Die Auswirkungen der CSRD und der gestiegenen Anforderungen an Banken und Versicherungen auf den deutschen Mittelstand
1. Begrüßung und Einführung in das Thema
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrtes Organisationskomitee, ich bedanke mich sehr für die freundliche Einladung nach China. Es ist für mich eine bemerkenswerte Gelegenheit den Austausch zwischen China und Deutschland im Bereich der Nachhaltigkeit als einen gemeinsamen Nenner für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu unterstützen. Ich möchte Ihnen heute in meinem Vortrag einen Überblick darüber geben, auf welchen Weg sich die Europäische Union (EU) im Bereich der Nachhaltigkeit begeben hat und auf welche Auswirkungen sich die mittleren und kleinen Unternehmen -der sog. Mittelstand- voraussichtlich einstellen müssen.
2. Beschreibung des deutschen Mittelstands und seiner Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft
Der Mittelstand ist Deutschlands Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor. Er ist die treibende Kraft bei Innovationen und ein starker Partner für Großunternehmen weltweit. Der Mittelstand besteht zum ganz überwiegenden Teil aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Zum Mittelstand zählen aber nicht nur KMU, sondern auch größere Unternehmen nach Mitarbeiterzahl und Umsatz, wenn sie Inhaber- oder Familien-geführt sind. Weil dies in der Regel auch auf KMU zutrifft, liegen im Mittelstand Eigentum, Leitung und Haftung traditionell in einer Hand. Über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind KMU, sie stellen mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze und erwirtschaften dabei mehr als jeden zweiten Euro (Nettowertschöpfung). Für die Bundesregierung zählen alle Unternehmen mit bis zu 499 Beschäftigen und weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz zu den KMU. Nach dieser Definition sind 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland KMU.
3. Einordnung des Themas Nachhaltigkeit in Europa und Deutschland
Im Rahmen des sog „Green Deals“ hat die EU in den letzten Jahren eine Reihe von gesetzlichen Regelungen verabschiedet, um das Thema Nachhaltigkeit im Bereich der Wirtschaft voran zu treiben. Hierbei sind vor allem zwei Regelungen von Bedeutung.
Die Taxonomie-Verordnung der EU ist eine wichtige Maßnahme zur Förderung von nachhaltigen Investitionen und zur Schaffung von Transparenz in Bezug auf ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten. Sie wurde im Juni 2020 verabschiedet und soll dazu beitragen, dass durch einheitliche Bewertungskriterien für die gesamte Wirtschaft Vergleichbarkeit und somit Transparenz zur Beurteilung von Nachhaltigkeits-leistungen von Unternehmen geschaffen werden. Die Taxonomie-Verordnung legt dabei einen Rahmen für die Klassifizierung wirtschaftlicher Aktivitäten fest, die als ökologisch nachhaltig gelten. Sie definiert Kriterien, die Unternehmen erfüllen müssen, um als umweltfreundlich eingestuft zu werden.
Die Taxonomie-Verordnung ist eng mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verbunden. Diese wurde im November 2022 vom EU-Parlament verabschiedet und zielt darauf ab, die Offenlegung nicht-finanzieller Informationen durch Unternehmen zu erweitern und zu verbessern. Die CSRD und die EU-Taxonomie sind eng miteinander verknüpft. Die Taxonomie-Verordnung sieht vor, dass Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD offenlegen, inwieweit ihre Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der Taxonomie nachhaltig sind.
4. Die CSRD und ihr Geltungsbereich
Die CSRD ändert den Umfang und die Art der Nachhaltigkeits-Berichterstattung von Unternehmen tiefgreifend. Mit der CSRD werden bestehende Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich erweitert. Alle an einem EU-regulierten Markt notierte Unternehmen (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen) sind von der neuen Berichtspflicht erfasst. Zudem sind alle nicht kapitalmarkt-orientierten Betriebe von der CSRD erfasst, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Bilanzsumme > EUR 20 Mio. Euro, Nettoumsatzerlöse > EUR 40 Mio., Zahl der Beschäftigten > 250. Schätzungsweise sind rund 50.000 Unternehmen in der EU betroffen, davon allein ca. 15.000 nur in Deutschland. Der Mittelstand ist also nicht direkt von der Berichtspflicht gemäß der CSRD betroffen.
