Der Klang von New Work

Der Klang von New Work

Als Designerin für Raumakustikelemente tauche ich gerne in die Welt der Großraumflächen ein. Für mich ist “New Work” nicht nur ein kurz aufflammender Trend, sondern ein unumgänglicher Wandel der Arbeitswelt, der vielfältige Facetten mit sich bringt. Neben Change-Management und Digitalisierung rückt der Raum in den Fokus – der Ort, an dem alles geschieht. Hier entstehen Räume der Kommunikation sowie Kollaboration, die weit über bloße Unternehmensphilosophie und Identität hinausgehen. Diese Räume sollen inspirieren und zu Wohlfühlorten werden. In den letzten Jahren hat das Thema Raumakustik mehr Gehör gefunden, doch laut der letzten OFFICE ROXX-Leserumfrage „Raumakustik 2023“ im Auftrag der Akustikaktion "Quiet please!" leidet noch immer jeder und jede dritte Angestellte im Büro sehr unter akustischen Störungen.


Komplexe Klangumgebungen:

New Work Flächen sind in Büros immer häufiger anzutreffen – die heutigen Arbeitswelten verfolgen den Trend zu offen gestalteten Räumen in Form von Open Spaces. Diese sind sehr komplexe Klangumgebungen, da zwei theoretisch widersprüchliche Aktivitäten in Bezug auf die Akustik zu balancieren sind – mündliche Kommunikation und konzentrierte Einzelarbeit. In solchen Räumen kann die Störung durch Sprache zu Spannungen zwischen Menschen führen, die sich konzentrieren wollen, und Menschen, die sprechen müssen, um ihre Tätigkeit auszuführen.

Die Auswirkungen von Lärm auf den menschlichen Körper und die kognitive Leistungsfähigkeit wurde bereits umfangreich dokumentiert. Ein akustisch optimiertes Umfeld steigert nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sie führt ebenfalls zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit und senkt gleichzeitig den Stresshormonspiegel. Spätestens hier wird klar: New Work funktioniert nicht ohne ein gutes, akustisch ausgewogenes Arbeitsumfeld.


Flexible Arbeitsumgebungen sind fester Bestandteil moderner Arbeitswelten.

 

Der Fluss im Raum:

Doch wie erreichen wir das? Aufwendige Gestaltungskonzepte sind der Schlüssel. Und dabei spielt die Raumakustik eine entscheidende Rolle. Ich beschäftige mich, neben den allgemeinen Normen, intensiv mit der neuen ISO 22955, die bahnbrechende Erkenntnisse zur Raumakustik in Bezug auf Open Spaces liefert. Wenn ich einen neuen Grundrissplan erhalte, analysiere ich zuerst die Fläche: Wo wird gearbeitet? Wo wird kommuniziert? Wo entstehen Workshopflächen? Ich berücksichtige die Bewegungsabläufe und den Fluss im Raum.  

Lange Zeit wurde die Raumakustik lediglich anhand von Nachhallzeiten bemessen. Doch heute wissen wir: Decke und Wand allein reichen nicht aus. Eine ganzheitliche Planung ist unerlässlich. Ich muss verstehen, wer in Zukunft auf der geplanten Fläche arbeiten wird. Teams, die zusammenarbeiten und kommunizieren, sollten auch räumlich zusammengeführt werden. Kooperierende Arbeitsplätze liegen nah beieinander, während unabhängige Plätze weiter entfernt sind. Neben der Flächenanalyse kommen weitere Fragen auf. Wie verhält sich die Sprachpegelreduktion zwischen den verschiedenen Zonen? Wer benötigt mehr Diskretion, wer weniger?


Auch die Cafeteria ist ein wichtiger Bestandteil eines New Work Konzeptes.


Schlüsselrolle Raum:

Die Komplexität der einzelnen Faktoren für eine ganzheitliche akustische Planung fasziniert mich. Während die Decke aufgrund ihrer großflächigen Reflexion nach wie vor eine Schlüsselrolle spielt, ist das harmonische Zusammenspiel von Wandflächen, Raumgliederungs- und Schirmungselementen unerlässlich, um ein Großraumbüro akustisch optimal zu gestalten. Im schlimmsten Fall kann eine eigentlich gut gemeinte Akustikplanung dazu führen, dass selbst das leiseste Tastaturgeklapper oder Telefonate der Kolleg:innen auf der gesamten Fläche störend wirken. So ist einer der allgemeinen Zielwerte die Sprachverständlichkeit auf 5 m zu begrenzen. Und hier kommt das Möbelkonzept ins Spiel. Denn Möbel tragen zur Diffusität bei und übernehmen eine wichtige akustische Rolle. Ich integriere sie in meine Akustikplanungen, um ein harmonisches Gesamtkonzept zu schaffen. So entstehen inspirierende Arbeitsumgebungen, in denen sich Menschen wohlfühlen und produktiv arbeiten können.  

