Die smarte Farm – Wenn Daten statt Weizen geerntet werden
Sensorbasierte Echtzeitsysteme, Big-Data-Analysen und der Hof in der Cloud: Was sich hier anhört wie ein Projekt im Silicon Valley, ist der Alltag von deutschen Landwirten.
Die Landwirtschaft zählt längst zu den Pionieren, wenn wir von Digitalisierung sprechen. Vollvernetzte und digitalisierte Erntemaschinen und Traktoren fahren bereits autonom über den Acker und sammeln Daten. Eine Farm-Management-Software verarbeitet unterschiedliche Daten und stellt diese den Landwirten ausgewertet zur Verfügung. Dadurch können Erträge maximiert und Arbeitsabläufe automatisiert werden.
Schon seit den Anfängen der 1990er Jahre werden Verfahren zum Sammeln von Daten auf dem Feld angewandt. Damals kam es darauf an, die Datensätze klein zu halten, da die Übertragung noch sehr kostenintensiv war. Heutzutage sprechen wir von Machine Learning und Big-Data-Analysen, welche die Verarbeitung von sehr großen Datenmengen thematisieren. Dies stellt auch die bestehenden Systeme und IT-Infrastrukturen der Landwirte vor neue Herausforderungen.
„Schneller, höher, stärker“ heißt es bei den Olympischen Spielen. Auf dem Acker lebt man das Motto: präziser, akkurater, effizienter.
Presicion, Smart und Digital Farming bilden die Basis der Digitalisierung in der Landwirtschaft. Sensoren, gespeicherte Daten und der Bordcomputer fungieren als Werkzeuge, die dem Landwirt alle notwendigen Informationen liefern, um eine zentimetergenaue Steuerung ihrer Maschinen zu ermöglichen. Die variable Dosierung von Aussaat oder Düngemittel auf dem Feld erfolgt durch präzise Applikationstechnik. Durch die Auswertung der gesammelten Daten werden sowohl der optimale Weg über das Feld und der richtige Moment zur Ernte berechnet als auch komplexe Maschinenfunktionen angepasst (Precision Farming). Gestützt wird dieses Verfahren mit sensorbasierten Echtzeitsystemen. Exemplarisch wird die Bodenbeschaffenheit erfasst und abhängig vom Sensorwert in Echtzeit eine Düngemenge appliziert (Smart Farming). Das Digital Farming fokussiert sich auf die Erweiterung des bestehenden Verfahrens um innovative Technologien. Im Zentrum stehen das Internet of Things (IoT), die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M), das Cloud-Computing, die Big-Data-Analysen sowie der Einsatz von Machine Learning Algorithmen.
Diverse Sensoren, eine intelligente Datenanalyse und hochperformante Bordcomputer sorgen für präzise Entscheidungen auf dem Acker. Bild: © CLAAS
Herstellerübergreifende Cloud-to-Cloud Lösung für unterschiedliche Agrarmaschinen
Landwirtschaftliche Betriebe besitzen selten ausreichend eigene Mähdrescher, Erntemaschinen oder Feldhäcksler. Daher beauftragen die Landwirte häufig Dienstleister, die sie bei der Ernte, beim Düngung, beim Pflanzenschutz oder bei der Bodenbearbeitung unterstützen. Die Herausforderung: Bei jeder Erntephase werden unterschiedliche Maschinenflotten eingesetzt. Bisher konnten die Daten nur auf den jeweiligen Maschinen bzw. Portalen der Hersteller aufgezeichnet, verarbeitet und dokumentiert werden. Als Folge daraus liegen die Daten der Landwirte verteilt auf verschiedenen Plattformen. Zu jedem Einsatz muss dementsprechend eine Neujustierung der Systeme erfolgen, um einen maximalen Ertrag zu gewinnen.
