Die Zukunft der Digitalisierung: BMWi gibt Ausblick auf die nächsten neun Jahre
Die Zukunft der Digitalisierung: BMWi gibt Ausblick auf die nächsten neun Jahre
Wie wird die Digitalisierung innerhalb der nächsten Jahre verlaufen? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat eine Richtung in einem Strategiepapier in Aussicht gestellt. Darin wird auch die Gründung einer „Bundesdigitalagentur“ vorgesehen.
Vor einigen Wochen veröffentlichte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen tollkühnen Ausblick zur Digitalisierung der kommenden neun Jahre. Das ressortübergreifende Papier sieht die Gründung einer „Bundesdigitalagentur“, die die Kompetenzen aller Bundesministerien bündeln soll, sowie eine milliardenhohe Förderung des Mittelstandes vor. Auch für den deutschen E-Commerce dürfte es interessant werden. Das BMWi setzt sich für ein Level-Playing-Field im E-Commerce ein und forciert die Entwicklung neuer Berufsfelder, u.a. den „E-Commerce-Kaufmann/-frau“. Akzente bzw. Standards werden für den Online-Handel jedoch nicht gesetzt, konkrete Maßnahmen zur Förderung des deutschen E-Commerce sucht man vergeblich. Es bleibt abzuwarten, ob diese Vorschläge die Legislaturperiode überleben.
Daten – der Rohstoff des 21. Jahrhundert
Das Strategiepapier des Wirtschaftsministerium „Digitale Strategie 2025“ umfasst u.a. Themen wie den Datenschutz, Verbraucherschutz, Industrie 4.0, den E-Commerce, Interoperabilität, Datenportabilität, E-Health, E-Government, Online-Plattformen, Digitale Bildung sowie die Digitale Gesellschaft. Ein Blick in das Vorwort offenbart, was für ein atemberaubender Umbruch die Verbraucher, Unternehmen und die Gesellschaft im Zuge der Digitalisierung in Deutschland erwartet. „Die digitale Transformation der Gesellschaft erfordert einen Paradigmenwechsel in der Datenpolitik“, so gleich zu Beginn des Papiers. „Zentraler Rohstoff dieses digitalen Wandels sind Daten.“ Im Rahmen dieses Paradigmenwechsel sollen nun zukünftig Kapazitäten und Zuständigkeiten gebündelt werden.
Schluss mit der Kompetenzrangelei – die Bundesdigitalagentur
Dass es in Fragen zur Digitalisierung in Deutschland oft zu Kompetenzrangeleien kommt, welche durch parteipolitische Differenzen noch verschärft werden, ist kein Geheimnis. Derzeit sind für digitale Themen drei verschiedene Ministerien zuständig: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) und das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI). Das Bundeswirtschaftsministerium besitzt im Vergleich zu den anderen Ministerien die umfassenderen Kompetenzen. So sind Themen wie der IT-Gipfel, Störerhaftung und Industrie 4.0 Minister Sigmar Gabriel unterstellt.
Im Gegenzug ist das BMVI unter Alexander Dobrindt für Fragen zur Schaffung von fairen Rahmen- und Grundbedingungen der Digitalisierung wie zum Beispiel den Breitbandausbau und Netzneutralität zuständig. Letztlich ist dann noch das BMJV für Themen wie Urheberrecht, Datenschutz und Kartellrecht federführend. Dass die Digitalisierung nicht nur vor diesen drei Ministerien halt macht, zeigt die Debatte um Arbeit 4.0 für flexiblere Arbeitsverhältnisse die derzeit das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beschäftigt.
In Zukunft soll mit diesen Kompetenzüberschneidungen Schluss sein. Eine „Bundesdigitalagentur“ soll als unabhängiges Kompetenzzentrum des Bundes für Verbraucher, Unternehmen und der Berater der Bundesregierung funktionieren. Diese „Digitalagentur“ soll den Digitalisierungsprozess analysieren und beobachten, als „Think Tank“ bei der Politikvorbereitung die Bundesregierung unterstützen, als Kompetenzzentrum des Bundes Verbraucher und Unternehmen beraten und als Verbraucherschlichtungstelle agieren. Eine Agentur nach dem „One-Stop-Shop“-Prinzip, in der Unternehmen themenübergreifend über alle Aspekte der Digitalisierung informiert und beraten werden, ist längt überfällig. Begrüßenswert wäre es auch, eine Stelle innerhalb der Bundesregierung zu schaffen, die federführend für all diese Themen verantwortlich ist. Zukünftig könnte sich diese Stelle eng mit dem Bundestag-Ausschuss „Digitale Agenda“ abstimmen.
Flankiert werden sollen diese Maßnahmen durch ein „Haus der Digitalisierung“ in Berlin, welches als Showroom und Treffpunkt für die KMU Branche entstehen soll.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen im E-Commerce sichern
Das Strategiepapier enthält auch ein klares Bekenntnis für gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen im Online-Handel. Diskriminierungen, Lock-In Praktiken und Privilegien sollen beseitigt und der grenzüberschreitende E-Commerce gefördert werden.
Dies umfasst eine Evaluierung des Kartellrechts angesichts einiger marktdominierender Unternehmen in der Datenökonomie. Diese könnten ihre Marktdominanz in einem Dienstleistungsbereich ohne Probleme auf andere Märkte oder Branchen ausweiten. Hintergrund ist, dass umsatzschwache Unternehmen deren Geschäftsmodell auf einer kostenfreien Nutzung im Gegenzug zur Nutzung persönlicher Daten basiert (Facebook, WhatsApp) im Kartellrecht keine Beachtung finden. Diese könnten dann missbräuchlich ihre Dominanz ausnutzen, zum Beispiel durch kostenpflichtige Online-Vermittlung der erhobenen Daten. So will dass BMWi in Zukunft auch Online-Plattformen und Intermediäre in den Regulierungen mit einbeziehen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Zu konkreten Förderungsmaßnahmen des grenzüberschreitenden E-Commerce schweigt das Positionspapier allerdings. Dort heißt es lediglich „Barrieren und sonstige Hindernisse ... müssen identifiziert und beseitigt werden.“ Dem Fakt, dass der Handel in Sachen Digitalisierung Deutschland anführt, wird leider nicht annähernd Rechnung getragen. Auch zur steigenden Vernetzung des stationären und des Online-Handels, auch Local E-Commerce genannt, findet sich kein Wort. Dies ist sehr bedauerlich, denn die Herausforderungen des demographischen Wandels und der Versorgung des ländlichen Raums könnten durch die Mobilität, Flexibilität und Vernetzung die mit Local E-Commerce einhergeht, mit gezielter Förderung intelligent gelöst werden.
Chris Berger