Der erfolgreiche Umgang mit Vorwänden
Die meisten aktiven Anrufe bei potenziellen Kunden scheitern in der ersten Minute an den Vorwänden von Gesprächspartnern. Keine Zeit, kein Geld oder kein Interesse bzw. Bedarf lassen Verkäufer mit einem erschreckten, aber stummen Gesicht am Telefon sitzen. Viele Verkäufer reagieren dann mit Rechtfertigungen, manche aggressiv. Beides führt nicht zum gewünschten Erfolg. Doch es gibt bewährte Lösungen, wie Sie erfolgreich und auf Augenhöhe mit den Vorwänden Ihrer Kunden arbeiten können und ins tatsächliche Verkaufsgespräch kommen.
Sie haben ein wirklich gutes Angebot? Ein Produkt oder eine Dienstleistung? Nun möchten Sie potenzielle Kunden darauf aufmerksam machen und greifen deshalb zum Telefon, um diese anzurufen und Ihr Produkt anzubieten? Sie sind sehr motiviert und ganz begierig darauf, Ihren Gesprächspartnern die Vorzüge Ihres Angebotes darzulegen? Dann sind Sie bereits mittendrin, in der aktiven Kundenakquise. Alles wäre super, wenn da nicht die vielen Vorwände und Einwände unserer Gesprächspartner wären.
Vorwände vs. Einwände
Was sind Vorwände? Was sind Einwände? In den heutigen Verkaufstipps erfahren Sie einiges rund um die unterschiedlichsten Vorwände. Über Einwände sprechen wir im nächsten Verkaufstipp.
Beispiele für Vorwände:
„Wir arbeiten schon mit einem Partner zusammen und haben keinen Bedarf!“
„Schicken Sie uns doch mal Unterlagen zu dem, was Sie machen, dann melden wir uns bei Bedarf!“
„Uns gibt es schon seit 30 Jahren und so etwas haben wir bisher nicht gebraucht!“
Diese Vorwände habe ich von einem aktiven Leser meiner Verkaufstipps erhalten. Sie stehen beispielhaft für die vielen Vorwände, die Verkäufer tagtäglich von ihren Kunden hören.
Alle Vorwände basieren auf vier Grundaussagen von Kunden:
- Keine Zeit
- Kein Geld
- Kein Interesse bzw. Bedarf
- Senden Sie Unterlagen
Die gute Nachricht: Es gibt nur diese vier. Egal, in welcher Branche Sie tätig sind. Alle Vorwände in unserem Alltag basieren auf diesen vier Grundaussagen.
Weshalb benutzen Kunden Vorwände?
Weshalb reagieren die meisten potenziellen Kunden im Erstkontakt mit Vorwänden? Nun, die wenigsten unserer Gesprächspartner saßen am Telefon und haben auf unseren Anruf gewartet. Die meisten Gesprächspartner sind gerade mit einer anderen Aufgabe, einem Problem oder einem Projekt beschäftigt. Da sie also gedanklich woanders sind, fehlen unseren Gesprächspartnern im ersten Moment auch die richtigen Bilder im Gespräch, um eine ernsthafte Entscheidung treffen zu können. Außerdem hören sie zwar, was Sie sagen, aber sie sind dabei in den meisten Fällen weit davon entfernt, zu verstehen, was ihnen gerade angeboten wurde. Des Weiteren sind wir unter Umständen auch nicht die ersten, die ihn heute angerufen haben. Und wer weiß, vielleicht war der andere „Verkäufer“ nicht kompetent in der Kommunikation oder sein Angebot weit davon entfernt, einen Nutzen zu bieten.
Übrigens, das hat nichts damit zu tun, dass Sie stören. Im Verkaufen auf Augenhöhe gehe ich davon aus, dass Menschen, die ans Telefon gehen, schon wissen, was sie tun. Eventuell sind sie tatsächlich gerade in eine wichtigen Aufgabe vertieft, bei der sie nicht gestört werden wollen. Dann geht aus meiner Sicht auch niemand ans Telefon. Wenn doch, war wohl die Neugierde größer als der Wunsch nach ungestörtem Arbeiten. Wer ans Telefon geht, weiß, dass jetzt ein Gespräch stattfindet, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts mit dem zu tun hat, mit was man persönlich gerade beschäftigt ist. Sie stören nie, wenn Sie jemanden anrufen.
