Digitale EQ-Events
Veranstaltungen fürs 21. Jahrhundert mit emotionaler Intelligenz
In unserer persönlichen Laufbahn prägt vermutlich eine Veranstaltung unsere Erinnerung am nachhaltigsten: die große Abschlussfete nach dem bestandenen Schulabschluss. Nachdem dieses Jahr schon die Prüfungen anders abliefen als jemals zuvor in der Geschichte, gibt es auch fürs Feiern ein Umdenken. Kein Absperrband vor dem Lehrerzimmer und keine Klopapierpyramiden auf dem Lehrerparkplatz. Zur einzigen offiziellen Abschlussfeier lud Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die 1,9 Millionen jungen Absolventinnen und Absolventen in Deutschland virtuell ein. Klingt nach halb so viel Spaß, wenn man an die eigene Feier zurückdenkt? Ja, vielleicht. Jedoch hatte er so viel deutsche Prominenz an seiner Seite, die sonst niemals auf einem Schulhof zu sehen wäre. An sich viel beschäftigte Persönlichkeiten wie Toni Kroos, Silbermond oder Daniel Brühl lieferten von zu Hause aus ihre digitalen Beiträge.
Ein Milliardengeschäft sucht neue Formate
Letztes Jahr noch nahmen allein in Deutschland 423 Millionen Menschen an 2,9 Millionen Veranstaltungen, Tagungen und Kongressen teil. Die Veranstaltungsbranche setzt jährlich über fünf Milliarden Euro um. Unternehmen binden über Veranstaltungen ihre Kunden an sich, stellen ihre Neuerungen vor und gewinnen so neue Kunden. Dieses Jahr bedeutet eine Zäsur und fordert Umdenken in Sachen Veranstaltungen. Messen, Kongresse, Kundenveranstaltungen – alles ist erstmal abgesagt oder erfordert enormen Aufwand und aufwändige Genehmigungsverfahren. Selbst wenn über den Sommer in einigen Bundesländern wieder größere Veranstaltungen stattfinden, ist die Situation für den Herbst ungewiss. Viele Veranstalter weichen daher auf virtuelle, digitale Formate aus. So fand das Deutsche Wirtschaftsforum zum ersten Mal rein digital statt und das deutsche Aktiengesetz wurde kurzerhand angepasst, damit Siemens und andere Unternehmen ihre Hauptversammlungen online organisieren können. Überträgt man nun einfach sein Vorhaben eins zu eins in die digitale Welt und alles wird gut? Was sind die Vorteile und welche Fallstricke gibt es in der Welt der Events 4.0?
Die Vorteile
Erinnern wir uns an die Vorbereitung einer klassischen dreitägigen Kundentagung. Zuerst braucht es die Location. Hat man nicht selbst im Unternehmen die entsprechenden Räumlichkeiten, fallen nicht zu unterschätzende Mietkosten für ein Hotel oder Tagungszentrum an. Dann bedarf es des Caterings für drei Tage, ausreichend Personal vor Ort für den reibungslosen Ablauf und natürlich Unterstützung beim Buchen von Unterkünften. Gewöhnlich sind auch ein Sicherheitskonzept und vorbereitende Überlegungen für mögliche Erste-Hilfe-Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Die teilnehmenden Kunden holen je nach ihrer Position vorab Freigaben für die Teilnahme ein, kalkulieren abhängig von der Distanz längere Reisezeiten ein und müssen abwägen, ob sie dafür fast eine Woche Arbeitszeit aufbringen können. All das entfällt bei virtuellen Events. Wir sparen also enorm Zeit in der Vorbereitung und der Kunde in An- und Abreise ein. Heißt das, wir organisieren ab jetzt nur noch digitale Events ad hoc mit einem minimalen Budget? Sicher ist, dass die digitalen Events nicht mehr verschwinden werden. Zu viele haben die Vorteile entdeckt. Es wird sie entweder als Hybride geben – ich nehme entweder live oder digital teil – oder je nach Thema nur digital, um mehr Leute zu erreichen. Denn es spart Reisezeiten ein und ist die ökologischere Variante, da sogar in vielen Unternehmen Flugreisen in Frage gestellt werden.
Fallstricke und Herausforderungen
Klar, Kosten für Catering, Location, Unterbringung und Reisekosten entfallen. Damit erhalten Kunden vermutlich leichter Freigaben für die Online-Tagung oder schaufeln sich ihren Kalender schneller für die digitale Teilnahme frei, da sie viel weniger Zeit aufwenden und die digitale Teilnahme leichter in den vollen Arbeitsalltag integrieren. Jedoch ist die Vorbereitung für den Veranstalter keineswegs trivial. Einen mittelmäßigen Vortrag übersteht man bei der Live-Veranstaltung mit einem interessanten Nebensitzer leichter. Die Atmosphäre, die anderen Redner und das Catering machen einiges wett. Bei der digitalen Veranstaltung ist die Entscheidung der Zuhörenden meist kompromissloser. Was nicht interessant ist, wird einfach ausgeschaltet. Als Redner interagiere ich komplett anders mit meinen Zuhörenden. Ich sehe sie teilweise gar nicht und ich brauche eine wirklich durchdachte, gute Story, die ich kurzweilig und knackig vortrage.
Als Veranstalter sollte ich die Zielsetzung meiner Veranstaltung klar definieren und alles an Inhalten darauf ausrichten und abstimmen. Wichtig für die Planung ist das Wissen, dass Teilnehmende eventuell nicht durchgängig dabei sind, sondern immer mal wieder zwischendurch an anderen Terminen teilnehmen müssen. Denn sie stehen nach wie vor mitten in ihrem gewöhnlichen Arbeitsalltag. Ich brauche also Aufzeichnungen, wenn sie einzelne Programmpunkte später anschauen wollen.
