Digitale Geschäftsmodelle in der Verwaltung
Geschäftsmodelle neu gedacht: Die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung
Die digitale Transformation zwingt Organisationen, ihre Geschäftsmodelle neu zu denken. Doch was bedeutet das für die öffentliche Verwaltung, die nicht gewinnorientiert arbeitet, sondern hoheitliche Leistungen erbringt? Geschäftsmodell klingt vielleicht erst einmal nach etwas, das für Unternehmen vorbehalten ist. Aber gerade die öffentliche Verwaltung hat einen immensen Bedarf, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu hinterfragen und neu zu gestalten – einfach mit einem anderen Fokus.
Von der Leistungserbringung zur Wertschöpfung
Ein klassisches Geschäftsmodell beschreibt die Logik, mit der eine Organisation Wert schafft, an Kunden liefert und dabei Erträge erzielt. In der öffentlichen Verwaltung fehlt der Begriff der Gewinnmaximierung, aber der Wert, den sie schafft, ist nicht minder bedeutend. Ein Geschäftsmodell in der Verwaltung beschreibt die Art und Weise, wie öffentliche Leistungen erzeugt und bereitgestellt werden, mit dem Ziel, gesellschaftlichen Nutzen zu stiften und die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen – Bürgerinnen, Unternehmen, Institutionen – optimal zu erfüllen.
Daher muss die Verwaltung ihre Leistungsmodule so gestalten, dass sie sowohl effizient als auch inklusiv sind und alle Bevölkerungsgruppen erreichen. Dies bedeutet auch, dass Barrieren abgebaut werden müssen – sowohl im digitalen Zugang als auch im physischen Kontakt mit der Verwaltung. Ein gutes Geschäftsmodell sorgt dafür, dass die Verwaltung wirklich für alle da ist.
Bezeichnenderweise befassen sich gemäss Meret Wälchli et. al. nur wenige Studien mit dem Thema Geschäftsmodellen in Zusammenhang mit der öffentlichen Verwaltung. Und trotzdem lassen sich auch für die Verwaltung die Erkenntnisse anwenden.
Die digitale Transformation bietet hier immense Chancen: Prozesse können grundlegend überdacht und neu strukturiert werden, Leistungen können agiler, nutzerzentrierter und effizienter erbracht werden. Das Geschäftsmodell der Verwaltung muss sich also nicht auf Behördenprozesse im klassischen Sinn beschränken, sondern die Schnittstellen und Berührungspunkte zu den Anspruchsgruppen in den Fokus nehmen.
Geschäftsmodelle in Verwaltung
Die Strategie der Digitalen Verwaltung Schweiz (DVS) für die Jahre 2024–2027 machen deutlich, wie dringend notwendig es ist, das Geschäftsmodell der Verwaltung neu zu definieren. Die Digitalisierung darf dabei nicht als technischer Selbstzweck verstanden werden, sondern als fundamentale Chance, die Art und Weise, wie Verwaltung denkt und handelt, zu transformieren. Die DVS hebt in ihrer Strategie bspw. die Nutzerzentrierte Verwaltung oder die Durchgängigkeit und Vernetzung hervor.
Ein weiteres Beispiel ist die Digitalisierungsstrategie der Stadt Zürich , die den Begriff des Geschäftsmodell mit einer gewissen Selbstverständlichkeit aufgreift.
Die Herausforderung liegt in der Komplexität der rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen – doch auch Unternehmen müssen komplexe Abhängigkeiten managen. Die Verwaltung kann und muss hier lernen, die Prinzipien moderner Geschäftsmodellentwicklung auf die eigenen Anforderungen zu übertragen.
Ansätze zur Neudefinition von Geschäftsmodellen in der Verwaltung
Es gibt zahlreiche Frameworks, um ein Geschäftsmodell zu umschreiben und zu definieren. Das geläufigste (zumindest aus der Digitalisierungs-Brille) ist das Business Model Canvas von Strategyzer . Daneben gibt es aber noch zahlreiche andere Modelle, die für die Verwaltung eine Hilfestellung darstellen.
Das OECD-Modell der Good Governance
Die OECD - OCDE hat in ihren Studien zur digitalen Verwaltung immer wieder betont, dass Geschäftsmodelle im öffentlichen Sektor stark an den Prinzipien der Good Governance ausgerichtet sein sollten. Dazu gehört die Schaffung von Transparenz, die Sicherstellung von Partizipation und die Förderung von Effizienz. Die Digitalisierung wird hier nicht nur als technisches Werkzeug verstanden, sondern als Möglichkeit, das Zusammenspiel zwischen Staat und Bürger grundlegend zu verbessern. Das bedeutet, dass die digitale Transformation in der Verwaltung auch die Gestaltung der Stakeholder-Beziehungen neu denken muss.