Das ändert nichts an der nächsten Tatsache, dass Menschen die ans Telefon gehen, gedanklich weit weg sind und im ersten Moment nicht verstehen, was sie hören. Also ziehen unsere Gesprächspartner, im wahrsten Sinne des Wortes, erst einmal eine Wand hoch, um sich zu schützen. Ein Vor-Wand! Das ist ein Veto zum Schutze unseres Gesprächspartners und kein Angriff gegen uns, als Anrufer und Verkäufer. Es ist eine natürliche Reaktion, dass Menschen sich im ersten Moment schützen, bevor sie sich orientiert haben, um herauszufinden, ob unser Angebot nun nützlich ist oder nicht.
Top-Verkäufer wissen das!
Sie, als Verkäufer, brauchen nun als erstes, Verständnis für die Situation und für Ihren Gesprächspartner und als zweites, erfolgreiche Reaktionsmuster, die Sie immer wieder einsetzen können.
Unser Gesprächspartner weiß, dass er mit einem Vorwand nicht freundlich reagiert. Aus meiner Erfahrung wappnet er sich deshalb auch dafür, dass von Ihrer Seite ein mehr oder weniger aktiver verbaler Angriff kommt.
Bildlich stelle ich mir das so vor: Ein Boxer (Kunde) im Ring hebt die Rechte, um gleich einen Schlag (Vorwand) auszuteilen, nimmt die Linke zur Deckung und spannt dabei die Muskeln an, für den Fall, dass sein „Gegner“ (Verkäufer) mit einem Gegenschlag durchkommt. Er ist also voller Spannung und in Abwehrhaltung. Angenommen, sein Gegner würde jetzt aber nicht, ebenfalls erwartungsgemäß, zum Schlag ausholen, sondern stattdessen drei Schritte zurückgehen. Im selben Moment würde die Anspannung des Boxers sofort in sich zusammenfallen. Er wäre also aufnahmefähiger für alles, was jetzt kommt.
Deshalb ist der erste Satz, den Sie als Verkäufer nach dem Vorwand Ihres Gesprächspartners sagen sollten, auch kein Gegenargument, sondern am besten eine neutrale Frage.
„Hab’ ich Sie richtig verstanden?“
Eine freundliche Nachfrage ist eine Reaktion, die die meisten potenziellen Kunden nicht erwarten und auch selten erleben.
Doch wie geht es dann weiter?
Lösen Sie die „Vor-Wand“ auf!
Jetzt nutzen Sie einige bewährte Techniken und Formulierungen, um die Wand zwischen Ihnen und Ihrem Kunden aufzulösen.
Beispiele für die „Standard“-Vorwände: „keine Zeit“; „kein Geld“ oder „kein Bedarf/Interesse“.
Ihr Kunde: „Keine Zeit“ („kein Geld“ oder „kein Bedarf/Interesse“)
Sie: „Habe ich Sie richtig verstanden? Sie sind nicht daran interessiert, dass „Nutzen“. Ein „Nein“ ist vollkommen in Ordnung.“
Nach der Frage sind zwei Punkte sehr wichtig.
1.) Nutzen: Hier muss jetzt ein echter Nutzen Ihres Angebotes für Ihren Kunden kommen. Und zwar ein Nutzen, den Sie noch nicht in Ihren Eröffnungssätzen genannt haben.
2.) „Ein „Nein“ ist vollkommen in Ordnung.“ Wenn Ihre Frage: „Habe ich Sie richtig verstanden“ noch nicht zur Entspannung Ihres Kunden geführt hat, bewirkt dies dieser Satz auf alle Fälle: „Ein „Nein“ ist vollkommen in Ordnung“, nimmt die Spannung raus.
In neun von zehn Fällen höre ich ein „halbes“ Lachen und die Antwort:
„Jein, aber...“
Das, was dann nach dem „aber“ kommt, eröffnet meistens die Möglichkeit, ein Gespräch zu führen, das wenigsten über einige Sätze hinausgeht. Manchmal kommt jetzt schon ein echter Einwand, der behandelbar ist. Oder eine Begründung für den Vorwand, über den es sich zu sprechen lohnt. Oder auch, eine klare Bestätigung, dass man nicht interessiert ist. Diese Bestätigung enthält meistens einen Grund, der zeigt, dass es jetzt eben keinen Weg gibt, dass man ins Geschäft kommt. Das kann Sinn machen, weil es beiden Seiten Zeit spart.
Aber auch, wenn unser Gesprächspartner in diesem Moment noch einmal wiederholt: „Nein, ich bin nicht interessiert“, macht es aus meiner Sicht wenig Sinn, jetzt hartnäckig dranzubleiben.
Ich antworte dann meistens: „Vielen Dank, für Ihre klaren Worte. Das spart uns beiden Zeit.“ Das Gute daran ist, dass es nur noch sehr wenige Gesprächspartner sind, die so klar antworten. Bei den meisten kommt, wie bereits beschrieben, das „Jein, aber...“
Anders ist es, wenn die Antwort weiterhin „nein“ bedeutet, aber ein „weil“ folgt.