Ein tiefgreifendes Verständnis der Wirkung und Auswirkung akustischer Maßnahmen ist von entscheidender Bedeutung. Wandelemente sind insbesondere in Arbeitsplatznähe unverzichtbar, und ein durchdachtes Zonierungskonzept, das Möbel und Schirmungselemente einbezieht, ist essenziell. Selbst scheinbar kleine Details, wie die optimale Höhe der Schirmung je nach Nutzungsanforderung oder die Platzierung der Wandelemente, erfordern genaue Beachtung.

Bei meinen Planungen berücksichtige ich alle Aspekte – Raumakustik, Ästhetik, praktische Umsetzbarkeit und natürlich die beabsichtigte Wirkung auf die Mitarbeitenden. Als Designerin habe ich von Natur aus ein visuelles Auge für Farben und Formen, aber je tiefer ich in die Feinheiten der Raumakustik eintauche, desto mehr fasziniert mich der Klang eines Raumes. In einer Welt, in der “New Work” immer mehr an Bedeutung gewinnt, bin ich überzeugt, dass der Raum eine Schlüsselrolle spielt.


Visualisierung einer neu geplanten Open Office Fläche.


Wohlfühlfaktor – ein messbarer Parameter

In der dynamischen Welt von New Work steht der Mensch im Fokus. Und das aus gutem Grund: Das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ist ein entscheidender Faktor. Neben Aspekten wie Mitarbeiterbindung und Leistungsfähigkeit wirkt sich Wohlbefinden auch auf die Gesundheit aus. So hat man dies z.B. an weniger Krankheitstagen festgestellt und einige Forschende gehen soweit, dass Innenarchitektur Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. 

Doch wie misst man diese scheinbar “weichen” Faktoren? Forschungsprojekte und Studien widmen sich dem reinen Wohlfühlfaktor auf Büroflächen. Neben bekannten Parametern wie Raumklima, Licht und Ergonomie rückt auch die Innenarchitektur in den Fokus. Wie beeinflusst sie das Wohlbefinden der Mitarbeitenden?

Die Antwort liegt in der subtilen Balance zwischen Ästhetik, der Geometrie eines Raumes und seiner Funktionalität. Die WHO (2006) setzt physische und psychische Gesundheit gleich mit Wohlbefinden. Doch wann wird der Wohlfühlfaktor zu einem messbaren Parameter für Büroflächen? Wir dürfen gespannt sein, wann dies in einer eigenen Norm zusammengefasst wird.


New Work und New Education greifen nahtlos ineinander in der Unibibliothek.

 

Wenn der Raum seinen Klang findet

Ein Raum ist mehr als nur vier Wände. Er ist ein Netz aus vielen einzelnen Faktoren und Details, die nahtlos zusammenfließen müssen. Die Verschmelzung von Raumakustik, Interieur und Innenraumgestaltung kann die Grundlage für einen inspirierenden Ort sein. Hier entsteht nicht nur Produktivität, sondern auch Kommunikation, Kollaboration und gemeinsame Inspiration. Ein Raum, der Wohlbefinden fördert, ist mehr als die Summe seiner Teile. Er ist ein Ort, an dem Menschen sich entfalten, Ideen fließen und Gemeinschaft entsteht.

Diese Erkenntnis und der Fakt, dass wir bereits jetzt und in Zukunft immer mehr im Bestand bauen werden, beeinflusst auch meine Arbeitsweise. Es gibt kein "One fits all" Konzept, sondern jede Fläche wird neu und individuell bewertet und auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst. Somit bin ich auf eine enge Zusammenarbeit mit allen Projektpartnern angewiesen – auf ein Netzwerk mit inspirierenden Menschen, in dem es Spaß macht zu arbeiten und ein Teil davon zu sein. Erst dann finden Möbel, Raumakustik, Optik und Funktionalität zusammen. Erst dann findet der Raum seinen Klang und wird ein lebendiger Ort der Zusammenarbeit (für Ihr Projekt).



Axel Steffen

Customer Experience - ich helfe Unternehmen auf dem Weg in die moderne Arbeit

8 Monate

Spannender Artikel, Caroline. Vielen Dank für Deine Impulse, Räume auch mit anderen Augen und Ohren wahrzunehmen....

Danke für deinen Input – ein inspirierender Artikel über wirkungskräftige Räume. 💡 💪

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