Die Mauer muss weg: Professionalität im Business braucht keine Distanz
Manchmal kommt es mir so vor, als ob wir uns heutzutage nicht mehr mit dem Gegenüber auseinandersetzen – gerade im Business. Wenn ein abendliches Biertrinken mit einer Führungskraft in meinem Kalender steht, weiß ich schon morgens, in welche Richtung das Gespräch gehen wird:
„Mit meinem Key-Accounter funktioniert es einfach nicht …“
„Der Produktionsmensch hat echt ein Problem …“
„Meine Mitarbeiter machen mich wahnsinnig!“
Ich frage mich jedes Mal: „Wer hat die denn eingestellt?“
Mitarbeiterbeziehung neu gedacht
Wenn Chefs sich über ihre Mitarbeiter beschweren, kann es nur zwei Ursachen geben: falsche Personalentscheidung – oder falscher Umgang miteinander. Und in den meisten Fällen ist es das zweite. Genau genommen liegt das Problem darin, dass Chefs die Beziehung zu ihren Mitarbeitern völlig falsch verstehen.
Im Business gibt es ein ungeschriebenes Gesetz. „Bleib sachlich. Und übertreibe es nicht mit den Befindlichkeiten. Die gehören in die Freizeit.“
Chefs ziehen Mauern hoch, weil sie glauben, dass Führung so funktioniert. Sie halten Abstand, um sich Respekt zu verschaffen. Das nennen sie dann Professionalität. Ich nenne es Realitätsverklärung.
Die Nähe fehlt
Jeder tut so, als ginge es im Business um etwas anderes als in der Freizeit, in der Esszeit, in der Reisezeit, in Weiß-Gott-was-für-einer-Zeit. Aber wenn wir mal das ganze schmückende Beiwerk, mit dem wir uns in der Regel umgeben, beiseite schieben, wenn wir mal sämtliches Gehabe rund um die verschiedenen Rollen, die wir ausfüllen, ablegen, dann bleibt nur eines: Nähe. Wahre Nähe mit gegenseitiger Auseinandersetzung und echtem Interesse am Gegenüber.
Der Mensch will lieben. Und er will geliebt werden.
So einfach ist das. Völlig unabhängig vom Kontext.
Kultur der Akzeptanz und Konfrontation
Mit Nähe meine ich allerdings nicht die Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität, die ich in so vielen Unternehmen beobachte. Aber auch keine konfrontativ-destruktive Mentalität.
Nähe im Business ist eine gesunde Kultur der Akzeptanz und Konfrontation. Konkret gesprochen, eine positive Streitkultur. Eine Kultur, in der sich jeder traut, Klartext zu sprechen. In der Mitarbeiter und Kollegen mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten. In der Zwischenmenschliches einen hohen Stellenwert hat.
Auch Business braucht Nähe
Im Business tun wir aber genau das Gegenteil von diesem urmenschlichen Bedürfnis. Und so schimpft der Mitarbeiter auf den Chef, der Chef auf die Mitarbeiter, die Mitarbeiter suchen nach den Fehlern der Kollegen, schmieden Intrigen, betreiben Abteilungspolitik, und der Umgang mit Geschäftspartnern ist geprägt von Misstrauen und Vorbehalten. Dabei ginge es auch ganz anders.
Wenn mehr Nähe im Unternehmen existieren würde, dann würden diese Probleme gar nicht erst entstehen! Aber haben Sie schon mal einen Chef sagen hören: Ich liebe meine Mitarbeiter? Ich nicht. NOCH nicht.
CPO / COO
4 Jahre"Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität" ja da gebe ich dir Recht. Das Bild der positiven Streitkultur, finde ich sehr gut. Hast du Beispiele im Kopf von Unternehmen mit einer solchen "positive Streitunternehmenskultur"?
kaufm. Sachbearbeitung - authentisch - wertschätzend - zuversichtlich - für selbstbewußte Lebensgestaltung
7 JahreLetztlich ist es egal ob Chef oder Angestellter; Mensch ist Mensch! Es gilt: destruktive Denk- und Verhaltensmuster auf allen Seiten zu beseitigen, damit jeder konstruktiv "für" etwas arbeiten kann und "nicht gegen" etwas und vor allem "miteinander." Mitgefühl und Verständnis zu entwickeln ist sehr wichtig . Man kann auch nicht alles von anderen erwarten sondern jeder muss sich selber reflektieren und entwickeln.
Chief Sales Officer bei Merz + Benteli AG
7 JahreWas 'Chefs' so alles machen - diese homogene Masse vollkommen identisch handelnder und denkender Individuen...