Die Schüler sollen wissen: «Für KI gibt es keine Wahrheit, nur Wahrscheinlichkeiten»
Michael Lutz lehrt Schüler im kritischen Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI). Er ist ein Pionier des Einsatzes der Technologie in der Schule. Neben seinem 80-Prozent-Pensum an der Sekundarschule Ebni in Neftenbach hat er eine Beratungsfirma für digitalen Wandel.
Die Schüler sollen lernen, dass ihnen KI das Denken nicht abnimmt. KI könne sich zwar geschliffen ausdrücken, sei aber selbst nicht intelligent und argumentiere aber manchmal mit Falschinformationen, sagt Michael Lutz. «Die KI ist gekommen, um zu bleiben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns kritisch damit auseinandersetzen.» Dazu gehören das Bewusstsein dafür, dass die Texte von KI politisch und kulturelle gefärbt sein können und es deshalb auch immer Faktenchecks braucht.
Deshalb lässt er die Schüler mit einem Chatbot in Dialog treten. Sie können schriftlich Fragen eingeben oder Behauptungen aufstellen, der Bot (englisch «robot») gibt Antworten. Sein Auftrag heute an die Schüler: Sie sollen dem Bot Falschinformation entlocken. Konzentriert chatten die 21 Schüler hinter ihren Tablets. Eine Schülerin hat es geschafft, den Chatbot so zu manipulieren, dass Albert Einstein bestritt die Relativitätsheorie erfunden zu haben. Seine Relativitätstheorie kann er der 15-Jährigen altersgerecht erklären. Als sie mit dem virtuellen Physiker zu flirten beginnt, macht ihr dieser einen Heiratsantrag. «Er will mich heiraten, ich habe ja gesagt», lacht sie heraus – und mit ihr die ganze Klasse.
Die KI-Technologie hinter dem Chatbot sei ein mächtiges Werkzeug, das den Menschen langweilige Arbeiten abnehmen könne, sagt Lutz. Doch lieber spricht er von künstlicher Assistenz als von künstlicher Intelligenz. Denn diese basiere auf Sprachmodellen, die Sätze mithilfe von Mathematik vervollständige. Damit könne KI zwar Liebesgedichte verfassen, wisse aber nicht, was Liebe sei, da sie nur Worte aneinanderreihe. «Für KI gibt es keine Wahrheit, nur Wahrscheinlichkeiten», erklärt der Mathematik-Lehrer seinen Schülern.
KI ist eine Chance
Das bekannteste KI-Werkzeug ist heute ChatGPT. Aus Datenschutzgründen dürfen die Schüler dieses jedoch nicht benutzen. Auf einer datenschutzgeschützten Plattform können seine Schüler anonym eine ChatGPT-Alternative ausprobieren. Sinnvoll eingesetzt, bereichere KI den Unterricht, sagt Lutz. Sie nehme den Schülern und auch ihm als Lehrer «lästige» Arbeiten ab und hilft beim Finden von Ideen sowie der Bewertung und Korrektur von Texten. Für ihn ist der Einsatz von KI eine Chance. Das Credo des Lehrers: Die Schülerinnen und Schüler sollen bei der Nutzung mit KI die Oberhand behalten. «Nicht das Tool sagt, was du zu tun hast, Du sagst dem Tool, was es zu tun hat.» Dabei gilt: Je präziser die Schüler erklären, was sie von der KI wollen, desto nützlicher sind auch die Antworten. In der Sprache der KI-Nutzer nennt sich die Aufforderung an den Chatbot, eine Frage zu beantworten Prompt.
Hilfreich bei Bewerbung
In der achten Klasse geht es für die Schüler darum, erste Erfahrungen mit Bewerbungen zu machen. Hier kann KI ein praktisches Hilfsmittel sein. Die Schüler geben diesen Prompt ein: «Ich bin ein 14-jähriger Schüler in der achten Klasse. Nimm das Stelleninserat (hier fügen sie die URL ein) und erstelle ein Bewerbungsschreiben für mich.» In Sekundenbruchteilen spuckt der Chatbot dann einen Vorschlag für die Bewerbung aus. Diese ist aber noch etwas unpersönlich. Deshalb arbeiten die Schüler nun mit dem Vorschlag der KI weiter. Dieser Prompt führt zum Ziel: «Baue die folgenden Stärken von mir in das Bewerbungsschreiben ein: Ich bin zuverlässig, ein Teamplayer und Leiter in der CEVI.» Die KI sei hilfreich, da sie ein ‘Gerüst’ liefere. Es brauche aber auf künftig Menschen, um Texten eine persönliche Note zu verleihen, sagt Lutz.
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Beratung für Schulen und Firmen
Im Schulalltag nutzt Michael Lutz seit einem Jahrzehnt digitale Tools. Diese reduzieren auch seinen administrativen Aufwand als Lehrer. Seine Firma Lutz.education, die er seit zwei Jahren betreibt, erfreut sich grosser Nachfrage. Schulen und Unternehmen berät er damit nicht nur auf dem Weg zur digitalen Transformation, sonder schult sie auch im effizienten digitalen Arbeiten mit der Cloudlösung Google Workspace.
Von seiner Nebentätigkeit profitiert auch die Schule. Hin und wieder kontaktieren ihn Softwareentwickler, deren Produkte er testet und manchmal auch mit den Schülern anschaut.
Ob die Schule schon bald ohne den beliebten Lehrer auskommen muss, weil er sich selbständig macht? «Nein, nein, auf keinen Fall, ich liebe es zu unterrichten», so Michael Lutz.
Auf der Webseite Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer zeigt er Lehrerinnen und Lehrern, wie sie mit ihren Schülern KI in den Unterricht integrieren können.
Bringt die richtigen Personen zusammen.
8 MonateEin Dialog mit Schülern über Vor- und Nachteile von Technik ist so wichtig! Vielen herzlichen Dank an Michael Lutz und auch an Philippe Welti, der das aufdeckt. 😍
Schulleitung Sekundarschule Neftenbach, Leitung Fachstelle Informatik
8 MonateIch bin sehr stolz, Michael Lutz in meinem Team an der Sekundarschule Neftenbach zu haben. Danke Philippe Welti für den tollen Artikel!
Journalist and dedicated PR professional with a hands-on approach. Not selling hope, but delivering results. VisTamar/QuinTamar - Holidays in Algarve's Nature - Portugal views are my own
8 MonateBildungsbeilage Tamedia, 20. März 2024
EdTech Advisor | Digital Leader | Changemaker | KI im Bildungswesen | Lehrer Sekundarstufe I
8 MonateDanke für deine Besuche Philippe! Und ja, KI eröffnet ganz neue Möglichkeiten für innovative, motivierende Projekte und begleitende Hilfestellungen für Schüler:innen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf.
«Beherrsche KI, bevor sie dich beherrscht.» Autor, Speaker, KI-Pionier, Werber. Mehr über KI auf ai-insights.ch
8 MonateSo aus dem Herzen gesprochen. Kompetenzen stärken statt Ängste kultivieren. Bravo zum Artikel!