Die mächtigste Droge der Führungskräfte von morgen
Linh Pham via Unsplash

Die mächtigste Droge der Führungskräfte von morgen

Sie gilt als mächtigste Droge, die die Menschheit kennt. Dennoch sind sich gerade Führungskräfte der Existenz und Kraft dieser Droge oftmals nicht bewusst. Dabei ist sie im Überfluss vorhanden und kostet nichts. Geschickt eingesetzt erhöht sie direkt das Selbstwertgefühl, schafft Vertrauen und ist essentiell, um ein Unternehmen erfolgreich zu leiten. Andererseits kann sie durchaus missbraucht werden und sogar bleibende Schäden hinterlassen, von denen sich der Einzelne nur schwer wieder erholt. Oft werden ihre unerwünschten Nebenwirkungen jedoch erst zu spät erkannt.

Die Rede ist von Sprache. Hä?! Genau. Sprache ist eine wahre Wunderdroge.

Zudem sind Sprache und Kultur untrennbar miteinander verbunden, denn die sozialen und kulturellen Gesellschaftsregeln lernen wir vor allem durch Kommunikation. So fängt auch die Gestaltung einer neuen Arbeitswelt und einer zukunftsfähigen Firmenkultur, die Mitarbeitende motiviert, inspiriert und ein sinnstiftendes Wir-Gefühl schafft, zu aller erst bei der Sprachwahl an. Diese gewinnt gerade in Zeiten von voranschreitender Globalisierung und Digitalisierung verstärkt an Bedeutung, wo effektive Kommunikation mit Mitarbeitenden und anderen Stakeholder-Gruppen rund um die Welt für den Erfolg eines Unternehmens ausschlaggebend ist.

Doch wie kann ich die Kommunikationsbedürfnisse in einem Unternehmen erkennen und die mächtige Droge Sprache bewusst einsetzen?

Es gibt drei einfache Schritte, die jede Führungskraft für eine erste sprachliche Bestandsaufnahme anwenden kann.

1. Aktiv zuhören und beobachten: Wie sprechen das Team oder die Mitarbeitenden über das Unternehmen und ihre Situation? Wie benehmen sie sich?

Ob sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen, verbunden mit dem Team und Unternehmen, wird schnell offensichtlich an ihrer Sprache und ihrem Verhalten. Höre ich Sätze wie „Mein Leben ist ätzend“ und „Naja, ich versuchs mal, kann aber nichts versprechen“, gibt es sarkastische Bemerkungen, und resigniertes Lachen, stoße ich auf überkreuzte Arme und Augenrollen? Dann ist klar, hier herrschen hohe Frustration und eine Opfermentalität.

In ihrem Buch „Tribal Leadership“ legen Dave Logan, John King und Halee Fischer-Wright fünf gruppendynamische Stufen dar, in denen sich Organisationen befinden können. Jede Stufe hat ihre eigene Art von Sprachgebrauch und Verhaltensweisen, die Mitarbeitenden in einem Unternehmen an den Tag legen. Diese korrelieren gleichzeitig mit dem Erfolg einer Organisation. Die oben beschriebene Jammerkultur gehört zur Stufe 2. Laut Logan und seinen Co-Autoren befinden sich 25% aller US Unternehmen auf dieser Stufe.

In der darauf folgenden Stufe 3 befinden sich mit 49% die meisten Teams und Firmen, was sehr schade ist, wie ich finde. Hier dominiert die Macherkultur und Einzelkämpfer-Mentalität mit der Botschaft „Ich bin großartig und die anderen nicht“. Der Wert liegt auf der individuellen Leistung, nach dem Motto, wenn jeder sich anstrengt, dann geht es auch dem Unternehmen gut. Nur Kooperation und Zusammenarbeit sind wenig wert.

Diese wiederum sind Merkmale der Stufe 4 (22% aller US Unternehmen) mit dem Sprachmuster „Wir sind gemeinsam großartig“. Die Mitarbeitenden dieser Stufe sind stolz auf ihren Tribe (ihr Team, ihre Abteilung, das Unternehmen, etc.). Im Vordergrund steht das Team-/Unternehmensergebnis und nicht was ein einzelnes Individuum leistet. Es ist die ideale Stufe für die neue Arbeitswelt, denn von hier ist der Weg zur ultimativen Stufe 5 und einer „Das Leben ist großartig“ Atmosphäre nicht mehr weit. Führung, Vision und Inspiration bestimmen die Tribes dieser Stufe und lassen geniale Innovationen entstehen. Leider wird sie noch viel zu selten erreicht (weniger als 2%).

Stufe 1 (2%) hingegen herrscht meist nur in Gangs und mafiösen Gruppen in der Feindschaft und Verzweiflung das tägliche Leben bestimmen, für Mitglieder dieses Tribes ist das Leben wortwörlich ätzend.

Morgen im Büro also am besten Ohren und Augen aufsperren: Wird um mich herum nur gejammert, kämpft noch jeder für sich oder kooperieren alle schon fleißig?

2. Sich selbst auf den Mund schauen: Wie und wie oft spreche ich mit meinem Team oder Mitarbeitenden?

Der aktuelle Engagement Index zur Arbeitsplatzqualität der Beratungsfirma Gallup belegt, dass der „kontinuierliche Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter einer der wichtigsten Hebel ist, um die emotionale Bindung am Arbeitsplatz zu erhöhen.“ Hier gibt es gerade in Deutschland hohen Nachholbedarf, denn nur 14% der Mitarbeitenden berichten von diesem kontinuierlichen Austausch mit ihrer Führungskraft im Laufe eines Jahres. Es gibt also erhöhten Gesprächsbedarf.

