Die drei Stufen des Laufens: Vom Müssen zur Lust
Laufen – ein Wort, das für viele Menschen einfach nur eine Form des Trainings beschreibt. Doch Laufen kann viel mehr sein, wenn wir bereit sind, uns tiefer darauf einzulassen. Für mich gibt es drei Stufen des Laufens, die das Potenzial haben, unser Verhältnis zur Bewegung und zum Leben zu transformieren.
Stufe 1: Laufen müssen.
Für viele beginnt Laufen als eine Pflicht, fast wie ein Zwang. Vielleicht, um fit zu bleiben, ein Ziel zu erreichen oder den Anforderungen der Gesundheit zu entsprechen. Es ist ein Mittel zum Zweck, eine Notwendigkeit, die wir uns selbst auferlegen oder auferlegt bekommen. In dieser Stufe ist Laufen etwas, das getan werden muss – der innere Schweinehund wird überwunden, und oft begleitet ein Gefühl des Müssens jede einzelne Bewegung.
Stufe 2: Laufen als Training.
Mit der Zeit verändert sich das Laufen. Es wird zu einem strukturierten Training, zu einer Methode, mit der wir gezielt Ziele verfolgen: Ausdauer aufbauen, schneller werden, bestimmte Fitnesslevel erreichen. Es entsteht ein Gefühl der Selbstwirksamkeit – wir trainieren, wir wachsen, wir messen unsere Fortschritte. Laufen als Training ist diszipliniert, es gibt uns Struktur und gibt uns das Gefühl, etwas für unsere Gesundheit zu tun. Es ist eine Ebene des bewussten Gestaltens, aber oft noch geprägt von Zahlen und Kontrolle.
Stufe 3: Laufen als Quelle der Lust, der Selbstentdeckung und der sinnlichen Intensität.
Doch da gibt es noch eine dritte Stufe – eine Stufe, die wir nur erreichen, wenn wir bereit sind, das Laufen von all den Erwartungen zu befreien. Der Philosoph Michel Foucault sprach von der "Ästhetik der Existenz" und der "Erotik der Existenz" – das Leben als Kunstwerk zu gestalten und es intensiv, leidenschaftlich zu erleben. Diese Idee lässt sich auch auf das Laufen übertragen: Laufen als ein sinnliches, lustvolles Erlebnis, das unseren Körper, unseren Geist und unsere Umgebung vereint.
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In dieser Stufe wird Laufen zu einem Ausdruck von Lebendigkeit und Lebenskunst. Es ist kein Training mehr, sondern eine Quelle der Freude und der tiefen Verbindung zu uns selbst und unserer Umwelt. Wir spüren den Boden unter unseren Füssen, den Wind auf der Haut, den Atem, der uns trägt. Wir sind nicht mehr die Läuferin oder der Läufer, die ein Ziel erreichen müssen, sondern einfach ein Mensch, der die Schönheit der Bewegung in ihrer reinsten Form erlebt. Es ist ein Zustand der völligen Präsenz, in dem jede Anstrengung, jeder Schritt eine Form von Lust und Selbstentdeckung wird.
Das Laufen in dieser Form wird zu einem Kunstwerk – nicht in der Leistung, die wir erbringen, sondern in der Intensität, mit der wir den Moment erleben. Es ist eine Rückkehr zum Elementaren, zu der Freiheit, die Bewegung uns geben kann, und zu der Entdeckung unserer eigenen Grenzen und Möglichkeiten. Laufen als Kunst, als bewusste Gestaltung unserer Existenz, als eine Form der Erotik des Lebens.
Es ist wichtig zu betonen, dass es beim Begriff "Erotik" nicht um Sexualität geht, sondern um das sinnliche, bewusste Erleben der Welt und des eigenen Körpers – eine Form der Lebenskraft, die das Leben intensiv und erfüllend macht.
Von der Pflicht zur Freiheit.
Vielleicht beginnen wir alle mit der Pflicht – mit dem "Laufen müssen". Doch das Ziel sollte sein, uns nach und nach den höheren Stufen zu nähern. Uns vom Zwang zu befreien, die Struktur als Werkzeug zu nutzen und schliesslich in die Freude und Lust des reinen Seins einzutauchen.
Laufen kann eine Quelle der Gesundheit sein, aber es kann auch eine Quelle der Freiheit, der Schönheit und der sinnlichen Intensität sein – wenn wir es zulassen.
In der aktuellen Zeit, kann dies wichtiger denn je sein.