Die People Brand - Kolumne aus der Reihe Talking Heads
Schon lange existiert das Konzept des Employer Branding als eigenständige strategische Herangehensweise an den Markenbildungsprozess – neben dem des Corporate Branding. Während die Arbeitgebermarke sich auf Mitarbeitenden- bindung und Recruiting fokussiert, hat Corporate Branding den Absatz im Blick. Doch eine Marke funktioniert nicht in diesen beiden Extremen. Warum nicht beide Ansätze in einer People Brand aufgehen lassen?
Früher wurde oft das Bild einer Familie bemüht, um das Verhältnis abstrakter Begrifflichkeiten zu erklären . Employer Branding beispielsweise wurde gern als kleine Schwester des Corporate Brandings bezeichnet – bis es in den letzten Jahren endgültig zum Shooting-Star der Markenfamilie aufgestiegen ist.
Wir kennen die Gründe: Macht verschiebt sich von Arbeitgeber*innen zu Mitarbeitenden. Es herrscht Fachkräftemangel, die Creator Economy lockt mit Flexibilität, kreativer Selbstentfaltung und himmlischen Margen. Immer mehr Menschen wünschen sich und streben aktiv danach, für ein Unternehmen zu arbeiten, das nicht nur als eigennützige, gewinnmaximierende Blackbox agiert, sondern die Gesellschaft verbessert. Die Ansprüche wachsen. Wie damit umgehen?
Eine starke Arbeitgebermarke scheint der heilige Gral, um in diesem Umfeld überhaupt noch Personal zu finden und zu halten. Doch ist der Aufbau einer separierten Arbeitgebermarke der richtige Weg, um dies zu erreichen? Unwahrscheinlich.
Employer Branding: Das Bälleparadies bester Absichten
Die Betonung liegt auf „separiert“. Die Corporate Brand fokussiert sich stark auf Shareholder und Absatz, während sie noch nicht eingepreist hat, dass der Unternehmenszweck gar nicht mehr erfüllt werden kann, wenn People und Talents nicht im Vordergrund stehen. Währenddessen sind die meisten Employer-Branding-Strategien nicht an die Unternehmensmarke und ihr Geschäftsmodell gebunden. Sie werden in der Regel von der Personalabteilung verwaltet und allzu oft mit Vergünstigungen für Mitarbeitende gleichgesetzt.
Bitkom Research befragte Anfang des Jahres 604 Unternehmen in Deutschland, welche Maßnahmen sie ergreifen, um Beschäftigte für ihr Unternehmen zu gewinnen und diese langfristig an sich zu binden. Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, ÖPNV-Tickets oder Job-Fahrräder anzubieten. Alle Achtung: Mit dem Deutschlandticket zückt die Mehrheit im „War Of Talents“ also ihr schärfstes Schwert.
Gerade mal acht Prozent haben laut der Umfrage für ihr Unternehmen eine eigene Diversity-Strategie entwickelt. Eine verschwindend geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass Deutschland jedes Jahr auf etwa 1,5 Millionen Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen ist. Ein wenig mehr Kompetenz – und Commitment! – in puncto Vielfalt könnte da nicht schaden. Noch dazu liegt Deutschland weltweit abgeschlagen auf Rang 49 von 53 Ländern, wenn es um die Frage der Standortattraktivität geht. Die Wahlen in Ostdeutschland werden das Talentakquise-Potential der Bundesrepublik zusätzlich senken. .
Hinzu kommt: Nur fünf Prozent der Unternehmen erlauben ihren Mitarbeitenden das Arbeiten aus dem Ausland, während es bereits Vorreiter wie GitLab gibt, in dem über 1.300 Menschen ausschließlich und weltweit remote arbeiten. Immerhin gibt es ein Entgegenkommen: Bei uns ist jetzt der Bürohund erlaubt. Immer mehr Unternehmen werben explizit damit, dass Vierbeiner willkommen sind. Das zeigt eine neue Erhebung der Berliner Personalmarktforschung Index Research. So tauchte der Begriff „Bürohund“ allein zwischen Januar und Juli 2024 in rund 9.100 Stellenausschreibungen auf, insbesondere im Finanz- und Rechnungswesen.
