Die Droge der Narzissten

Die Droge der Narzissten

Wir alle sehnen uns nach Anerkennung. Wir wollen gesehen, gemocht und geschätzt werden. Wir wollen dazugehören – zur Clique, zum Kollegenkreis, zur Gesellschaft. Das ist einerseits normal, der Mensch ist ein soziales Wesen. Andererseits ist es problematisch, zumindest dann, wenn dieser Wunsch so weit geht, dass unser Selbstwertgefühl vom Lob anderer Menschen abhängt.

Sich von äußerer Bestätigung schrittweise zu lösen und seinen Selbstwert aus sich selbst zu schöpfen, aus dem eigenen Tun oder auch aus der Verbundenheit mit der Natur, das ist manchmal mühsam. Es ist aber ein Prozess, den die meisten Menschen früher oder später im Leben durchlaufen.

Für eine Gruppe allerdings gilt das nicht. Diese Menschen haben ein übersteigertes Interesse an ihrem Ego, am eigenen Wohlergehen, doch sie haben es nie gelernt, in Kontakt zu sich selbst zu treten, ja sich selbst zu lieben.

Die Rede ist von Narzissten.

Narzissten brauchen das Lob und die Anerkennung anderer zum Leben, so wie wir alle die Luft zum Atmen brauchen.

In ihrem Innern – so beschreibt es der Psychiater und Psychotherapeut Pablo Hagemeyer, mein nächster Gast in den „SMP LeaderTalks“ – herrscht eine emotionale Wüste. Und so dürsten Narzissten nach externer Bestätigung wie nach einer Droge.

Eine Folge dessen ist das Aufbauen einer glänzenden Fassade. Narzissten wollen andere beeindrucken, entsprechend legen sie häufig Wert auf Statussymbole und Äußerlichkeiten. Materieller Reichtum soll die innere Armut verdecken, soll Stärke und Selbstsicherheit projizieren. Gelingt dies, können sie Macht und Kontrolle ausüben. Bleibt der erhoffte Effekt beim Gegenüber allerdings aus, zum Beispiel weil dieser sich aus Materiellem wenig macht, kann das Narzissten irritieren.

Noch schlimmer ist es, wenn das projizierte Image von anderen hinterfragt oder kritisiert wird, wenn das Selbstbild einen Knacks kriegt. So etwas kann Narzissten regelrecht aus der Bahn werfen. „Dann ist Alarm im Königreich“, sagt Hagemeyer. Er spricht dann von einem vulnerablen Narzissmus – von Menschen, die unsicher, ängstlich und neurotisch sind. Verletzbar eben.

Eine andere, mir bisher unbekannte, aber hoch interessante Spielart des Narzissmus ist laut Hagemeyer der kommunale Narzisst. Dabei handelt es sich seiner Beschreibung nach um Menschen, die oberflächlich sozial und engagiert, in Wahrheit aber narzisstisch sind.

Kommunale Narzissten können zum Beispiel in Pflegeberufen arbeiten und sich um andere kümmern. Sie sind bemüht, rücksichtsvoll und scheinbar selbstlos. Ihr Antrieb ist allerdings weniger das Wohlergehen der anderen als vielmehr das Gefühl einer moralischen Überlegenheit, das Gefühl, sozialer, ja besser als andere zu sein, und die Anerkennung, die sie zu ernten hoffen.

Bleibt diese Anerkennung aus, kann das Auftreten von kommunalen Narzissten kippen, und zwar recht rapide. Auf einmal treten diese Menschen fordernd auf. Kalt. Strafend. Sie schweigen auf einmal oder schneiden die anderen plötzlich. Wo vorher Zuwendung war, herrscht auf einmal Liebesentzug.  

Ein anderes Beispiel, das Hagemeyer zur Illustration anführt, ist jemand, der sich im Büro stark engagiert, ständig Überstunden macht, auch wenn das niemand von ihm verlangt hat, und auf einmal die Belohnung dafür einfordert. Solche Menschen können ihr Umfeld subtil erpressen oder auch sehr explizit Druck aufbauen.

Narzissmus hat viele Ursachen und kennt sehr viele, sehr unterschiedliche Ausprägungen – von kleinen Lügen bis hin zu manipulativem oder aggressivem Verhalten. Dies zu verdeutlichen, ist das Ansinnen von Pablo Hagemeyer, der seit 2020 mehrere Bestseller zum Thema veröffentlicht hat und dafür kämpft, Narzissmus differenzierter zu betrachten.

Was ihn stört: Narzissten, das sind in der öffentlichen Diskussion allzu leicht immer nur die anderen. Dabei trägt jeder Mensch narzisstische Züge in sich, sagt Hagemeyer. Entscheidend ist eher, wie stark diese Züge ausgeprägt sind, ob sie uns bewusst sind – und wie wir mit ihnen umgehen.

Ein spannender Gedanke!

Mehr über die Wurzeln und Gefahren des Narzissmus, über Selbstsabotage sowie über die radikale Akzeptanz unserer selbst als Ausweg aus ungeliebten Verhaltensmustern erfahren Sie in der neuen Folge unseres Podcast „SMP LeaderTalks“ – ab sofort auf allen Plattformen, auf YouTube oder hier

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Vielen Dank im Voraus 🙏

Das Thema ist sehr interessant…Aus meiner Sicht hatte es in Deutschland bis vor einigen Jahren kaum jemand auf dem Radarschirm…der grandiose Narzist ist außerhalb näherer Beziehungen nur schwer auszumachen, da er ja auch gerne eine ,gute Maske‘ trägt.

Andrea Buth

PartnerIn werden auf deinem maßgeschneiderten Weg | Nachwuchs in der Beratung gesucht | Senior Partnerin Buth & Hermanns | Sustainability Auditor IDW

2 Monate

Super spannende Perspektive 🙏

Stefan Pletsch

Managing Director bei i-tec business consulting UG | Business Consulting

2 Monate

Häufig sind diese Menschen in sich selbst gefangen, die Geschwindigkeit und das Rad drehen sich unaufhaltsam. Gibt es überhaupt ein Entkommen aus der Hülle?

Iris Kaufmann

PhiloLyrik | Im Denken verwurzelt, im Fühlen beflügelt | GEISTreiche DICHTERIN & LEBENSTHEMAtikerin | SEIN-LEBENde (S)IN(N)SPIRATORIN | KREATIVphilosophische Visionen in Wirtschaft, Leben und Arbeit

2 Monate

Georgiy Michailov eine wirklich überaus interessante Folge. Die Fachkompetenz von Dr. Hagemeyer in den Ausführungen zu den durchdachten Fragen macht das Gespräch sehr dicht. Spannend der Exkurs in die Politik und die Bedeutung des kommunalen Narzissmus. Ich frage mich, was in Realität passieren muss, dass Unternehmen nicht mehr solche Eigenschaften durch die Beschäftigung und Einstellung von solchen Menschen fördern. Davon sind wir mE noch recht weit entfernt.

Robert Zimmermann

Entrepreneur | Office & Residential Developer | Diplom-Immobilienökonom (ADI)

2 Monate

Auch hier nochmals: mega! gute! hörenswerte! Folge 💪

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