Die Kunst des Kritisierens – 15 Tipps, die helfen!
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Die Kunst des Kritisierens – 15 Tipps, die helfen!

Kritik einzustecken ist nicht leicht. Kritik zu erteilen ist oftmals genauso schwierig. Sachlich und angemessen Feedback zu geben ist eine Kunst. Wer ein paar Regeln beachtet, kann Ärger nicht nur vermeiden, sondern sein Gegenüber sogar zu besseren Leistungen ermutigen.

Hand auf’s Herz: Wer fühlt sich bei Kritik nicht angegriffen – zumindest im ersten Moment? Wie schnell fahren wir selber unsere Abwehrschirme hoch, und blocken möglicherweise alles ab, egal was kommt?

Was läuft hier schief?

Oftmals sind Kritiker schlecht, meistens gar nicht vorbereitet. Häufig findet Kritik spontan zwischen Tür und Angel statt. Manche Themen mögen trivial erscheinen und daher ein separates, vorbereitetes Gespräch nicht wert sein – aber das ist ein Irrtum! Jemanden spontan - mal eben im Vorbeigehen - zurechtzuweisen nach dem Motto: „Jetzt weiss er/sie Bescheid und wird’s hoffentlich ändern“, führt nicht zum gewünschten Erfolg.

Schnell ausgesprochene Kritik ist kontraproduktiv

In seiner Studie über Feedback konnte Paul Green, Doktorand der Harvard Business School, nachweisen, dass negatives Feedback in Unternehmen fatale Auswirkungen haben kann. Er stellte fest: Je negativer die Rückmeldung eines Vorgesetzten ausfällt, desto eher versuchen Angestellte, innerhalb der Organisation neue Netzwerke zu knüpfen.

Sprich, weil die Mitarbeiter die Kritik des Vorgesetzten als Bedrohung für das eigene Selbstbild wahrnehmen, suchen sie die Nähe zu anderen, um ihr Selbstbild aufrechtzuerhalten. Dabei wird das eigene Verhalten gerechtfertigt und über den Chef gemeckert. Das bindet Arbeitskraft und senkt die Leistung – die Mitarbeitenden sind zu sehr mit neuen Seilschaften knüpfen und lästern beschäftigt.

Naive Vorstellung über spontan platzierter Kritik

Das Fatale: Die wenigsten Vorgesetzten verfolgten irgendwelche negativen Absichten. Green fand heraus, dass die meisten von ihnen eine ziemlich naive Vorstellung von Feedback-Prozessen hatten. Viele glaubten, die kurz ausgesprochenen Kritikpunkte seien harmlos. Zudem waren sie überzeugt, die Mitarbeiter würden das Feedback grundsätzlich akzeptieren und künftig versuchen, ihre Leistung zu verbessern. 

Kritik ist auch für viele Sender unangenehm

Zu den Gründen, warum Kritik oftmals sein Ziel verfehlt, gehören, dass es für viele genauso unangenehm zu kritisieren, wie negatives Feedback einzustecken. Kaum jemand reisst sich darum, Kritik- oder Krisengespräche freiwillig zu führen. Viele Vorgesetzte zum Beispiel haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie ein Kritikgespräch führen müssen. Selbst dann, wenn ein eindeutiges Fehlverhalten vorliegt und dringend eine Lösung gebraucht wird. Leider wird den wenigsten von uns beigebracht, wie man angemessen Kritik übt.

Damit eine Kritik weder verletzt noch im Orbit verschwindet, braucht es einen guten Rahmen. Ein Kritikgespräch vorzubereiten lohnt sich nicht nur im beruflichen Umfeld, sondern auch – oder vor allem? – bei privaten Angelegenheiten. Denn hier sind Wortwahl und Tonfall viel schneller verletzend als im Beruf.

15 Tipps, um ein Feedback-Gespräch vorzubereiten und durchzuführen

1. Frühzeitig ansprechen

Um des lieben Friedens willen und weil man nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen möchte, wird Kritik oftmals über einen längeren Zeitraum hinweg unterdrückt. Das Problem: aus vielen kleinen Ärger wird irgendwann ein grosser. Platz einem dann der Kragen, sagt man wohlmöglich aus dem Impuls heraus Dinge, die einem hinterher leidtun. Ohne zum ständigen Nörgler zu werden, helfen Sie sich und anderen, wenn Sie Quellen des Unmuts frühestmöglich ansprechen. Das gilt auch bei Missverständnissen oder Irritationen.

2. Den wahren Kern der Kritik analysieren

Insbesondere am Anfang können wir noch besonnen und sachlich agieren und reagieren. Da haben wir noch ein offenes Ohr für die Gründe. Daher ist der erste Schritt zu erklären, worum es genau geht und was einem nicht gefällt. Analysieren Sie, was Sie am Verhalten des andern ärgert, statt ihn lediglich auf sein Verhalten anzusprechen. Jedes Verhalten hat einen Grund. Kennt man diesen kann man leichter an einer Lösung arbeiten.

3. Machen Sie das Feedback für den anderen nutzbar

Achten Sie darauf, dass das Feedback brauchbar ist und nicht einfach nur ein Abhaken von Kritikpunkten. Welchen Nutzen kann/soll der andere aus der Kritik ziehen?