Die Landmaschinenhersteller Claas, John Deere, CNH Industrial und der Softwarehersteller 365FarmNet haben aufgrund dessen erstmalig eine direkte, herstellerübergreifende und industrieoffene Cloud-to-Cloud Lösung namens DataConnect geschaffen. Damit können Kunden all ihre gesammelten Daten über eine Schnittstelle übertragen und in das favorisierte System einspielen. Die Daten liegen dann weiterhin im John Deere Operations Center, 365FarmNet oder bei CLAAS TELEMATICS, lassen sich aber jederzeit in eine andere Cloud bzw. System übertragen – und das sogar in Echtzeit. Beispiele für derartige Daten können die Information über die Maschinenposition, den Dieseltank-Füllstand oder den aktuellen Arbeitsstatus sein. Zukünftig ist auch die Übertragung agronomischer Daten, wie Ertrags- und Ausbringmengenkarten der digitalen Felddokumentation geplant.
Die Farm-Management-Software Data Connect verarbeitet unterschiedliche Daten und stellt diese den Landwirten ausgewertet zur Verfügung. Bild: © 365FarmNet
Hier geht es nicht nur um Software Bugs, zukünftig erfassen Machine-Learning-Technologien auch Schädlinge auf dem Kartoffelacker
Stark wachsende Datenmengen erhöhen die Anforderungen an bestehende Systeme. Aufgrund von Cloud-Computing Ansätzen, Maschinellem Lernen und Big-Data Analysen werden mehr Rechenkapazität, Speicher und komplexere IT-Infrastrukturen benötigt. Während in der Landwirtschaft Datensätze im Gigabyte Bereich verarbeitet werden, sind es zum Vergleich in der Automobilindustrie alleine pro Fahrt mehrere Terabyte an Daten, die aufgezeichnet werden.
Ein Beispiel für die wachsende Datenmenge in der Landwirtschaft ist der Einsatz von Machine Learning Algorithmen. Ein spezifischer Use-Case könnte die Unkraut- und Schädlingsbekämpfung sein. Hierbei erkennen die Machine Learning Algorithmen aus aufgenommen Videodaten Muster und Gesetzmäßigkeiten. Durch eine mehrjährige Vernetzung und Speicherung der Daten können zukünftig Schädlinge und Unkraut automatisiert erkannt und beseitigt werden. Die Herausforderung hierbei ist einerseits die Übertragung und Verarbeitung von Videodaten und andererseits die Speicherung und Lesbarkeit von Daten über mehrere Jahre.
Maximale Effizienz durch die Symbiose von Cloud-Computing- und 5G-Technologie
Um die aufgezeichneten Videodaten sowohl zu übertragen als auch zu verarbeiten und speichern, wird auf das Cloud-Computing zurückgegriffen. Diese Technologie ermöglicht ein schnelles Bereitstellen und Abrufen von großen IT-Ressourcen. Dadurch entsteht eine flexible und skalierbare Hard- und Softwareinfrastruktur. Besonders interessant ist die Kombination von Cloud-Konzepten und 5G-Systemen. Durch den Ausbau der landwirtschaftlichen Betriebe mit der 5G-Technologie können Daten von Sensoren, Maschinen oder Robotern in der Cloud auch mit niedrigen Latenzzeiten verarbeitet werden. Weiterhin trägt Edge-Computing zur Beschleunigung des Datenverkehrs bei. Dabei werden Daten an Basisstationen oder speziellen Gateways und Datenzentren am Rand der Netze verarbeitet und Ergebnisse können somit schneller wieder an den User zurückgegeben werden.
Das Nutzungspotential der Daten richtig einsetzen
Das Nutzungspotential der generierten Daten in der Landwirtschaft ist enorm. Werden diese Daten richtig verknüpft und analysiert, können sie den Landwirt in seinen strategischen und operativen Entscheidungen maßgeblich unterstützen. Um das zu realisieren sind aber innovative IT-Infrastrukturen und Technologien notwendig. Die Kompatibilität sowie die Bereitstellung eines permanenten Datenaustausches zwischen Mensch, Maschine und Backend muss auch bei großen Datenmengen gesichert werden. Damit können entsprechend benötigte Daten gespeichert und in Echtzeit analysiert werden. Auch das weitere Innovationspotential ist groß, so kann die intelligente Nutzung der Daten die landwirtschaftlichen Prozesse optimieren. Beispielsweise kann die Produktauslegung auf Basis von Lastzyklen durch die realen Betriebsdaten verbessert werden. Das funktioniert aber nur, wenn die Landwirte ihre IT-Infrastruktur ausbauen und sich für die immer größer werdenden Datenmengen rüsten.