Die geheime Superkraft der Führungskräfte
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Die geheime Superkraft der Führungskräfte

Sucht man in einer Suchmaschine nach „Führungskraft“ oder „Eigenschaften einer Führungskraft“, kommen direkt Ergebnisse mit den 6 bis 10 wichtigsten Eigenschaften und Fähigkeiten die man als Führungskraft benötigt. Man soll Coach sein, zuhören, Freiheiten geben, auf Micromanagement verzichten und auch fachliche Expertise haben – um nur einige Beispiele zu benennen. [vgl.  eigenschaften einer führungskraft – Google Suche]

Jeder dieser Punkte ist plausibel und gehört auch Situationsgerecht in das Repertoire einer Führungskraft.

Es gibt aber eine weitere Fähigkeit, die aus meiner Sicht essentiell ist – Authentizität. Nur wenn ich als Führungskraft authentisch agiere, haben die oben erwähnten Eigenschaften auch eine Wirkung. Wenn ich „zuhören“ nur vorspiele, an die verkündete Teamvision nicht selber glaube  oder Freiheiten ankündige, aber dann doch jeden Schritt nachfrage, merken Mitarbeitende das ziemlich schnell.

Beispiel: Nach einem langen Workshop werde ich angesprochen, ob ich Zeit für ein Ad-Hoc Mitarbeitergespräch habe. An sich fehlt mit gerade die Energie und auch die geistige Kapazität, da mir der Workshop noch nachhängt. Als „gute“ Führungskraft aber sage ich selbstverständlich „ja“, denn meine Mitarbeiterin braucht mich. Im Gespräch bin ich aber nur teilweise präsent und versuche eher, es schnell zu beenden und biete halbe bis kein Lösungen an. Das Ergebnis ist dass die Mitarbeiterin sich nicht ernst genommen fühlt und ich selber meinem Anspruch nicht gerecht werde und unzufrieden bin. Sie wird als nun nach einem eigenen Lösungsweg suchen, frustriert sein oder sich beim nächsten mal nicht mehr an mich wenden.

In einer solchen Situation wäre es besser gewesen, ich hätte gegenüber der Mitarbeiterin formuliert, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Aufmerksamkeit bereit stellen kann, die ihr Thema verdient. Danach hätten wir vereinbart ob das Thema bis zum nächsten Tag warten kann, oder wir zwar kurz das Thema anschneiden, es aber zu einem anderen Zeitpunkt vertiefen. Beides wäre authentisch gewesen und hätte uns beiden mehr geholfen.

An diesem Beispiel lassen sich auch die Nachwirkungen von nicht authentischem Handeln gut aufzeigen. Die Folge eines nicht authentischen Führungsstils ist der Verlust von Vertrauen, Glaubwürdigkeit und fehlende Orientierung. Man erschafft eine paradoxen Umgebung in der es häufig vorkommt, dass Führungskräfte und Mitarbeitende das eine sagen, aber etwas anderes tun. Eine solche Umgebung ist eher toxisch und führt dazu, dass ganze Teams ihre Energie auf die Stabilisierung der Situation und die Aufrechterhaltung der Paradoxien lenken und nicht auf die eigentlichen sinnstiftenden Tätigkeiten.

In der Praxis könnten folgende Beobachtungen die Folge einer nicht authentisch agierenden Führungskraft bzw. eines nicht authentisch agierenden Managements sein:

  • Die Führungskraft gibt eine Anweisung, aber sie wird nicht befolgt
  • Es wird eine Strategie vorgegeben, aber die operative Umsetzung geht in eine andere Richtung
  • Die Halbwertszeit von Entscheidungen ist sehr kurz
  • Im Team gibt es eine inoffizielle Führungskraft bzw. die Autorität der Führungskraft wird untergraben
  • Das Tema neigt zu psychologischen Spielchen

Doch wie kann ich als Führungskraft hier gegensteuern, wie kann ich authentisch agieren?

Für mich persönlich entsteht ein authentisches Verhalten, wenn ich mein Denken, Fühlen und Handeln in Einklang bringen kann und sich daraus mein Verhalten ergibt. Die Grundlage dazu bilden meine Werte und Überzeugungen (siehe auch Artikel "Der Kompass der Führungskraft").