Die CSRD folgt einer doppelten Wesentlichkeitsperspektive („Double Materiality“). Das heißt, Unternehmen müssen die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens festhalten. Und sie müssen die Auswirkungen des Betriebs auf Nachhaltigkeitsaspekte verdeutlichen. Die CSRD fordert in der Berichterstattung Angaben zu: Nachhaltigkeitszielen, der Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat, den wichtigsten nachteiligen Wirkungen des Unternehmens und zu noch nicht bilanzierten immateriellen Ressourcen. Alle Unternehmen im Geltungsbereich der CSRD müssen sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, notwendige Strukturen schaffen und umfangreich Daten erheben.
5. Inhalte der Berichterstattung gemäß der CSRD
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Unternehmen müssen aufgrund der CSRD zum Thema Nachhaltigkeit in drei Bereichen berichten: „Environmental“, „Social“ und „Governance“ (ESG). Vor dem Hintergrund der großen öffentlichen Aufmerksamkeit bei der Klimaschutz-Diskussion nimmt der Bereich „Environmental“ eine Sonderstellung ein. In diesem Bereich ist vor allem die Berichterstattung über die Emission von Treibhausgasen besonders wichtig. Deshalb fokussiere ich mich im Folgenden darauf.
Die Treibhausgas-Systematik (GHG Protocol) gliedert die Emissionen eines Unternehmens in drei Kategorien, die „Scopes“ genannt werden:
Scope 1: In den ersten Bereich fallen alle Emissionen, für die ein Unternehmen direkt und unmittelbar verantwortlich ist. Dazu zählen etwa die Emissionen aus seinen Anlagen und Maschinen. Auch eigene Kraftwerke und Heizkessel gehören in diese Kategorie, ebenso der Fuhrpark des Unternehmens.
Scope 2: Der zweite Bereich umfasst die Emissionen, die bei der Produktion von eingekaufter Energie entstehen. Bezieht ein Unternehmen also etwa Strom oder Fernwärme von einem Versorger, der fossile Kraftwerke betreibt, so fließt deren CO₂-Ausstoß anteilig in seine Emissionsrechnung ein.
Scope 3: Im dritten Bereich werden sämtliche indirekte Emissionen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette bilanziert. Dazu zählt zum Beispiel der CO₂-Ausstoß, der beim Abbau eingekaufter Rohstoffe entsteht. Oder anteilig die Emissionen der Airlines, die für Dienstreisen genutzt werden. Genauso fallen Emissionen in diese Kategorie, die beim Einsatz der produzierten Güter entstehen – etwa bei einem Autohersteller der CO₂-Ausstoß sämtlicher Fahrzeuge, die er fertigt.
6. „Scope 3“ ein wesentlicher Treiber für mittelbare Auswirkungen der CSRD auf den Mittelstand
Während sich die Scope-1- und -2-Emissionen relativ einfach berechnen lassen, ist dies bei Scope 3 weitaus schwieriger. Dafür benötigen die Unternehmen Daten, die ihnen längst nicht immer oder nur näherungsweise vorliegen. Nach CSRD berichtende Unternehmen werden daher zukünftig von ihren Lieferanten Daten über den CO₂-Ausstoß in vorgelagerten Wertschöpfungsketten verlangen müssen. Dies wird auch für die Unternehmen im Mittelstand gelten, die bisher eigentlich nicht von der CSRD-Berichtspflicht betroffen sind. Dieser Umstand wird viele dieser Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, da sie sich bisher mit dem Thema Nachhaltigkeit bzw. der Berichterstattung darüber noch nicht in der Breite beschäftigt haben. Sie sind daher zumindest kurzfristig noch gar nicht in der Lage die relevanten Daten zu erfassen bzw. zu liefern. Es wird für den Mittelstand darauf ankommen sich diesem Thema möglichst schnell zu widmen, da es durch die geschilderten Zusammenhänge Wettbewerbs-relevant werden wird. So hat beispielsweise ein Bau-Unternehmen vor kurzem auf einer Nachhaltigkeitstagung berichtet, dass dies in einer kürzlich erfolgten Ausschreibung eines Industriekonzerns schon eingetreten ist. Bei der Ausschreibung eines sehr großen Bauprojekts zur Erstellung von Industrie-Gebäuden wurden als wesentliche Entscheidungs-Dimensionen der Preis und die Reduktion des CO₂-Ausstoßes genannt. Das Bau-Unternehmen hat tatsächlich die Ausschreibung gewonnen, da es ihm gelungen ist, den CO₂-Ausstoß durch innovative Verfahren bei der Erstellung der Gebäude um 20% gegenüber den Wettbewerbern zu reduzieren.