Kunde: „Nein, wir sind (wirklich) nicht interessiert, weil wir unser Budget für XYZ dieses Jahr bereits verplant haben.“
Sie: „Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dann ist das Thema XYZ grundsätzlich interessant für Sie, jedoch zu einem anderen Zeitpunkt?“
Das „weil“ hilft Ihnen, sich auf den Teil der Antwort zu konzentrieren, der Ihnen ermöglicht, im Verkaufsgespräch mehr zu erfahren bzw. einfach ein Stück tiefer ins Gespräch einzusteigen.
Außerdem wissen Sie nun, dass Sie Ihren Gesprächspartner nicht mehr von der Notwendigkeit Ihres Angebotes überzeugen müssen, sondern „nur“ noch von Ihnen als Anbieter. Das hat klare Auswirkungen auf Ihre Strategie.
Bei dem gerade aufgeführten Beispiel brauchen Sie jetzt drei bis fünf Fragen, die Sie stellen können, um mehr über den Umstand „Budget“ zu erfahren und welche Version Ihres Portfolios bereits eingesetzt wird.
Also in meinem Fall würde ich herausfinden, welche Trainings bisher im Unternehmen durchgeführt werden, wenn möglich, von wem und was für das nächste Trainingsjahr geplant ist: Grundsätzlich ja? Welche Themen?
Sammeln Sie eine Reihe dieser Fragen und testen Sie, welche in Ihrem Markt am besten funktionieren. Wenn Sie zwei, drei Fragen gestellt haben, teilen Sie Ihrem Gesprächspartner mit, weshalb Sie Fragen stellen. Achten Sie bitte darauf, dass in Ihrer Begründung ein klarer Nutzen für Ihren Gesprächspartner zu erkennen ist.
Wenn Sie den Eindruck haben, langsam nerven Ihre Fragen, leiten Sie die nächste Frage mit den Worten „Jetzt habe ich nur noch 2 Fragen an Sie“ ein. Das signalisiert Ihrem Gesprächspartner deutlich ein Ende und die meisten sind dann so kulant, auch diese Fragen noch zu beantworten. Danach vermitteln Sie einen insgesamten Nutzen des Gespräches für Ihren Kunden und verbleiben konkret.
Senden Sie (vorab) Ihre Unterlagen
Viele Verkäufer freuen sich, diese Aussage zu hören. Sie gibt ihnen das Gefühl, bereits mit einem Fuß im Unternehmen zu stehen. Nun, ich kann Ihnen versichern, nach über 30 Jahren Verkaufserfahrung, dem ist nicht so. Das ist an dieser Stelle ein Vorwand. Doch es gibt eine bewährte Möglichkeit, die Ihnen hilft, klar und schnell herauszufinden, wie dieser Satz gemeint ist.
Kunde: „Senden Sie mir doch Ihre Unterlagen, dann sehen wir weiter.“
Sie: „Herr Mustermann, wenn meine Gesprächspartner das sagen, ist das gewöhnlich die charmante Art, zu sagen: „Lass mich in Ruhe.“ Wenn Sie in Ruhe gelassen werden wollen, sagen Sie das ruhig, es ist vollkommen in Ordnung.“
Jetzt gibt es zwei Arten von Reaktion.
1.) „Sie haben Recht, wir sind nicht interessiert. Ich wollte nett sein.“
2.) „Nein, es interessiert mich schon, aber erst muss ich mal wissen, um was es geht.“ (oder so ähnlich)
Bei 1.) bedanken Sie sich wieder. Wie oben bereits einmal beschrieben.
Bei 2.) lassen Sie Ihren Kunden den Preis für die Unterlagen oder das Angebot zahlen. Nein, kein Geld. Die Antwort auf mindestens drei bis fünf Fragen, die Ihnen helfen, schnell das Potenzial des Kunden zu erkennen. Bitte leiten Sie diese Fragen wieder mit einem Nutzen für Ihren Kunden ein.
Keine Angst vor Vorwänden
Vorwände sind nichts, wovor Sie Angst haben müssen, sie sind auch nicht nervig. Vorwände können Ihnen helfen, schnell die Gesprächspartner zu erkennen, die wirklich bereit sind, das Produkt, jetzt, zu Ihrem Preis, bei Ihnen zu kaufen!
Wenn Sie Ihre Zielgruppe gut definiert haben und überwiegend Menschen anrufen, die Ihre „idealen Kunden“ sind, haben Sie eine gute Chance, bei 20 % Ihrer Anrufe Erfolg zu haben. Probieren Sie es aus. Viel Erfolg dabei.
Ihre,
Gaby S. Graupner
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