All diese Maßnahmen sind nichts gegen den Aufwand, den US-Unternehmen mittlerweile für ihre Mitarbeitenden betreiben. In der Hoffnung, sie zurück an den Schreibtisch zu locken, entwerfen Unternehmen „Work Resorts“. Luxuriöse Räume, in denen Menschen arbeiten und sich gleichzeitig wohlfühlen können wie in einem Hotel – vom Salzwasser-Spa bis hin zu neuartigen Shared Spaces. Die Umwandlung von Büros in Offices mit hotelähnlichem Charakter wird als „Hotelificiation“ bezeichnet. Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt.
Zwischenfazit: Zum einen bieten deutsche Unternehmen ihren Beschäftigten also weniger. Zum anderen und viel entscheidender: Employer Branding und Corporate Branding existieren noch immer komplett losgelöst voneinander. Denn worauf zielen die ganzen Maßnahmen eigentlich ab? All die Jahre haben wir uns gefragt: Was ist der Purpose eines Unternehmens, was ist seine Existenzberechtigung? Wenn die Sinnfrage klar beantwortet ist, lassen der Geschäftserfolg und die hochmotivierten, weil glücklichen Mitarbeitenden nicht lange auf sich warten, so die Annahme. Doch weit gefehlt. Denn die Schlüsselfrage ist doch: Welchen Mehrwert bietet das Unternehmen seinen Leuten? Warum sollten sie überhaupt erst dort arbeiten? „Employer Branding verfolgt bisher ein kurzfristiges, aber kein strategisches Ziel“, kritisiert Ken Banta von der Vanguard Group for Leadership, einer CEO-Beratung mit Sitz in New York City.
Entstanden sind Unternehmen, die Talenten erklären, warum ein Job ihre Skills weiterentwickelt – aber nicht, wie er Kund:innen oder dem eigenen Unternehmen zugutekommt. Startups, die die Vier-Tage-Woche und kostenloses Mittagessen als Kernmerkmal des Unternehmens hervorheben oder die Anwaltskanzlei, die jetzt Tiktokvideos dreht, um zeitgemäßer zu erscheinen. Yes, all good, but why? In seiner jetzigen Form ist Employer Branding das Bälleparadies bester Absichten, eine Feel-Good-Versicherung von Unternehmen, die ihre strategische Ausrichtung aus dem Blick verloren haben und längst selbst nicht mehr wissen, wofür es sie überhaupt gibt.
Corporate Brand und Employer Brand fusionieren zur People Brand
Eine Marke ist kein Two-Face-Konstrukt. Das merken wir immer deutlicher. Talente und Mitarbeitende unterscheiden nicht zwischen Employer Brand und Corporate Brand, sondern sehen immer nur die Marke als Ganzes. Wenn eine Unternehmensmarke aufgrund eines Shitstorms negative Schlagzeilen macht, führt das zu weniger Bewerbungen, egal, wie gut das Employer Branding aufgestellt ist – schlimmstenfalls gar zu einer Kündigungswelle, weil mit Umsatzeinbußen zu rechnen ist.
Mitarbeitende wissen auch längst: Leere Versprechungen wiegen tatsächliche Handlungen nicht auf. Einer aktuellen Studie der Unternehmenunsberatung PWC zufolge gebenmittlerweile 75 Prozent der Menschen an, auf den „sozialen Impact“ eines Unternehmens zu schauen, bevor sie sich für ein Engagement entscheiden.
Insbesondere strategische Weichenstellungen, die Schlagworte wie Environment, Social, Governance (ESG) betreffen, erfordern in Zukunft eine Transformation des Unternehmens in seiner Gesamtheit. Warum also Corporate Brand und Employer Brand nicht neu ausrichten und sie in einer People Brand konzentrieren? Denn die existierenden als auch die zukünftigen Mitarbeitenden werden eine immer wichtigere Zielgruppe ihrer Unternehmen sein und eine starke Trias mit Kund:innen und der Gesellschaft bilden.
Und so sieht die konkrete Umsetzung aus: CEO und Führungskräfte nehmen die Sache in die Hand und steuern gemeinsam mit dem Marketingteam den Prozess. Sie führen ein People-Brand-Audit durch und formulieren eine Führungskultur, die der People Brand dient. Im nächsten Schritt validieren sie Positionierung, Werte und Führungsverständnis bei Mitarbeitenden mit Kundenkontakt. Sie fragen: Was wollen und erwarten Kund:innen von uns? Sie tauschen sich mit neuen Talenten und Fokusgruppen aus und ermitteln: Welche Werte und Handlungen sind für unseren Erfolg entscheidend?
