“Der Muskel will überrascht werden”
Oder: Drei Dinge, die ich von Zehnkämpfer Frank Busemann beim DTOY22 gelernt habe
Wer kennt Frank Busemann noch? Alle, die ihn kennen, bitte einmal auf Like klicken. Alle, die nicht, auf Klatschen 😉
Busemann ist der vielleicht erfolgreichste deutsche Zehnkämpfer, hielt lange mehrere olympische Rekorde, zum Beispiel in der Zehnkampf-Teildisziplin Hürdenlauf, und gewann 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta die Silbermedaille. Außerdem ist er ein sehr charismatischer Sprecher. Seine Keynote beim #DigitalTransformerOfTheYear war für mich eines der Highlights des Abends. Auf seine humorvolle, rheinische Art zog er Parallelen zwischen den Herausforderungen, die er in seiner Karriere als Sportler bewältigen musste, und den Herausforderungen, vor denen wir als digitale Transformator:innen stehen. Und das sind eine ganze Menge.
Zum Glück lieferte er auch Ansätze, um sie zu lösen. Diese fünf sind mir besonders im Gedächtnis geblieben.
Busemann sagt über sich selbst, er wäre lange der schlechteste Kugelstoßer gewesen, der je bei Olympia angetreten sei. Weil er mit der klassischen Wurftechnik nicht weiterkam, hat er eines Tages beschlossen, alles anders zu machen. Er ging nochmal ganz zum Anfang und entwickelte eine eigene Technik. Eine, die besser zu ihm passte – „eher so Sportabzeichen“, wie er es ausdrückte. Und mit dieser Technik funktionierte es plötzlich. Er brach zwar trotzdem keine Kugelstoßrekorde, sicherte sich aber Weiten, mit denen er im Wettbewerb bleiben konnte, um dann auf seinen Paradedisziplinen zu glänzen.
Sich einzugestehen, dass etwas nicht gut läuft, den Mut zu haben, es anders zu machen, genau das ist auch für uns digitale Transformator:innen wichtig. Beim DTOY22 berichtete Henrik Hahn, CDO von EVONIK davon, wir er mit seinen Plänen scheiterte, das „Amazon der Chemieindustrie“ aufzubauen. Wie er einen großen Schritt zurück machen musste und am Ende ein erfolgreiches „Google der Chemieindustrie“ rauskam.
Was wir daraus lernen können: Wir müssen uns und unseren Mitarbeitenden zugestehen, scheitern zu dürfen. Denn wenn wir die richtigen Rückschlüsse daraus ziehen, kann am Ende etwas Großes entstehen.
2. Der Muskel will überrascht werden
Wer im Sport vorankommen will, muss das Prinzip der Superkompensation kennen. Busemann erklärte das Prinzip so: Wer einen Abend lang kegelt, hat am nächsten Tag einen fiesen Muskelkater im Po. Für den Po-Muskel ist das das Signal, stärker zu werden, damit ihm so etwas nicht nochmal passiert. Und nach dem nächsten Kegelabend wird der Muskelkater dann auch ausbleiben. Allerdings wird sich auch der Muskel nicht weiterentwickeln. Wer also besser werden wolle, erklärte Busemann, müsse sich immer wieder neue Reize setzen.
Empfohlen von LinkedIn
Auch dazu gab es eine schöne Analogie beim DTOY: Auf die Frage nach der größten Herausforderung der letzten Jahre antwortete Nils von der Kall, CMO der ZEIT: “Unser anhaltender Erfolg des Printmediums. Es gab für diese Zeit keinen Grund, sich zu wandeln.” Doch durch die Pandemie änderte sich das. Weil es schwierig wurde, die gedruckte Zeitung zu vertreiben, mussten sie umdenken und entwickelten eine ganze Reihe von digitalen Angeboten und Vermarktungsansätzen. Er fügte an: ”Und weil die ZEIT die ZEIT ist, waren diese auch richtig gut. Mit dem Ergebnis, dass heute zwei von drei neu abgeschlossenen Abos digital sind.”
3. Man kann große Ziele klein trainieren.
Weitspringen ist eine der wichtigsten Disziplinen beim Zehnkampf. Um vorne mit dabei zu sein, müssen die Sportler an die acht Meter weit springen – und das ist eine ganz Menge. Doch Busemanns Vater sah das anders. Der behauptete immer: „Acht Meter sind nicht schwer.“ Man müsse nur schneller laufen, gut abspringen und spät landen.
Was wie eine witzige Anekdote klingt, trägt doch viel Wahrheit in sich. Denn große Ziele tun weh. Deshalb ist es sinnvoll, sich Teilziele zu setzen. So wie Porsche bei der Einführung von Cloud-Diensten in der Produktion. Statt einen langwierigen Prozess anzukündigen, startete der Autobauer mit einem kleinen Use Case, der schnell für Aufmerksamkeit sorgte und die Teams in den Werken von den Vorteilen überzeugte. Inzwischen sei man bei rund 70 Use-Cases in ähnlichem Format, berichtet Christoph Groll, Manager Production IT Planning Tools der Porsche AG, beim DTOY.
Ich fand es ungemein spannend, diese Aussagen (auch mal) aus dem Kontext des Leistungssports zu hören - und in meine Welt umzusetzen. Und das ist nicht schwer, denn auch die digitale Transformation fordert Höchstleistungen. Sie ist, wie gesagt, ein Marathon, der auch nicht gleich auf die volle Distanz trainiert wird.
Daher ist es z.B. auch ein integrales Prinzip bei Culcha, große Ziele in kleine Vorhaben zu verwandeln. Denn selbst wenn diese Vorhaben dann banal wirken, wären sie nur dann entbehrlich, wenn alle sie schon umsetzen würden. Das ist aber in den allermeisten Unternehmen nicht der Fall. Und es ist für die User unglaublich motivierend, die Zwischenetappen zu schaffen. Getreu dem Motto unseres akademischen Mentors aus Stanford, B.J. Fogg: “Make people feel successful!”.
A propos Muskelreizung: Wenn man sich in der ersten Phase der Nutzung von Culcha schon eine gute Verhaltensweise – zum Beispiel zum krisenfesten Management – angeeignet hat, schlagen wir in der Verstetigungsphase immer wieder weitere Vorhaben vor. Bis irgendwann der Tipping Point erreicht ist, und eine ganze Suite von neuen, hilfreichen “Führungsreflexen” in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Und nicht nur manchmal, sondern (fast) immer muss man einen Schritt zurück gehen um voranzukommen. Nämlich zurückgehen hinter das, was man schon lang für die Wahrheit hält, um dem eigenen Team und sich selbst die Chance zu geben, den neuen Zeiten offen gegenüberzutreten und gerecht zu werden.
Spannende Einblicke Prof. Dr. Katja Nettesheim; zu 1) passt auch das große Ganze im Blick haben, man muss nicht in allen Dimensionen „Leistungsträger“ sein.
Jetzt, wo wir gerade in Leistungssport-Metaphern schwelgen: Wer kann noch welche hinzu fügen? Michael Ziegler Johanna Schirm Nino Messaoud Andreas Arntzen Vanessa Gerdung Teresa Boeselager Kathrin Samwer ?
Das war wirklich eine geniale Keynote!
Bernd Preuschoff - kannst Du noch ein paar Leistungssportler-Metaphern hinzu fügen? oder Peter Neuhoff?
Geschäftsführerin (COO/CTO) bei KGAL GmbH & Co. KG (KGAL)
2 JahreMal wieder was gelernt und eine ganze Menge neuer Metaphern. Danke Prof. Dr. Katja Nettesheim, danke Frank B.