Der St. Galler Service Model Navigator
Ein weiterer Ansatz kommt von der Universität St.Gallen (HSG) mit ihrem Service Model Navigator. Dieser stellt über Geschäftsmodelle zur Verfügung, die spezifisch auf die Anforderungen der digitalen Wirtschaft ausgerichtet sind und sich auf den öffentlichen Sektor übertragen lassen. Der Navigator legt den Fokus darauf, verschiedene Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette modular zu kombinieren, um so passgenaue Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln. Diese Modelle können helfen, die Verwaltung agiler und nutzerorientierter zu gestalten, indem Standardprozesse aufgebrochen und neu kombiniert werden.
Empfohlen von LinkedIn
Der "Public Value"-Ansatz von Mark H. Moore
Ein prominenter Ansatz, der das Geschäftsmodell der Verwaltung neu definiert, ist der Public Value-Ansatz von Mark H. Moore. Er argumentiert, dass die Verwaltung ihren Wert daran messen sollte, wie sie zur Schaffung von gesellschaftlichem Nutzen beiträgt. Im Gegensatz zur klassischen betriebswirtschaftlichen Sichtweise steht bei diesem Ansatz nicht die Erzeugung von Erlösen im Mittelpunkt, sondern die Wertschöpfung für die Gesellschaft. Das Geschäftsmodell der Verwaltung sollte also darauf abzielen, diesen gesellschaftlichen Mehrwert zu maximieren, indem Leistungen effizient, inklusiv und qualitativ hochwertig bereitgestellt werden.
eCH: Ein modulares Geschäftsmodell
Ein Blick auf das Referenzmodell Vernetzte Verwaltung Schweiz von eCH zeigt, wie die Verwaltung durch ein neues Geschäftsmodell zukunftsfähig gestaltet werden kann. Es geht darum, die traditionellen Verwaltungssilos zu überwinden und die Behördenleistung als Smart Services neu zu denken, die über Behörden hinaus vernetzt und orchestriert werden.
Statt separater, behördlicher Dienstleistungen, die nur schwer zugänglich sind und oft unnötige Komplexität aufweisen, sollten die Leistungen modular und für unterschiedliche Lebenslagen flexibel zusammenstellbar sein. Dies bedeutet, dass das Geschäftsmodell der Verwaltung zunehmend eine Servicearchitektur sein muss – eine, die es ermöglicht, je nach Bedarf unterschiedliche Module zusammenzufügen und damit exakt die Leistung zu erbringen, die der Bürger oder die Bürgerin aktuell benötigt.
Das Ergebnis ist nicht nur eine höhere Effizienz und Transparenz, sondern auch eine gesteigerte Bürgerorientierung und eine flexible Verwaltung, die schneller auf ändernde Anforderungen reagieren kann. Geschäftsmodellinnovation bedeutet in diesem Fall, das gesamte Verwaltungssystem von der Leistungserbringung bis hin zur technischen Infrastruktur neu zu denken.
Die Verwaltung als agile Organisation denken
Die digitale Transformation erfordert, dass die öffentliche Verwaltung ihr Geschäftsmodell grundlegend überdenkt. Es geht darum, Prozesse neu zu gestalten, um gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen und bürgernahe Leistungen effizient und transparent zu erbringen.
Ein Geschäftsmodell für die Verwaltung muss modular, vernetzt und flexibel sein. Es muss den gesellschaftlichen Nutzen in den Mittelpunkt stellen und sicherstellen, dass digitale Transformation nicht nur technologische Innovation bedeutet, sondern einen echten Wandel im Selbstverständnis der Verwaltung. Die Verwaltung sollte sich als agile Organisation verstehen, die in der Lage ist, schnell auf ändernde Anforderungen zu reagieren und sich permanent weiterzuentwickeln.
Was diese Woche sonst noch in meinem Feed war
Platz 2 an den Digital Economy Awards. Eine herzliche Gratulation an den verdienten Sieger Fredy Künzler. Aber auch an die weiteren Zweitplatzierten Nadja Perroulaz und Thilo Stadelmann.
