Die Hoffnung stirbt zuletzt
Das Thema Hoffnung ist insbesondere durch Ernst Bloch beleuchtet worden. Ernst Bloch hat sein Buch „Das Prinzip Hoffnung“ zwischen 1938-1947 im Exil geschrieben. Hoffnung ist ein Affekt, eine Art komplexes Gefühl, weil auch Einstellungen und Bewertungen mit hinein gehen. Der Dortmunder Psychologe Michael Lacher hat auf einer Psychoanalysetagung in Frankfurt in 2018 dankenswerterweise das Thema Hoffnung bei Bloch und in Relation zur Psychoanalyse näher beleuchtet. Dieser hervorragende Impuls hat mich stimuliert, näher auf das Thema einzugehen. Wichtige Ausgangsfragen sind: Wie wirkt die Hoffnung? Wie entsteht sie?
Hoffnung ist Arbeit gegen die Lebensangst und die Furcht im Leben. Jede Furcht hängt auch mit der ultimativen Furcht des Sterbens zusammen. Das Leben ist, wie die großen Religionen, z.B. Buddhismus und Christentum betonen oder in ihren Überlieferungen symbolisieren, mit Leiden verbunden. Menschen wissen, dass ihr Leben endlich ist und dass es eine ganze Menge potenziellen Leids enthält.
Die Hoffnung hat es also nicht leicht. Der Affekt Hoffnung stellt gerade in schwierigen Situationen eine positive Kraft dar. Hoffnung speist sich aus Sinn, dem Bewusstsein positiver Ereignisse und der Erwartung darauf. Der Gegenspieler der Hoffnung ist in der psychoanalytischen Welt die Wiederholungsangst, eine pessimistische Kraft, die immer wieder einmal gelernte Störungsmuster im Leben wiederholt. Wiederholung bedeutet, dass Symptome, Störungen oder Konflikte immer wieder inszeniert werden, ohne dass ein Erinnern an eine Ursprungssituation oder ein Bewusstsein über die Bedeutung der Reaktion ermöglichen, davon Abschied zu nehmen. Freud schrieb dazu schon 1914 den Aufsatz „Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten“. Bezüglich des Wiederholungszwangs gibt es den Satz „Wer nicht erinnern kann, muss wiederholen“. Der Mensch setzt sich dem immer wieder aus.
Der Wiederholungszwang wird aus der Beobachtung geschlossen. Dies als „Zwang“ zu bezeichnen, ist sicher zu hinterfragen, aber es zeigt sich häufig ein unbewusst gesteuerter Mechanismus, der sich von Zeit zu Zeit immer wieder einschleicht, so als ob er in einer Eigendynamik eine gewisse Herrschaft über die Person beansprucht. In der englischen Fachsprache spricht man auch von „enactment“, um dieses sich selbst Inszenieren bestimmter Muster zu beschreiben. In der Transaktionsanalyse nennt man es „psychologische Spiele“ oder „Racketeering“. In den "psychologischen Spielen“ werden andere in Interaktionsmuster eingeladen, bei denen sich am Ende alle Beteiligten nicht gut oder sogar beschädigt fühlen. Beim „Racketeering“ bringt sich eine Person allein in eine Situation, in der sie ein bestimmtes Verhalten oder Gefühl ausagieren kann.
Aber man kann sich auch fragen: Steckt in jedem „enactment“ nicht immer die Hoffnung nach einer besseren Lösung drin. Dies ist quasi neben der unbewussten Motivation, das dieses Verhalten bringt, noch eine zweite unbewusste Ebene, der Wunsch nach Heilung. Prototypische Erlebnisse der Kindheit oder traumatische Erfahrungen aus dem Erwachsenen-Alter führen zum Ausagieren.
Mit der Hoffnung scheint es aber ähnlich wie mit dem Sinn zu sein. Sie ist nicht objektiv vorhanden, aber sie kann aufgebaut werden. Für Bloch ist Hoffen ein Erwartungsaffekt. Dabei spielen für ihn Tagträume, die aus dem Erwartungsaffekt entstehen, eine große Rolle. Tagträume sind für ihn sehr positiv. Tagträume gilt es auszubauen. Sie sind deutlich vom Nachttraum getrennt, in dem das problematische Unbewusste Einfluss nimmt. Bloch kritisiert das Unbewusste in der Psychoanalyse. Im Freudschen Unbewussten sei nichts Neues. Viele psychologische Methoden fußen auf dem Generieren von Tagträumen. dem Hervorholen eines positiven Unbewussten oder dem Anknüpfen an Ressourcen. Bloch verweist auf besondere Augenblicke im Leben eines Menschen. Er spricht vom Staunen.
Aber es braucht immer wieder eine innere Kraftanstrengung, um in die Hoffnung zu kommen. Immer stehen Progression und Regression einander gegenüber, Progression, die positive Entwicklung und Reifung, Regression, das treten auf der Stelle, der Wiederholungszwang der Symptome.
Auch die Lamberts Pie, eine Aufstellung der für eine erfolgreiche Psychotherapie relevanten Faktoren fand den Faktor Erwartung, der die Hoffnung enthält, als deutlichen Wirkfaktor. Ungefähr 15 % Wirkkraft für den Verlauf der Therapie wird dem Konstrukt Hoffnung zugeschrieben (Assay & Lambert, 1999; Cooper, 2000). Der Löwenanteil, 35 %, geht auf die Beziehung zwischen Therapeut und Klient und nur 15 % auf die Methode (Verhaltenstherapie, Psychoanalyse; Transaktionsanalyse, ...).
Lit.:
Assay, T. P and Lambert, M. J (1999): 'The empirical case for the common factors in therapy: quantative findings', in M. Hubble, B. L. Duncan, and S. D. Miller (eds): The heart and soul of change: what works in therapy. Washington, DC: American Psychological Asociation, pp. 351-357
Cooper, M (2010): Essential Research Findings in Counselling and Psychotherapy: The facts are friendly. Sage publications LTD.
Ernst Bloch (1985): Werkausgabe: Band 5: Das Prinzip Hoffnung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.