"Die Betonbauweise wird auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden"
Beton ist fundamental wichtig für Infrastrukturprojekte in NRW - Foto: Hülskens

"Die Betonbauweise wird auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden"

Für den Bau neuer Gewerbeimmobilien werden Rohstoffe gebraucht. Auch für Straßen, Brücken und Infrastruktur generell. Beton ist ein Schlüssel. Wie ist es also um diesen Baustoff bestellt? Wie ist die Marktsituation und was ist mit Recyclingmaterial? Wie sieht die Rohstoffversorgung in Zukunft aus und warum schadet eine Abgabe der heimischen Wirtschaft? Antworten gibt RALF LINDEN, Geschäftsführer Heinr. Elskes GmbH & Co. KG , im Interview (Magazin Niederrheinische IHK Duisburg-Wesel-Kleve , 04/2023).

Herr Linden, wie beurteilen Sie die aktuelle und zukünftige Bausituation?

RALF LINDEN: In den letzten Jahren boomte die Bauwirtschaft in NRW und in Deutschland insgesamt. Die Kapazitäten waren stark ausgelastet. Interessante Projekte mit modernen Baustoffen, auch der Einsatz von Recyclingbetonen oder der Bau in Hybridbauweisen mit Holz und Beton, nehmen zu. Die wirtschaftliche Lage hat sich aber verschlechtert. Die Betonproduktion verzeichnete 2022 in NRW einen Rückgang von 1,9 Prozent. Für 2023 werden nochmals minus 3,1 Prozent erwartet. Die geringere Bautätigkeit hat mit schlechteren Rahmenbedingung zu tun, weitere Gründe sind Material- und Arbeitskräftemangel, steigende Kosten und Zinsen. Was die Zukunft angeht, haben wir einerseits einen extrem hohen Neubaubedarf an Wohnungen, Windrädern und Brücken, andererseits dauern die Genehmigungsverfahren bei uns viel zu lange. Außerdem, egal, wie wichtig, dringend und sinnvoll sie sind, neue Projekte werden fast immer durch unterschiedliche Interessenvertreter bekämpft oder beklagt. Aber wir brauchen neue Wohnungen, Gewerbegebiete, Krankenhäuser, Schulen und Brücken. Und zwar dringend. Doch neben den rein marktwirtschaftlichen Herausforderungen machen wir es uns hier im Kammerbezirk noch zusätzlich schwer und verschlechtern unsere Situation selbst.

Was meinen Sie konkret damit?

Zum einen stellen Kommunen kaum Baugrundstücke für Industriebetriebe und zu wenig für Wohngebiete zur Verfügung. Seit Jahren suchen wir für ein modernes Beton-Fertigteilwerk ein Grundstück. Die angesprochenen Gemeinden blocken aber - sie wollen keine Ausdehnung der Industrie, vermutlich, weil sie unterstellen, dass Lärmbelästigungen, Schmutz und Emissionen zunehmen. Dabei stehen neue moderne Werke für Fortschritt, Arbeitsplätze und deutlich weniger Umweltbelastungen. Diese seit einiger Zeit spürbare Deindustrialisierung in unserem Land führt dazu, dass wir perspektivisch unseren technischen Spitzenplatz und unseren Wohlstand verlieren. Zum anderen lehnen Kommunen und politische Amtsträger mehrheitlich die heimische Rohstoffversorgung mit Kies und Sand, die wesentliche Bestandteile für Beton sind, ab. Dabei sind es gerade die Kommunen, Städte und auch das Land NRW, die einen großen Teil unserer Bauherren ausmachen.

Sind Lieferengpässe aufgrund mangelnder Rohstoffe zu erwarten?

Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.
Neue Brücken braucht das Land.

Derzeitig können Kunden noch überwiegend mit Beton bedient werden. Transportbeton ist ein regionales Produkt und muss innerhalb von 90 Minuten nach der Produktion verarbeitet sein - kann also nicht importiert werden. Auch die erforderlichen Rohstoffe, wie Kies und Sand, kommen derzeit aus der Region. In zwei bis drei Jahren laufen viele Genehmigungen für Kieswerke am Niederrhein aus. Damit geht die Fördermenge weiterhin drastisch zurück. Dann sieht die Liefersicherheit anders aus und größere Bauprojekte können möglicherweise nicht mehr bedient werden.

Was wären die Konsequenzen?

Eine logische Konsequenz wären längeren Transportwege für Rohstoffe, also Kies und Sand, damit höhere Kosten sowie neue Abhängigkeiten bei schlechterer C02-Bilanz. Das kann doch keiner wirklich wollen. Wer von C02-Reduzierung und von Dekarbonisierung spricht, gleichzeitig aber heimische Rohstoffe durch Import und lange Transportwege ersetzen will, befindet sich in einem krassen Widerspruch.

Könnte man das dann nicht mit Recyclingmaterial kompensieren?

Obwohl in Deutschland nahezu alles recycelt wird, steht aufbereitetes Recycling-Material für den Einsatz im Beton nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Es können kaum größere Projekte bedient werden. Auch mittelfristig kann Recyclingmaterial nur 15 Prozent des Bedarfs decken.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Baustoffe?

Es gibt viele interessante Entwicklungen, die das Bauen verändern werden. Es wird zu einer schmaleren Bauweise kommen, was Ressourcen schonen wird. Die Produkte, auch Beton, werden umweltfreundlicher werden. Der Einsatz von Holz wird zunehmen. Aber wir können bei Weitem nicht alles aus Holz bauen. Die Betonbauweise, die weltweit die dominierende Bauweise ist, wird auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden. Wenn man es mit klimafreundlicher Politik und einer notwendigen C02-Reduzierung ernst meint, müssen heimische Rohstoffe als Gesteinskörnung für Beton eingesetzt werden. Alles andere ist unglaubwürdig, wird deutlich teurer und umweltbelastender.

Die NRW-Landesregierung plant eine zusätzliche Rohstoffabgabe für Kies und Sand einzuführen. Was sagen Sie dazu?

Dieser NRW-Sonderweg ist verfassungsrechtlich bedenklich, klimapolitisch eine Katastrophe und wirtschaftlich eine einseitige Benachteiligung für NRW-Unternehmen, weil das Material dann aus anderen (Bundes-)Ländern per Lkw oder Schiff importiert werden müsste. Wie eine Landesregierung eine solche Massnahme beschließen kann, die das eigene Bundesland dermaßen benachteiligt, ist mir unverständlich.

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Hülskens Firmenverband

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen