Die Zukunft des Software-Vertriebs in Europa: Herausforderungen und Chancen durch neue EU-Gesetzgebung
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Die Zukunft des Software-Vertriebs in Europa: Herausforderungen und Chancen durch neue EU-Gesetzgebung

In der dynamischen Welt des Software-Vertriebs[1] gibt es zahlreiche Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Während Produktqualität, Zielgruppenansprache, Verkaufs- und Preisstrategien sowie Kundensupport entscheidend bleiben, gewinnt ein weiterer Faktor zukünftig noch mehr an Bedeutung: Compliance. Im Zuge neuer EU-Gesetzgebung wie beispielhaft der NIS-2 Richtlinie, dem Cyber Resilience Act und dem DORA steht die Einhaltung regulatorischer Anforderungen verstärkt im Fokus. Aber was bedeutet das für den zukünftigen Software-Vertrieb in Europa?

Warum Compliance im Software-Vertrieb wichtiger denn je ist

Die Europäische Union ist derzeit dabei, eine Reihe von Gesetzgebung zu verabschieden, die darauf abzielen, die Cybersicherheit und die digitale Resilienz in der Wirtschaft (und zu großen Teilen auch für die öffentliche Hand) zu stärken. Für Unternehmen bedeutet die neue Gesetzgebung, dass sie sicherstellen müssen, dass ihre Produkte nicht nur den technischen Anforderungen gerecht werden, sondern auch die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Beispiele von betroffenen Software-Unternehmen reichen in alle Ecken der Softwarelandschaft und -schichten[2]: von eigentlicher Sicherheitssoftware, über Betreibersoftware für kritische Infrastruktur, bis hin zu Software, die beispielsweise in Produktion oder Logistik als Maschinensteuerung, als Bestandteil von Automatisierungstechnik (z.B. insbesondere AMR[3], aber auch „starre“ Lager- und Fördertechnik, u. v. m.) genutzt wird, und zwar u. U. auch für Bestandssysteme, zumindest insofern sie geändert oder aktualisiert werden. Diese Entwicklungen beeinflussen nicht nur IT-Abteilungen, sondern jeden, der in irgendeiner Weise Software einsetzt, ganz besonders betreffen sie aber auch schon die Vertriebsstruktur und -prozesse von Software in Europa, denn die Anforderungen an das Produktverständnis steigen und der Vertrieb wird beratungsintensiver (siehe unten).

Ein Überblick über die neue EU-Gesetzgebung an drei Beispielen[4]:

  1. NIS-2-Richtlinie (Network and Information Security Directive 2): Diese Richtlinie erweitert den Anwendungsbereich der bisherigen NIS-1-Richtlinie und legt Anforderungen bzgl. Sicherheits- und Compliancemaßnahmen für Unternehmen bzw. die öffentliche Hand aus bestimmten Sektoren oder auch Betreiber kritischer Anlagen, wesentliche Dienste und digitale Dienstleister fest. Ziel ist es, die Cybersicherheit innerhalb der EU zu verbessern und ein höheres Schutzniveau für Netzwerk- und Informationssysteme zu gewährleisten. In Deutschland setzt der Gesetzgeber die Richtlinie mit dem NIS2UmsuCG um und versucht darin bestimmte bereits vorhandene KRITIS-Anforderungen gleich mit zu berücksichtigen.
  2. Cyber Resilience Act: Dieses Gesetz befindet sich derzeit noch im Entwurfstadium, zielt aber darauf ab, einheitliche Sicherheitsanforderungen für vernetzte Produkte (sog. „Produkte mit digitalen Elementen“) und damit verbundene Dienstleistungen zu schaffen. Es soll sichergestellt werden, dass Hersteller, Händler und sonstige Anbieter von Software ein hohes Maß an Cyber-Resilienz gewährleisten, bevor ihre Produkte überhaupt auf den Europäischen Markt kommen.
  3. DORA (Digital Operational Resilience Act): DORA richtet sich insbesondere an den Finanz- und Versicherungssektor und fordert eine robuste digitale Betriebsresilienz, um sicherzustellen, dass diese Unternehmen in der Lage sind, IT-Ausfälle und Cyberangriffe zu bewältigen. Für Softwareanbieter bedeutet dies wieder, dass ihre Produkte den spezifischen Anforderungen dieser Branche entsprechen müssen.

Die Anwendbarkeit ohne direkte Anwendbarkeit – Bitte was?!

