Die besondere Romantik des Krieges

Die besondere Romantik des Krieges

Angesichts der Schrecken, die aus meiner Sicht alle Kampfhandlungen dieser Welt über unzählbar viele Menschen bringen, frage ich mich immer wieder, was daran romantisch sein könnte. Da höre ich Soldatenlieder und lese von kühnen und tapferen Kriegern. Tapferkeit, das habe ich nachgeschlagen, setzt Leidensfähigkeit voraus und ist meist mit dem Glauben an höhere Werte verbunden. Also der Überzeugung, zum Beispiel etwas für sein Vaterland, seine Religion zu tun oder für eine gute Sache zu agieren.

Bis dahin, naja, das kann man vielleicht so sehen. Zweifellos eine eigentümliche Sicht der Dinge, der sich durchaus nicht alle Menschen anschließen. Und an diesem Punkt wird es – wie stets beim Aufdrücken einer Meinung – ziemlich abwegig. Gruppieren wir doch mal die verschiedenen Fraktionen.

Da sind zunächst mal die, die sich wirklich für irgendwelche höheren Werte begeistern und von innen heraus dafür eintreten. Im Kern wollen sie etwas erreichen, ihre religiöse Überzeugung weitergeben oder ihre Kultur mit anderen Menschen teilen. Dies in den seltensten Fälle auf der Basis von Freiwilligkeit und Überzeugung, sondern durch Macht und Gewalt.

Direkt dahinter die deutlich größere Anzahl von Menschen, die sich für die höheren Werte begeistern lassen. Die also mitmachen, mitplappern und die Gedanken der Rädelsführer übernehmen. Sie laufen mit, eifern ihren Führern nach und übertreffen diese oft sogar in der Ausgestaltung im Sinne vorauseilenden Gehorsams. Wirklich eigene Argumentationslinien sind hier nicht anzutreffen, und die in den Logiken verwobenen Aspekte sind austauschbar. Heute gegen Atomkraft, morgen für Klimawandel. Oder eben für den Krieg gegen Nachbarstaaten.

Drittens dann diejenigen, die zum Mitmachen überredet oder gezwungen werden. Ein Grundgedanke oder höheres Ziel ist ihnen nicht zu eigen, aber sie ergeben sich dem Druck der Führer und deren Helfer. Im Krieg werden Männer unter Androhung von Strafen eingezogen, in Friedenszeiten mit sozialem Druck zu irgendwelchen Unterschriften oder Handlungen bewegt.

Ein deutlich geringerer Anteil der Bevölkerung macht nicht mit. Sie widersetzen sich, leben mehr oder weniger offene Opposition und nehmen dafür Strafen von der Ächtung bis zum Tode in Kauf. Je nach Geschick können sie sich der Sache entziehen, aber zweifellos ist es eine gefährliche Entscheidung.

Schließlich dann noch die Menschen, die aktiv dagegen halten. Die öffentlich ihre Stimme als Gegendarstellung zur großen Meinung erheben und versuchen, der Welle zu begegnen. Zur Erreichung ihres Zieles greifen sie sogar zu aggressiven Maßnahmen und schrecken im Extremfall auch vor Anschlägen nicht zurück.

Wo sind nun – um zum Anfang der Überlegungen zurückzukehren – die tapferen Menschen zu finden? Ganz sicher sind es nicht die wenigen Anführer und Vordenker. Es sind auch nur bedingt die Mitläufer; Diese Fanatiker sind blind für die von ihnen verursachten Schäden und ebenso blind für die eigenen Nachteile. Weder das Niedermetzeln von anderen Lebewesen noch der heldenhafte Selbstmord in einer Schlacht haben etwas mit Tapferkeit zu tun. Die Hineingezerrten sind es aber auch nicht. Sie werden vielmehr einer speziellen Form der Folter unterzogen, Leidensfähigkeit bis zum Tod wird von ihnen verlangt, eine Motivation für diese Art der Quälerei bleibt jedoch aus.

Tapfer und mit dem größten Mut ausgestattet ist die Opposition. Wie beschwerlich ist deren Weg, wie gefährlich der Aufstand dieser meist eher kleinen Gruppe. Wenn es also einen Grund gibt, die vermeintliche Romantik des Krieges zu besingen, dann müssten wir die Lieder und Balladen auf eben diese tapferen Frauen und Männer dichten.

[Andere Blogs: Interdisziplinäre GedankenFeingeistiges]

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