Selbst wenn ich mir das Catering, viel Personal und die Location spare, investiere ich einiges des Budgets besser in die Technologie. Während des Lockdowns berichteten viele, die auf freie Plattformen für ihre Besprechungen zurückgriffen, von Trollen als unerwarteten Besuchern. Solche Auftritte versucht jeder seriöse Veranstalter, natürlich zu vermeiden und einen reibungslosen technischen Ablauf mit störungsfreiem Zuhören sicherzustellen. Hier führt kein Weg an erfahrenen Partnern aus der digitalen Event-Organisation vorbei.
Chancen eines digitalen EQ-Events nutzen
Gerade ist es schick, alles mit 4.0 zu bezeichnen. So fassen viele die digitalen Veranstaltungen als Events 4.0 zusammen. Es lässt vermuten, dass Roboter oder künstliche Intelligenz die Veranstaltungsorganisation übernehmen. Das führt uns jedoch eher auf den falschen Pfad. Wer einfach einen digitalen Zwilling seiner geplanten Live-Veranstaltung plant, hat schon verloren, bevor er richtig gestartet ist. Für diese Form an Veranstaltungen brauche ich eine Extraportion emotionale Intelligenz und mehr Hirnschmalz als bei einer gewöhnlichen jährlichen Veranstaltung, die schon fast automatisch von den Profis vorbereitet wird. Für emotionale Intelligenz brauche ich Menschen, das schafft keine künstliche Intelligenz. Wie bringe ich möglichst viel Emotionen, Leidenschaft und Persönlichkeit in der virtuellen Welt rüber? Darauf richten sich Konzepte von erfahrenen Dienstleistern aus. Und hier brauche ich richtig viel Zeit, um meine Redner und Rednerinnen sowie die Moderatoren zu schulen.
Was macht digitale EQ-Events also aus, worin liegen die Chancen? Da ohnehin alles digital stattfindet, lasse ich die Teilnehmenden einfach rechtzeitig vorher das Programm mitgestalten. Über Votings oder Umfragen erkundige ich mich früh über die dringenden Themen und Fragen meiner Kunden und Teilnehmenden aus ihrem Alltag. Damit stimme ich ein Programm mit den jeweiligen Schwerpunkten genau auf den Bedarf und das Interesse hin ab. Vor allem aber braucht es einfache, reibungslose Lösungen, die nicht viel Aufwand für den Teilnehmenden bedeuten.
Ich orientiere mich bei der Konzeption und Zielsetzung also von außen nach innen anstatt dem üblichen „jährlich grüßt das Murmeltier“: „Wir sagen Euch mal alles, was wir so Tolles leisten und wichtig finden.“ Wer die Moderation während der Veranstaltung richtig gut im Griff hat, reagiert spontan auf Fragen und Kommentare und passt die Aussagen daran an. Denn vielen fällt es leichter, einfach eine Frage kurz aufzuschreiben, als sie im voll besetzten Saal vor 500 Leuten formulieren zu müssen. Es kommt also zu idealerweise mehr Interaktion als üblich, wenn auch anders als gewohnt. Wichtig sind auch Break-out-Sessions, damit die Teilnehmenden sich miteinander austauschen. Selbst Feedback lässt sich leichter abfragen als bei der Live-Veranstaltung. Wenn schon alle am Rechner sind, reagieren sie eher auf eine Abfrage. Wenn ich aus diesen Rückmeldungen für die nächste Veranstaltung und mein Angebot in Richtung Kunde lerne, ist das zwar kein Internet der Dinge, aber eine moderne Form der Interaktion von Menschen, die unsere emotionale Intelligenz in Richtung Kunde voranbringt. Schon allein deswegen werden digitale Veranstaltungen nicht mehr verschwinden und wenn sie als Hybrid weiter existieren. So werden künftige Schulabgänger vereinzelt eventuell ihre Abschlussfeier schon von Neuseeland aus miterleben.
Autor | Unternehmer | Redner
4 JahreMenschen verbinden sich immer dann wenn Sie gemeinsam etwas emotionales erleben. Das gilt eben auch im beruflichen Kontext ... und eben auch für virtuelle Events. Wenn das gemeinsame Erleben - wie bewiesen - online spannend, kurzweilig, lernend und erkundend, lustig, ernsthaft und interessant ist, dann ist es mehr als nur eine Alternative. Herzlichen Dank an Dich lieber Florian, dass ich Teil des digitalen Events sein durfte ... weiter so! Die Formate und Ihre Möglichkeiten finde ich SUPER!
Leiter Diversity & Transformation bei DATEV eG, der hilft diverse und inklusive Plattformen organisationalen Lernens zu gestalten. Als ‚Community Builder‘ unterstützt er #DigitalSchoolStory
4 Jahre„Die Atmosphäre, die anderen Redner und das Catering machen einiges wett.“ Der ‚Vorteil‘ von Präsenzveranstaltungen macht schon deutlich, warum Formate wie Open Space BarCamps mit großer Eigenverantwortung für viele schon vor der ‚Corona-Lernphase‘ attraktiv waren. Die Fokussierung auf individuelle Bedürfnisse und persönliche Entscheidungsmöglichkeiten wird auch online ein zentrales Element werden. Und ‚hybrid‘ muss für mich erst beweisen, dass es die attraktivere Alternative ist.