Sie werden sehen: Niemand setzt sich zum Beispiel für den ausgerufenen Wert „Eigenverantwortung“ im Unternehmen ein, weil die anfallenden Überstunden nicht vergütet oder die Pflegearbeit nicht unterstützt wird. Und weil im Unternehmen eine fürchterliche Fehlerkultur herrscht. Sie werden sehen: Mitarbeitende gehen mittlerweile gegen ihre eigene Organisation vor, wenn ihnen etwas nicht passt. Weil eine neue Ära der Auseinandersetzung und der Selbstbehauptung angebrochen ist, in der alles öffentlich wird und Widerstand hervorrufen kann.
Das letzte Jahrzehnt hat die Art und auch die Auswirkungen des öffentlichen Sprechens verändert. Auch wenn Führungskräfte dies als frustrierend und chaotisch empfinden mögen, so spiegelt es doch den echten Wunsch der Mitarbeiter:innen nach positiven Veränderungen wider. Dabei haben sie längst neue Wege gefunden, auf Vergeltung und Kontrolle für öffentliche Äußerungen zu antworten. Ein Beispiel: Als Amazon ankündigte, 10 Milliarden US-Dollar in die Bekämpfung des Klimawandels zu investieren, brachen Mitarbeitende sogar Geheimhaltungsvereinbarungen, um auf die laufende Zusammenarbeit des Unternehmens mit Öl- und Gasunternehmen aufmerksam zu machen.
Im People-Brand-Audit sind solche Erkenntnisse ein Reality-Check und sollten eingebaut werden. Abstrakte Eigenschaften wie „Teamwork“ oder Maßnahmen, die nicht auf die Marke als Ganzes einzahlen, fliegen raus, weil sie nicht bewertet oder belohnt werden können.
People Brands im 21. Jahrhundert
Am Ende steht eine Neubewertung und die Priorisierung der People-Dimension einer Unternehmensmarke, ja was ein Unternehmen an sich im 21. Jahrhundert ausmacht. Der Wirtschaftswissenschaftler John Kay weist in seinem jüngsten Buch „The Corporation of the 21th Century“ darauf hin: „Das Business hat sich längst weiterentwickelt, aber die Sprache, mit der ein Unternehmen beschrieben wird, hat sich nicht verändert.“
Seit Generationen definieren wir ein Unternehmen als eine kapitalgesteuerte Organisation, das angehäuften Reichtum dazu nutzt, Produktionsmitttel zu besitzen und wirtschaftliche Macht auszuüben. Das entspricht nicht mehr der Realität. Im 21. Jahrhundert stapeln sich unsere begehrtesten Waren und Dienstleistungen nicht in Lagerhäusern oder auf Containerschiffen: Sie erscheinen auf unseren Bildschirmen, passen in unsere Hosentasche oder beschäftigen tagelang unsere Köpfe und Unterhaltungen.
Die Menschen im Unternehmen wissen das bereits. Die Bringschuld liegt nicht bei ihnen, sondern bei den Führungskräften, die nicht nur für Shareholder arbeiten sollten, sondern dabei helfen müssen, Talent und People wieder in den Mittelpunkt einer Unternehmensmarke zu stellen, als People Brand. Anstatt eine separate Arbeitgebermarke zu entwickeln, die viel verspricht, aber nichts bewirkt und eine Unternehmensmarke, die für ein Unternehmen im 20. Jahrhundert gedacht war.
Passionate communicator, brand expert, transformation ambassador and Employer Branding lead
2 MonateDanke Lars Kreyenhagen - I couldn’t agree more. Eine Marke ist ein Versprechen-an alle Stakeholder. Etwas, an das man glaubt, das Orientierung bietet und inspiriert. Am Ende wird auch deswegen investiert, gekauft, sich beworben oder darüber gesprochen. Da müssen Corporate Brand und Employer Brand aus einem Guss sein, damit am Ende ein echtes und erfüllbares Markenversprechen steht. Mit Purpose, differenzierend und mit Berücksichtigung der Erwartungen der Zielgruppen. So kann das allen auch richtig Spass machen🙏
The brain runs on fun. And breakfast 🚀
Director Human Resources bei Rathenower Optik GmbH | High Performance Leadership | AI Enthusiast
2 MonateKlingt spannend!