr gering, unserem eigenen Anspruch an einen möglichst umweltverträglichen Betrieb unserer Infrastruktur genügt dies aber nicht. Wir wollen hier noch deutlich besser werden, haben ehrgeizige Ziele formuliert und unsere Prozesse und Strukturen hinterfragt. Konkret wollen wir den Ausstoß kurzfristig, das heißt bis 2025, durch eine Vielzahl von betrieblichen Maßnahmen um 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2015 reduzieren und mittel- bis langfristig möglichst keine technisch vermeidbaren Methanemissionen mehr verursachen.
Zur Bewältigung dieser Aufgabe haben wir in unserem Haus eine regelmäßig tagende, unternehmensübergreifende und interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe eingesetzt. Ihre Aufgabe: die Koordination der vielen verschiedenen Maßnahmen zur Vermeidung von Methanemissionen. In diesem Kreis diskutieren wir kontrovers über viele Maßnahmen zur Emissionsminderung. Denn klar ist: Emissionsminderungen bekommen wir nicht kostenlos. Deshalb haben wir alle ein Interesse daran, die uns zur Verfügung stehenden Mittel an Zeit, Geld, Personal usw. so effizient wie möglich einzusetzen und die Auswirkungen auf unsere Arbeit gleichzeitig so gering wie möglich zu halten.
Gut gemessen ist halb gewonnen
Eine der Hauptaufgaben dieser Arbeitsgruppe ist deshalb beispielsweise die Initiierung und Begleitung von Messungen, die wesentliche Voraussetzung dafür sind, dass wir Vermeidungsmaßnahmen dort vornehmen können, wo sie die größten Auswirkungen haben. Unser Ziel ist hier, einen möglichst genauen Überblick darüber zu haben, wo sich die Emissionsquellen in unserem Netz befinden und wie wir diese dann am besten beseitigen können - eine große Herausforderung in einem Netz von über 4.000 Kilometer Länge mit tausenden von Armaturen, Ventilen, Hebeln usw.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzen wir auf umfangreiche Messungen durch unabhängige Dritte an vielen verschiedenen Standorten und Anlagen unseres Netzes. Darüber hinaus führen wir gemeinsame Messprojekte im Kreise unseres Verbands “FNB Gas” durch: Thyssengas-Assets wurden dabei auch in diesem Jahr mit dem Fokus auf Gasdruckregel- und Mess-Stationen, Biogaseinspeiseanlagen und Verdichterausbläsern untersucht (dazu folgt ein separater Beitrag, sobald belastbare Ergebnisse vorliegen).
Durch diese Arbeit konnten wir unser Wissen über die unser Netz entweichenden Mengen erheblich verbessern und glücklicherweise sehr gut belegen, dass das deutsche Fernleitungsnetz viel dichter ist, als es der ein oder andere Außenstehende angenommen hat. Sogar das Umweltbundesamt ist von der Qualität unserer Messungen genauso überzeugt, wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Vom "UNEP" wurden wir entsprechend bereits zum zweiten Mal in Folge mit dem sog. “OGMP-Gold-Standard” ausgezeichnet und unsere Bemühungen in diesem Bereich für 2022 somit mit der Höchstpunktzahl bestätigt.
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schulen und ausrüsten – mit Knowhow und Technik
Noch wesentlich wertvoller als der Blick von externen Dienstleistern ist die Überprüfung von Leitungen und Anlagen auf Dichtheit in der täglichen Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb. Neben den etablierten Gasspürgeräten kommen hier auch innovative Techniken zum Einsatz. Zum Beispiel lassen sich mittels Ultraschall schon kleinste Leckagen aufspüren. Innerhalb kurzer Zeit können auf diese Weise ganze Anlagen kontrolliert und deren Dichtheit dokumentiert werden. Dazu wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über unser Netz verteilt mit den Ultraschall-Kameras der Firma Distran (siehe Titelfoto) ausgestattet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden im Umgang mit den Geräten gründlich geschult, sodass die neue Technik von nun an regelmäßig eingesetzt werden kann und die bisherigen Dichtheitskontrollen ergänzt. Zusätzlich prüfen wir auch den eigenen Einsatz innovativer sog. “Top-down”-Messtechnik, bei der nicht einzelne Bauteile, sondern die Emissionen eines ganzen Standorts (z.B. einer Verdichterstation, einer GDRM-Anlage) gemessen werden. In dem Zuge prüfen wir verschiedene Sensoren und Trägersysteme (montiert an Drohnen und Masten) auf ihre Anwendbarkeit in der Praxis und die Konformität mit der zeitnah erwarteten EU-Methanverordnung. Um uns über diese Aktivitäten hinaus noch weiterzuentwickeln, planen wir Partnerschaften mit Forschungsprojekten.
In diesem Kontext nicht hoch genug zu bewerten ist auch der tagtägliche Einsatz unserer Kolleginnen und Kollegen im Betrieb und im Bereich Gastransport, die ihre Abläufe kontinuierlich verbessern und mittlerweile routinemäßig sogenannte mobile Umpumpverdichter und Gasfackeln einsetzen, wenn dies die Gegebenheiten vor Ort zulassen und das in den Leitungen befindliche Gas nicht auf anderem Wege aus dem System zu bekommen ist.
Die politischen Rahmenbedingen müssen stimmen
In absehbarer Zeit wird eine europäische Verordnung erwartet, mit der Methanemissionen im Energiesektor reduziert werden sollen und die uns somit unmittelbar betrifft. Aktuell befindet sich die Verordnung im Entwurfsstatus, doch bereits jetzt sind Tendenzen deutlich erkennbar: An die Überwachung, Erfassung und natürlich die Vermeidung von Methanemissionen werden immer höhere Anforderungen gestellt.
Wir begleiten die Entwicklung dieses Entwurfs und begrüßen, dass eine solche Verordnung entsteht. Emissionsvermeidung muss auf möglichst breiter Front passieren und als wichtige Gemeinschaftsaufgabe betrachtet werden – auch vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Industriesektoren. Gleichzeitig muss die Politik darauf achten, dass für uns als Netzbetreiber der Aufwand für die Erfassung und Vermeidung von Methanemissionen im angemessenen Verhältnis zu anderen Themenfeldern wie etwa Versorgungssicherheit, Betriebssicherheit und dass die Anerkennung der entstehenden Kosten im regulatorischen Rahmen sichergestellt wird.
Fazit
Die Ermittlung und Vermeidung von Methanemissionen ist eines der wichtigsten Themen unseres Unternehmens und wird mit entsprechender Priorität behandelt. Die gemeinsame Arbeit an diesem Thema funktioniert bereichsübergreifend sehr gut und es ist für alle Beteiligten schön zu sehen, dass sich die Arbeitsergebnisse zählbar niederschlagen: ob nun als Messwert auf dem Papier oder in Form durchgeführter Messungen oder Umpumpaktivitäten. Unser Committment steht: wir werden weiterhin motiviert an der Minimierung unserer Methanemissionen arbeiten.
Referent CSR/ESG und Nachhaltigkeitskommunikation bei Thyssengas GmbH
2 JahreNikolai Hochbein Gutes Foto!