[In Anlehnung an: Script „Selbstwirksamkeit für Führungskräfte, Berater & Praktiker“ Dr. Michael Korpiun, Sabrina Hupperich, In Stability GmbH & Co. KG Mai 2019 S. 62]


Jeder von euch kennt das bestimmt auch. Manche Entscheidungen sind schnell getroffen und nach ihnen zu handeln fühlt sich „richtig“ an. Das sind die Momente in denen alle drei Dimensionen zusammen spielen.

Doch es kommt auch vor, dass eine Entscheidung nicht so leicht ist oder ich ein „komisches“ Gefühl im ersten Moment habe. Oder ich stelle hinterher in der Kaffeepause oder am nächsten Morgen unter der Dusche fest, dass die Entscheidung vielleicht besser hätte anders getroffen werden sollen.

Genua hier lohnt es sich genauer hin zu schauen. Diese „Störgefühle“ kommen meist daher, dass eine oder mehrere der drei Dimensionen nicht im Einklang sind.

Beispiel: Ein Mitarbeiter ruft emotionalisiert an und eskaliert, da er mit seiner aktuellen Arbeitssituation extrem unzufrieden ist. Ich selbst lasse mich von der Emotionalität anstecken, will dem Mitarbeiter sofort helfen oder – je nach eigenem Temperament – direkt dagegen halten. Sobald ich aufgelegt habe, merke ich, dass die gerade gemachten Zusagen nicht dem entsprechen, was ich eigentlich für die beste Lösung halte. Ich muss mir also im Nachhinein überlegen, ob ich die Zusagen einhalte, oder erneut in ein Klärungsgespräch einsteige.

Im ersten Fall handle ich gegen meine eigenen Überzeugungen und im Zweiten wird der Mitarbeiter mich als Ambivalent wahrnehmen.

Um für die Zukunft solchen Situationen zu entgehen, versuche ich immer auch darauf zu achten, was gerade in meinem inneren System passiert. Wenn ich feststelle, dass ich keine innere Klarheit habe, nehme ich das gesagte auf, formuliere aber, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Entscheidung treffen kann. Die einzige Zusage in einer solchen Situation ist, dass wir uns zu dem Thema nochmal kurzfristig zusammen setzen und einen festen Termin für das Folgegespräch ausmachen. Danach habe ich dann die Zeit, die ich brauche um mich zu sortieren und mein Denken, Fühlen und Handeln aufeinander abzustimmen und ein bewusstes Verhalten an den Tag zu legen.

An dieser Stelle möchte ich aber auch noch kurz erwähnen, dass es nicht darum geht – und auch nicht immer gelingt – alle drei Dimensionen in Harmonie zu bringen. Es gibt Situationen, da muss ich ein Verhalten an den Tag legen, dass sich nicht gut anfühlt oder ich anders über eine Situation denke. Es lässt sich aber leichter damit umgehen und akzeptieren, wenn man sich dessen bewusst ist. Wenn man dies auch noch nach außen formuliert, wissen auch alle anderen wo man gerade steht und können ebenfalls besser darauf reagieren.

Am Ende geht es genau darum. Andere Wissen zu lassen, wo und wofür man steht und sein Verhalten und seine Entscheidungen  nachvollziehbar und auch kalkulierbar zu gestalten. Die ist die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und einer der Grundsteine um weitere Führungskraft-Qualität darauf aufzubauen.

Wie ergeht es euch im Alltag? Lasst gerne eure Stories da, bei denen ihr nicht authentisch wart oder wo ihr besonders stolz auf euch seid, weil ihr im Einklang mit euch selbst eine gute Entscheidung getroffen habt.

Vielen Dank fürs Lesen,

Rüdiger


Wer sich mit dem Thema noch weiter auseinander setzen möchte, hier ein par weiterführende Infos:

Artikel: Der Kompass der Führungskraft

Artikel: Sind Sie eine authentische Führungskraft? – Experteer Magazin

Buch: Authentic Leadership (HBR Emotional Intelligence Series) von Bill George

Artikel (kostenpflichtig): Personality Adaptations: (Doors to Therapy) von Paul Ware 1983 (Artikel in Transactional Analysis Journal)

Präsentation: Containment – die Kunst des Aushaltens

Amazon Bücherliste: Denken, Fühlen & Handeln


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