Deepfakes im Alltag: Chancen, Risiken und was wir lernen können
Technologietransfer bei der Empa: Brücke zwischen Forschung und Industrie. Im Interview beleuchtet Marlen Müller, Leiterin Wissen- und Technologietransfer bei Empa, wie die Brücke zwischen Forschung und Industrie Innovation fördert und die Schweizer Wirtschaft stärkt.
KI und Arbeitnehmerschutz. Das U.S. Department of Labor hat Leitlinien veröffentlicht, um Arbeitgebern und Entwicklern zu helfen, Künstliche Intelligenz (KI) verantwortungsbewusst am Arbeitsplatz einzusetzen und das Wohl der Mitarbeitenden zu fördern.
Dass die Stadt Wien in Sachen KI Vorne mitspielt, ist kein Geheimnis. Die Stadt Wien hat kürzlich ihre neue KI-Strategie im Rahmen der Digitalen Agenda 2030 veröffentlicht und setzt damit konsequent auf den digitalen Humanismus.
eGovernment in der Schweiz! Die aktuelle Studie Res Publica Digitalis von digitalswitzerland zeigt auf, wie einwohnerzentriertes eGovernment zur Grundlage der digitalen Verwaltung in der Schweiz werden kann.
eGov Weekly. Dein Newsletter zur Digitalen Transformation der Verwaltung.
Ich poste täglich zu Themen rund um die Digitale Transformation der Verwaltung. Falls dir meine Inhalte gefallen, freue ich mich auf Kommentare, Nachrichten oder sonstige Interaktionen.
Dieser Newsletter fasst meine Posts aus der Woche zusammen und lässt Raum für eine Vertiefung in ein spezifisches Thema.
Wenn du immer auf dem neusten Stand bleiben willst: Abonniere den Newsletter!
Lieber Paul Herzlichen Dank für deinen Beitrag. Ich finde der Ansatz des Bewusstseins in der öffentlichen Verwaltung sehr gut. Da könnten wir zusammen mit eGov-Schweiz und DVS was tun.
Rechtsanwalt, Mag. rer. publ.
3 MonateIch begrüsse den Ansatz, digitale Geschäftsmodelle für die öffentliche Verwaltung zu entwickeln und danke Paul für die Übersicht über heute bestehende bzw. proipagierte digitale Geschäftsmodelle. Um die Jahrtausendwende haben wir versucht, die öffentliche Verwaltung in Projekten von New Public Management (NPM) bzw. Wirkungsorientierter Verwaltungsführung (WoV) grundlegend zu reformieren. Ich war damals sowohl an der Theorienbildung wie in der praktischen Umsetzung aktiv beteiligt. Geblieben ist, dass heute in der Schweiz alle öffentlichen Verwaltungen eine Kostenrechnung haben (HRM2) und dass die Bundesverwaltung und einige Kantonsverwaltungen eine Leistungssteuerung bzw. eine Steuerung mit Leistungszielen haben. Entwickelt und seinerzeit teilweise eingeführt wurden auch Elemente einer Wirkungssteuerung und damit die Ausrichtung der Verwaltungstätigkeit auf das, was man für bestimmte Zielgruppen, für die Allgemeinheit und für den Staat eigentlich mit der Verwaltungstätigkeit erreichen wollte. Das wurde alles aufgegeben, weil es den Leuten in der Verwaltung zu kompliziert war, und ist heute weitgehend vergessen. Daraus gilt es zu lernen.
💡 Independent AI Researcher & Machine Learning Practitioner | Exploring the Future of Intelligent Systems
3 MonateLove this! Adrian Costea fyi
Danke Paul Meyrat für die aktuelle Übersicht. Der Text zum Service Model Navigator könnte noch präziser sein: Es werden nicht Geschäftsmodelle zur Verfügung gestellt, die sich auf den öffentlichen Sektor übertragen lassen: Es sind Servicemodelle (Art und Weise, wie öffentliche Leistungen erzeugt und bereitgestellt werden). D.h. die Übertragung in den öffentlichen Sektor ist bereits erfolgt. Von den 45 Modellen sind 20 Modelle spezifisch für die öffentliche Verwaltung gefunden worden. Es werden auch fünf Rollen, die der Staat bei diesen Modellen einnehmen kann eingegangen. Das ist m.E. eine sehr gut anwendbare Auseinandersetzung mit Geschäftsmodellen für die Digitale Verwaltung. Die Methode macht sogar richtig Spass.