DIE KRISE DER EUROVITA SPA
DIE KRISE DER EUROVITA SPA - Jochen Pichler

DIE KRISE DER EUROVITA SPA

DIE KRISE DER EUROVITA SPA


Bereits seit einiger Zeit ist bekannt, dass die Lebensversicherungsgesellschaft Eurovita Spa in finanzielle Schieflage geraten ist. Die für Versicherer wichtige Solvency-Ratio rutschte letzthin unter 100%, was mehr als nur ein Alarmzeichen darstellt. Die italienische Versicherungs-Aufsichtsbehörde IVASS schrieb dem Eigentümer CINVEN, einem englischen Fond, eine Kapitalerhöhung über mindestens Eur 200 Millionen vor. CINVEN ließ die diesbezüglichen Fristen aber unverrichteter Dinge verstreichen. Ende Jänner dann der erste Paukenschlag: auf Anordnung der IVASS wird der komplette Verwaltungsrat seiner Funktion enthoben (siehe IlSole24Ore vom 1.2.2023) und  der erfahrene Versicherungsmanager Alessandro Santoliquido (nomen est omen) als kommissarischer Verwalter eingesetzt.

Santoliquido muss in den ersten Tagen seiner Tätigkeit bei der Eurovita eine ganz besonders dramatische Situation vorgefunden haben, denn nur wenige Tage später interveniert die Aufsicht erneut und diesmal äußerst drastisch. Sämtliche Auszahlungen, die nicht Pensionsfonds, Auszahlungen von endfälligen Versicherungsverträgen oder Schadensfälle betreffen, werden ab 20 Uhr des 6.2.2023 und mindestens bis zum 31.3.23 untersagt. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der italienischen Versicherungswirtschaft.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt beschäftigen sich die nationalen Medien intensiv mit diesem Vorgang. Nicht allerdings in Südtirol. Erst am 9.2.2023 berichtet die Rai Tagesschau über die Eurovita-Krise und interviewt den Finanzdirektor der Südtiroler Sparkasse und (wie häufig bei Versicherungsthemen) die Verbraucherzentrale.  

Auf der Homepage der Südtiroler Sparkasse findet sich bis zu diesem Zeitpunkt laut Recherche des Verfassers kein Hinweis zu diesem Thema. Erst am Tag des RAI-Berichtes wird eine Pressemitteilung verfasst, welche den Vorgang technisch beschreibt.  

Die Tragweite der Krise der Eurovita Spa ist vielen nicht bewusst. Die Art von Versicherungsprodukten, wie sie Eurovita und andere Lebensversicherer anbieten, werden vielfach auch wegen ihrer flexiblen Handhabe abgeschlossen. Die Möglichkeit, kurzfristig Teil- oder Komplettrückkäufe des angesparten Kapitals zu tätigen, ist für viele Unterzeichner solcher Polizzen ein wesentliches Kaufkriterium. Die Blockierung der Auszahlungen eben solcher Rückkäufe bedeutet für die Kunden, dass sie im Moment auf ihre eigene Liquidität nicht zugreifen können.

Wie viele Südtiroler Sparer von dieser Situation betroffen sind, ist nicht bekannt. Es kursiert die Zahl von 12.000. Jedenfalls dürften es sehr viele sein, da das Vertriebsabkommen zwischen Sparkasse und Eurovita bereits seit vielen Jahren besteht. (https://www.eurovita.it/chi-siamo/media/news/eurovita-sigla-un-accordo-cassa-risparmio-bolzano-la-distribuzione-esclusiva-prodotti-vita/).

Damit ist in dieser Finanzstory aber nur ein Teil beleuchtet, nämlich jener der betroffenen Versicherungsnehmer. Interessant ist die Frage, ob der Vorgang nicht einen potentiellen Interessenskonflikt aufzeigt. Die Eurovita ist nicht nur Produktpartner der Sparkasse, sondern auch deren Aktionär. Dies bedeutet, dass eine Bank Produkte eines Versicherers vermittelt, der auch Aktionär der Bank ist. Nicht dass das verboten wäre oder nicht auch von diversen anderen Banken so praktiziert würde.

Es stellt sich die meines Erachtens berechtigte, allerdings hypothetische, Frage, ob eine Bank ihre Kunden über die finanzielle Schieflage eines Versicherers frühzeitig informiert, wenn eben dieser Versicherer auch ihr Aktionär ist.

Für die Versicherungsnehmer der Eurovita wird letzten Endes aber entscheidend sein, wie es mit der Gesellschaft weitergibt. Da es für Lebensversicherer keinen Garantiefond (wie bei Bankeinlagen) gibt, wäre eine Abwicklung der Gesellschaft unter Umständen mit schwerwiegenden Folgen verbunden. Nicht von ungefähr analysiert Laura Galvagni vom Sole24Ore am 15.2.23 auf einer halben Seite die brenzlige Lage. Wie genau die Abwicklung eines Lebensversicherer von statten gehen würde und mit welchen Verlusten für die Versicherten sie verbunden wäre, kann derzeit niemand genau vorhersehen. Wieso: schlicht, weil es bisher in Italien noch nicht eine gab.

Jochen Pichler

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