Die „guten Leute“: Wie Sie auf Ihrem Weg zur Selbstorganisation die richtigen Mitarbeiter halten
„Herr Heilmaier, verlieren wir nicht gute Mitarbeiter, wenn wir jetzt auf Selbstorganisation umstellen?“, fragen mich manche meiner Mandanten, die noch am Anfang des Weges zur Neuaufstellung ihres Unternehmens stehen. Sie äußern damit Zweifel, die weit verbreitet sind.
Andererseits ist die Verlockung groß, die Strukturen umzustellen, denn selbstorganisierte Teams arbeiten nachweislich motivierter, schneller und produktiver als klassisch-hierarchisch aufgestellte Einheiten. Viele Firmen sehen in der Umstellung deshalb fast ein Muss. Wenn da nur nicht die Angst um den Verlust der besten Leute wäre …
Fraktionsbildung
Ihre Belegschaft hat sich zweifelsohne auf Ihre aktuelle Organisationsform eingerichtet. Wenn Sie diese Struktur nun umstellen, wird nicht jeder mit der neuen Form glücklich sein. Da möchte ich Ihnen gar nichts vormachen.
Ich beobachte immer wieder, dass sich sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Führungskräften zwei Fraktionen herausbilden: So gibt es bei den Mitarbeitern auf der einen Seite diejenigen, die sich freuen, nun endlich selbst Entscheidungen treffen zu dürfen, und sich zu ungeahnten Leistungen aufschwingen. Auf der anderen Seite stehen die, die sich beklagen: „Wir brauchen doch jemanden, der schließlich die finalen Entscheidungen trifft.“
Die Führungskräfte sind dabei in einer ganz besonderen Situation: Ein größerer Teil von ihnen wird im „Endstadium“ der Umstellung nicht mehr gebraucht werden. Ja klar, das geschieht nicht von heute auf morgen, aber eben absehbar. Denn: Ihre koordinierende und lenkende Funktion wird von den Teams selbst übernommen, ihre „gehobene Stellung“ fällt weg. Daher sagt die eine Fraktion: „Ich bin hier, weil ich den hierarchischen Karrierepfad beschreiten wollte. Wenn es den hier nicht mehr gibt, gehe ich.“ Die andere dagegen hat die größte Freude an der produktiveren Atmosphäre, den verbesserten Ergebnissen und dem Drive, den das Unternehmen entwickelt.
Und je nachdem, wie stark die einzelnen Fraktionen sind, sind Sie in Ihrer Konsequenz gefragt.
Selbstorganisation mit Konsequenz
Die Versuchung ist groß, für einzelne Leistungsträger der Vergangenheit, die sich mit der neuen Perspektive unzufrieden zeigen, Sonderwege einzurichten. Davor möchte ich Sie warnen: Das Rosinenpicken ist in diesem Fall gefährlich. Mischformen haben sich tatsächlich bisher nie bewährt.
Ich empfehle Ihnen stattdessen: Bleiben Sie konsequent bei Ihrem Ziel und verlassen Sie sich darüber hinaus auf die Selbstreinigungskräfte der Teams. Es ist erstaunlich, wie gut diese funktionieren: Erstens merken diejenigen, die mit der Selbstorganisation nicht klarkommen, schnell, dass sie nicht mehr „passen“. Und zweitens werden in solchen Teams derlei Schwierigkeiten in Sachen Zusammenarbeit und Passung üblicherweise offen angesprochen und damit ins Bewusstsein gebracht.
Was heißt das also konkret für Sie?
Alte und neue gute Mitarbeiter
Ja, Sie werden einzelne Akteure verlieren – auch solche, die in der alten Struktur Leistungsträger waren. Nicht jeder passt zu jeder Organisationsform. Doch der Verlust wird aufgewogen werden, weil unter Ihren Mitarbeitern jetzt neue Leistungsträger „aufblühen“ und gleichzeitig die neue Struktur Leistungsträger von außen anzieht.
Entwickeln Sie deshalb für alle transparent und mit allen konsequent den gemeinsamen Weg in Richtung selbstorganisierter Teams – und Sie werden „gute Leute“ dafür halten oder gewinnen.