7. Die gestiegenen Anforderungen an Banken und Versicherungen werden sich unmittelbar auf den Mittelstand auswirken
Auch Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungen fallen unter die Berichtspflicht nach der CSRD. In diesem Rahmen müssen sie die sog. ESG-Leistung ihrer Kunden messen und darüber berichten, wie ESG-konform ihre Portfolios sind. Zudem verschärfen sich kontinuierlich die Regeln für Finanzdienstleister und sie müssen ihre Portfolios nachhaltiger ausgestalten. Entsprechende Vorschriften sind beispielsweise die Sustainable Finance Disclosure Regulation oder die Green Asset Ratio, die ein Portfolio mithilfe der Regeln der EU-Taxonomie bewertet. Das bedeutet für Banken, dass sie im Laufe der Zeit für Kredite mit schlechter ESG-Performance (z.B. mit einem sehr hohen CO₂-Ausstoß nach Scope 1 wie ein Kohlekraftwerk) unattraktive Konditionen anbieten werden, um sie aus dem Kreditportfolio zu „verdrängen“. Dies gilt analog für Versicherungen, die allerdings noch zusätzlich die Herausforderung meistern müssen, auch ihre Kapitalanlage ESG-konform auszurichten. Diese gestiegenen Anforderungen an Banken und Versicherungen werden sich auf zwei Ebenen auch auf den Mittelstand auswirken.
Zum einen werden Banken und Versicherungen künftig die Bereitstellung von Informationen über die ESG-Performance auch von Unternehmen verlangen, die eigentlich nicht nach CSRD berichten müssen. Der Bundesverband der Banken in Deutschland hat beispielsweise einen Fragenkatalog mit KPIs und Musterfragen zu Nachhaltigkeits-Aspekten veröffentlicht. Der Verband weist zwar darauf hin, dass kleinere Unternehmen grundsätzlich nicht Zielgruppe des Kataloges sind, Banken aber dennoch etliche der in diesem Grundkatalog enthaltenen Informationen auch im Mittelstand werden erheben müssen.
Zum anderen wird der Zugang zu Kredit- und Versicherungsprodukten für Unternehmen mit schlechter ESG-Performance im Zeitablauf nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Dies wird sich aber -je nach Branche in der die Unternehmen tätig sind- unterschiedlich ausprägen. Unternehmen mit einem sehr hohen Anteil an Energie aus fossilen Brennstoffen (z.B. Metallverarbeitung) müssen sehr viel mehr dafür tun ihre ESG-Performance zu verbessern als beispielsweise Unternehmen einer Dienstleistungs-Branche.
8. Zusammenfassung und Ausblick
Mein kurzer Vortrag hat gezeigt, dass sich die EU auf einen sehr konsequenten und ambitionierten Weg begeben hat, um nachhaltiges Wirtschaften zu erreichen. Die dafür geschaffenen Regelungen wirken weit über ihren direkten Geltungsbereich hinaus. Unternehmen im Mittelstand sind davon mittelbar und unmittelbar betroffen und müssen sich auf diese Entwicklung einstellen. Chinesische Unternehmen sollten sich dieser Entwicklung bewusst sein, wenn sie Produkte an deutsche Unternehmen liefern. Insbesondere die Wirkungsweise der Berichterstattung in Scope 3 wird es zukünftig erfordern, dass deutsche Kunden ESG-relevante Daten auch über chinesische Produkte abfragen werden.
Groß sind die Werke des Herrn, wer ihrer achtet hat eitel Freud daran!
1 JahrVielen Dank Kai Baetge !
Rechtsanwalt
1 JahrLieber Kai, das Thema Nachhaltigkeit wird uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Auch die Lieferketten sind in diesem Zusammenhang extrem wichtig. Toll, dass es dir gelungen ist, den Dialog an so prominenter Stelle zu initiieren.
Executive Coach C-Level - Mentor - Founder and CEO adcompanium
1 JahrKlasse 👍 lieber Kai! Freue mich auf den Erfahrungsbericht von Dir. Lieber Gruß HF
Effektives Netzwerk für Entscheider im Mittelstand - regional bis weltweit | Netzwerk Junger Mittelstand | Leiter Geschäftsstelle Kreis Coesfeld
1 JahrVon daher ist die Information und der Austausch untereinander zu diesen Themen jetzt schon elementar wichtig für mittelständische Unternehmen. 👍