4. Der richtige Zeitpunkt

Geben Sie Ihr Feedback zeitnah und zu einem geeigneten Zeitpunkt. Kritikgespräche am frühen Morgen sind genauso unproduktiv wie kurz vor Feierabend. Gleiches gilt für Phasen, in denen alle unter Stress stehen und sowieso schon gereizt sind. Fragen Sie den anderen, wann es ihm/ihr zeitlich recht ist, und planen Sie genügend Zeit ein. Kurz nach dem Mittagessen könnte ein guter Zeitpunkt sein.

5. Gesprächsziel definieren

Definieren Sie das Gesprächsziel vor dem Zusammentreffen. Klären Sie für sich, was ein optimales Ziel für Sie wäre und was mögliche Alternativen, mit denen Sie leben können.

6. Gute Atmosphäre schaffen

Schaffen Sie eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Wählen Sie für das Gespräch einen neutralen, ruhigen Ort. Ein Meetingraum bietet sich eher an als das Chefzimmer. Setzen Sie sich über Eck und nicht gegenüber. Halten Sie Getränke, vielleicht sogar Knabbereien bereit. Vermeiden Sie Unterbrechungen durch Telefonate oder andere Störungen. Ein Park, ein Café oder ein Spaziergang können gute Alternativen sein.

7. Positiver Gesprächseinstieg

Wählen Sie einen positiven Gesprächseinstieg. Beginnen Sie mit einigen positiven Punkten, und überfahren Sie den anderen nicht sofort mit der Kritik. Ihr Gegenüber soll sich nicht fühlen wie auf der Anklagebank.

8. Allgemeine Rahmenbedingungen klären

Vergewissern Sie sich, dass der Grund des Treffens klar ist. Sprich, dass jetzt das Verhalten der anderen Person und dessen Auswirkung(en) zur Debatte stehen. Beide sollen auch wissen, dass sie nach der ersten Bestandsaufnahme Missverständnisse klären können und Gelegenheit zur Stellungnahme haben.

9. Einen Dialog führen

Treten Sie in den Dialog. Bitten Sie den anderen darum, seine Sicht darzustellen. Lassen Sie der anderen Person ausreichend Redezeit, und hören Sie fair und sachlich zu, frei von Kommentaren und Unterbrechungen.

10. Seien Sie sachlich

Beschreiben Sie, was Sie beobachtet haben – ohne zu psychologisieren, zu moralisieren oder zu bewerten. Nennen Sie nur Ihre Wahrnehmungen, nichts Allgemeines und nichts von Dritten. Vermeiden Sie, Fehler zu sammeln wie Rabattmarken, und überlegen Sie sich, wie weit Sie in die Vergangenheit gehen wollen.

11. Achten Sie auf Ihre Wortwahl und Körpersprache

Bedenken Sie, dass es um das Verhalten geht, nicht um die Person (keine Persönlichkeitsdemontage). Seien Sie daher ehrlich und taktvoll. Unterlassen Sie Verallgemeinerungen (immer, ständig, nie), Ironie, Spott, spitze Bemerkungen.

Das gilt auch für die nonverbale Kommunikation: kein Augenrollen, Seufzen, Gähnen, Gelangweilt-Tun. Besser ist, Sie gehen mit Ihrer Stimme ein wenig nach unten und sprechen ruhig und langsam. Ein Perspektivwechsel als Vorbereitung zum Gespräch unterstützt dabei, die passenden Worte zu finden: „Wenn ich das sage, wie ist das für die andere Person?“

12. Beim Thema bleiben

Überprüfen Sie während des gesamten Meetings immer wieder, ob das, was Sie beide gerade besprechen, zielführend ist. Behalten Sie Grund und Thema des Gesprächs im Auge, und schweifen Sie nicht ab.

13. Ein Ziel vereinbaren

Einigen Sie sich auf ein klares Ziel. Vermeiden Sie dabei Ratschläge oder Vorschriften. Geben Sie Angebote, Anregungen oder höchstens Empfehlungen. Vorschläge zur Verhaltensänderung sollten vom Feedback-Empfänger selbst kommen.

Dokumentieren Sie das Besprochene schriftlich und vereinbaren Sie einen Follow-up-Termin. Allen sollten das Ziel und die nächsten Schritte klar und bekannt sein.

14. Positiv enden

Beenden Sie das Gespräch positiv. Es soll weder Sieger noch Verlierer geben. Ein Problem wurde gelöst. Bedanken Sie sich beim anderen für das Zeitnehmen und Zuhören.

15. Gespräch reflektieren

Reflektieren Sie zunächst für sich und später mit dem anderen, wie das Gespräch gelaufen ist. Gibt es etwas, was Sie (beide) beim nächsten Mal anders oder besser machen könnten?

Eine gute Vorbereitung schützt vor Ärger und Mehrarbeit

Gleichgültig ob im Job, in der Familie, mit dem Partner oder einer Freundin: Ein Kritikgespräch will und kann weder den Menschen ändern, noch soll es als Blitzableiter dienen. Die Ziele eines jeden Kritikgesprächs sind, Klarheit zu schaffen, Lösungen zu finden und zu vereinbaren sowie den Ärger zu dämpfen.

Ein Kritikgespräch sorgfältig vorzubereiten, mag auf den ersten Blick anstrengend und zeitraubend wirken. Was zunächst wie eine weitere berufliche Bürde wirkt, lohnt sich aber. Statt anhaltendem Ärger, kann man mit guten Feedback-Gesprächen eine angstfreie, offene Arbeitsatmosphäre schaffen, die zu kreativen Lösungen ermutigt. Und, das kommt allen entgegen!


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