Diese genannten Regelungen können Softwareunternehmen auch mittelbar als Beteiligte an einer Lieferkette betreffen. Da viele Organisationen darauf bestehen werden, dass ihre Lieferanten den neuen Standards entsprechen – unabhängig davon, ob sie wirklich auf die Lieferanten anwendbar sind oder nicht – werden sich wahrscheinliche alle Softwareunternehmen den genannten Compliance-Anforderungen stellen müssen. Dies verstärkt den Druck auf die gesamte Lieferkette, sich an die neuen Regelungen anzupassen und deren Anforderungen zu erfüllen.

Direkte Auswirkungen auf den Software-Vertrieb

Die Einhaltung dieser Gesetzgebung kann sowohl direkte, als auch indirekte  Auswirkungen auf den Vertrieb von Software haben. Einige wesentliche Aspekte sind:

  • Produktentwicklung und -anpassung: Betroffene Software-Hersteller müssen sicherstellen, dass ihre Produkte die neuen Sicherheits- und Resilienzstandards erfüllen. Dies kann erhebliche Änderungen in der Produktentwicklung und -anpassung erfordern. Der Vertrieb wird hier noch mehr als eine Art Vermittler vom Markt zu den Produktteams agieren müssen.
  • Vertriebsstrategie: Die Einhaltung von Compliance-Anforderungen muss ein integraler Bestandteil der Vertriebsstrategie sein. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Vertriebs- und Compliance bzw. Produkt-Teams, um sicherzustellen, dass alle Aspekte berücksichtigt werden und der Vertrieb diese gewinnbringend und als unique selling point (USP) an den Kunden kommunizieren kann.
  • Kundenschulung und -unterstützung: Kunden erwarten zunehmend, dass ihre Softwarelieferanten nicht nur konforme Produkte anbieten, sondern sie auch bei der Einhaltung der Gesetzgebung unterstützen. Dies kann sowohl zusätzliche Anforderungen wie Schulungen und Beratungen, als auch Anforderungen an Softwareunternehmen als Bestandteil einer Lieferkette erfordern.

Chancen für den Vertrieb innovativer Software-Unternehmen

Obwohl die neue EU-Gesetzgebung Herausforderungen und eine ganze Menge Aufwand für alle Beteiligten darstellen, bieten sie auch zahlreiche Chancen für den Vertrieb innovativer Software-Unternehmen. Unternehmen, die proaktiv auf die Anforderungen reagieren und Compliance als Wettbewerbsvorteil nutzen, können sich so von der Konkurrenz abheben. Sie haben die Möglichkeit, als vertrauenswürdige Partner wahrgenommen zu werden, die Sicherheit und Resilienz in den Mittelpunkt ihrer Geschäftsstrategie stellen.

Fazit

Die neue EU-Gesetzgebung wie die NIS-2-Richtlinie, der Cyber Resilience Act und DORA sind wegweisend für die Zukunft des Software-Vertriebs in Europa. Sie stellen hohe Anforderungen an die Compliance, bieten jedoch auch die Möglichkeit, neue Standards in der Branche zu setzen. Softwareunternehmen, die sich diesen Herausforderungen stellen und Compliance als integralen Bestandteil ihrer Strategie sehen, können nicht nur ihre Marktposition stärken, sondern auch das Vertrauen ihrer Kunden gewinnen.

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P.S. Sogar ChatGPT war verwirrt über das Namensdickicht der Gesetzgebung. Während der Generation des Bildes für diesen Artikel wurde aus „DORA“ und „NIS-2“ auf einmal „DOR-2“ und aus „CRA“ und „DAS“ wurde auf einmal „DRA“. ;-)

WAS IST ZU TUN? In weiteren Artikeln werde ich einzelne Felder der neuen Gesetzgebung beleuchten und darauf eingehen, welche pragmatischen Schritte für wen notwendig sind, um die individuellen Pflichten aus obigen Anforderungen zu erfüllen.


[1] Der Begriff Software-Vertrieb umfasst in diesem Artikel den Vertrieb von verschiedenen Arten von Softwareunternehmen, wie z.B.: Software-Herstellern, -Einführern, -Händlern, oder -Dienstleister.

[2] vgl. VDI 3962

[3] AMR := Autonomous Mobile Robot

[4] Ausblick: Auf diese und weitere neue Gesetzgebung und ihre Umsetzung in der Praxis werde ich in separaten Artikeln noch detaillierter eingehen.

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