Denn eine fehlende Feedback-Kultur und Wertschätzung schlägt sich klar auf die Leistung nieder und kann Unternehmen einiges an Geld kosten. Der Geiz mit konstruktivem Feedback und Anerkennung ist also alles andere als geil. Doch lauern auch hier sprachliche Fallstricke. Schnell kann auch positives Feedback zum Allgemeinplatz verkommen („Das war super, gut gemacht!“ — Was genau war denn so super?) oder bevormundend wirken („Ich bin stolz auf Dich!“ — Was nimmt sich mein/e Kollege/in da heraus stolz auf mich zu sein!).

Um Feedback präziser herüberzubringen, empfiehlt sich das Situation-Behavior-Impact Modell, entwickelt von The Center for Creative Leadership. Statt jemandem nur ein jubelndes „Tolle Präsentation!“ zu zurufen, ist es besser zu konkretisieren „Wie du in deiner Präsentation heute Vormittag (Situation) auf die Vorschläge des Kunden eingegangen bist (Verhalten), das war sehr überzeugend, weil du gezeigt hast, dass du seinen Standpunkt verstehst (Wirkung).“ Auch schon kleine sprachliche Veränderungen, wie z.B. seinem Gegenüber lieber mit „Ja, und“ statt „Ja, aber“ zu begegnen, kann in Gesprächen Wunder wirken.

Ebenfalls wichtig für die neue Arbeitswelt, die Nutzung inklusiver Sprache. Denn es gibt nicht Schlimmeres als Menschen sprachlich auszugrenzen oder ihnen das Gefühl zu geben, dass sie gar nicht existieren. Wissenschaftliche Experimente haben ergeben, dass auch wenn Frauen mit dem generischen Maskulinum automatisch mitgemeint sind, sie jedoch oft nicht mitgedacht werden. Daher nicht nur von Mitarbeitern, sondern auch von Mitarbeiterinnen sprechen oder eine geschlechtsneutrale Bezeichnung wie Mitarbeitende oder Team wählen. Zu empfehlen ist hier der Leitfaden der Wirtschafts-Uni Wien rund um das geschlechtergerechte Formulieren.

Auch im Englischen ist dies ein Thema. In ihrem kürzlich erschienen Buch „Radical Candor“ verdeutlicht die Autorin Kim Scott die Bedeutung von gendergerechter Sprachwahl als Indikator für eine Offenheits-Kultur am Arbeitsplatz an der Grußformel „Hi guys“. Diese schließe Frauen wortwörtlich aus. Dabei kann sie ganz leicht durch „Hi all“ ersetzt werden, um zu mehr Diversität beizutragen.

Es lohnt sich daher die eigenen Floskeln und Äußerungen, die wir regelmäßig am Arbeitsplatz benutzen einfach mal aufzuschreiben. Was rufen sie hervor? Wie reagieren Mitarbeitende darauf, welches Verhalten legen sie an den Tag, wenn sie diese hören?

3. Das große Ganze: Wie werden Unternehmens-Leitbild und -Werte am Arbeitsplatz kommuniziert?

In den meisten Unternehmen gibt es bestimmte seit langem gängige Phrasen und Formulierungen über die Firmen-Philosophie und Werte kommuniziert werden. Diese einmal zu hinterfragen, um zu schauen, ob sie mit der internen und externen Darstellung des Unternehmens noch übereinstimmen, kann durchaus sinnvoll sein.

Sofern es keine adäquate Sprache im Unternehmen gibt oder diese für die derzeitige Unternehmenskultur nicht mehr förderlich ist, dann ist das die Gelegenheit diese neu zu formulieren. Idealerweise sollte dies partizipatorisch mit den Mitarbeitenden geschehen, denn nur so wird die gewählte Sprache die gesamte Belegschaft inspirieren, motivieren und mobilisieren. Feedback-Kästen, Umfragen oder ein off-site Workshop können hier helfen das gesamte Team in den Prozess der Sprachfindung für das Unternehmen und die gemeinsame Kultur zu involvieren.

„Words are, of course, the most powerful drug used by mankind.“ —Rudyard Kipling

Achtung, Suchtgefahr!

„Words are, of course, the most powerful drug used by mankind“, wusste schon der britische Dichter und Autor des Dschungelbuchs Rudyard Kipling. Denn je nach Wortwahl können wir Menschen aufbauen oder zerstören. Umso wichtiger ist es für die Führungskräfte von morgen die Droge Sprache positiv zu nutzen. Dies beginnt mit aktivem Zuhören und führt über die Analyse der eigenen Sprachmuster zur Entwicklung einer Unternehmenssprache, die Mitarbeitenden klar signalisiert, wir unterstützen dich, wir glauben an dich und wir sind ein Team. Die leistungssteigernde Wirkung dieser Kommunikation wird enorm sein und regelrecht süchtig machen.

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Dieser Beitrag erschien zuerst als Teil der Blogserie Humans of New Work Crowdfunding auf Soulworx.de. Dank geht an Julia von Winterfeldt und Monika Jiang für das Initiieren dieser inspirierenden Bewegung.

Über die Autorin

Simone Schiefke hat über 10 Jahre Erfahrung als Unternehmenskommunikatorin. Derzeit bildet sie sich weiter zur Business Coach und arbeitet daran eine bessere Seglerin zu werden. Folge ihr auf Medium oder sage Ahoi auf Twitter.






Amelia Okell

Head of Communications at Saatchi Gallery

7 Jahre

Sehr gut, Simone! Ich habe gelesen, was ich auf Deutsch kann und werde meinen besten Freund benutzen, Google Translate für den Rest. Wir vermissen dich! Ich werde E-Mail, um bald wieder aufzuholen xxxx

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