Digitalisierung als Herausforderung und Chance für die Präsenz-Universität
Nichts weniger als „Universitas“ – lateinisch für „Gesamtheit“ - formulierte im 11. Und 12. Jahrhundert die mittelalterliche Wissenschaft als Anspruch an sich selbst. Dies führte zur Gründung der Universitäten in Bologna (1088) und Paris (1150). Universitas magistrarum et scholarium – die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden - ist seit 1000 Jahren einem steten Wandel unterworfen, der mehrheitlich durch sie selbst generiert wird.
Die Universität als Institution ist sichtbares Zeichen dieses Wandels, da sie aus kirchlichen Kloster- und Domschulen hervorgegangen ist, um den ideologisch und wissenschaftlich engen kirchlichen Rahmen seit dem Mittelalter zu verlassen. Mit der Gründung von Universitäten behauptete sich das städtische Bürgertum gegenüber Kirche und Kaiser. Gleichzeitig war eine Universität die Voraussetzung dafür, dass die akademische Jugend mit ihrem Wissen und ihrer Intelligenz der jeweiligen Region erhalten blieb. An diesem Konzept der intellektuellen Standortsicherung hat sich 1000 Jahre lang nichts geändert.
Der Wandel - so auch die Digitalisierung - kommt immer aus den Universitäten selbst. Sichtbarstes Zeichen dieses Prozesses ist die weltweite Präsenz aller namhaften Universitäten im Internet und damit die Vergleichbarkeit von Lehrangeboten, Forschungsschwerpunkten und anderen Parametern. Der Vergleich macht aber auch deutlich, dass Forschung und Lehre heute weit weniger als bisher an einen festen Standort gebunden sind. Die Ubiquitarität des Wissens wirft auf Seiten der Präsenzuniversitäten Fragen auf. Welche Ansprüche stellen künftige Generationen von Studienanfängern? Welche Chancen und Risiken sind mit der Digitalisierung von Lehre und Forschung verbunden? Kann die Technik die Face-to-Face-Interaktion ersetzen? Welche Chancen haben Universitäten, sich bei zunehmender Digitalisierung an ihrem Standort zu behaupten?
Allgemein wird beklagt, dass Universitäten Potentiale des „Blended Learnings“ – also der Mischung herkömmlicher und digitaler Lernmethoden nicht im möglichen Umfang nutzen. Die Gründe sind vielschichtig. Zum einen ist dies auf Unkenntnis oder kulturelle Vorbehalte der Lehrenden zurückzuführen, zum anderen auf eine fehlende Digitalisierungsstrategie der Universität als Gesamtheit. Wo diese fehlt, werden Scharmützel wird auf dem Feld des eLearnings ausgefochten. Während einzelne Fakultäten vorpreschen, bremsen andere oder stehen dem Thema indifferent gegenüber. Moodle und andere Lernplattformen halten zwar Einzug in die Unis und sind manchen Studienanfänger/innen oft schon aus der Schule bekannt, werden aber häufig nur als Dokumentenablage genutzt. Mooc („Massive Open Online Courses“) haben zwar international zigtausende Teilnehmer, aber schwächelnde didaktische Konzepte, vergeben keine Credit Points und haben nicht zuletzt deshalb geringe Abschlusszahlen.
Eine erfolgversprechende digitale Strategie erfordert Umdenken bei Forschung und Lehre. Die moderne Universität muss die disruptiven Effekte der Digitalisierung annehmen, statt sie zu fürchten. Einer der befürchteten Effekte ist der Sieg inhaltlicher Qualitätskriterien gegenüber dem Standort. Welchen Sinn hätte es, sich an einem Ort einzuschreiben, wenn Lehrveranstaltungen jederzeit und an jedem Ort digital verfügbar wären? Das Studium an einer „virtuellen“ – sprich ortsgebundenen – Uni könnte helfen, soziale Benachteiligungen zu mindern. Künftig wäre die finanzielle Ausstattung des Elternhauses wieder weniger entscheidend für den Studienerfolg. Leiden würden darunter die Universitäten, die z.B. in NRW ein „Kopfgeld“ von 20.000 EUR pro Student erhalten. Statt möglichst viele Studienanfänger an ihre Universität zu locken, die dort Überfüllung und damit Frust erleben, läge die Chance für Hochschulen künftig in der Bereitstellung einer möglichst funktionalen digitalen Lern- und Forschungsumgebung. Wer sich die 1000 EUR für ein Quartier in München nicht leisten kann, der könnte also auch in Ennepetal bleiben und von dort aus Philosophie-Kurse an der Ludwig-Maximilian-Universität belegen.
Aber ist das noch „Universitas“ – die Gemeinschaft von Forschenden, Lehrenden und Lernenden? Dreimal ja. Um das Tor zur digitalen Lern- und Forschungszukunft aufzustoßen, müssen wichtige Fragen geklärt werden z.B. wie der Meinungsaustausch an einer digitalisierten Universität stattfinden kann. Im Wesentlichen existieren mit Telefon, Video und Web drei elektronische Konferenztools, von denen die beiden letztgenannten wegen verbesserter Übertragungstechnik zusehends zusammenfließen. Neben technischen Hürden, müssen vor allem kulturelle Hindernisse überwunden werden. Die Lösung besteht weniger in überzeugender Technik – diese steht bereits zur Verfügung, als vielmehr in der Bereitschaft der Universitäten, die Chancen, die die Technik bietet, anzunehmen.
Bei dieser Arbeit können digitale Botschafterinnen und Botschafter helfen, die an Universitäten eingesetzt werden müssten, um Lehrende, Forschende, aber auch Studierende im digitalen Lernen und Forschen zu unterweisen, denn auch die digitale Reife der Studienanfänger/innen und Studierenden sollte offenbar nicht überschätzt werden: Jüngste Untersuchungen in den USA kommen zum Schluss, dass es sich beim „Digital Native“, der den Umgang mit den Computer ja angeblich in die Wiege gelegt bekommen habe, um eine Art „Yeti“ handele, eine Kreatur von der man immer wieder angebliche Fußstapfen und unscharfe Fotos zu sehen bekommt. Die meisten der nach dem „mythischen Jahr 1984“ Geborenen nutzen Computer und elektronische Geräte zwar fleißig für Spiele und zum Medienkonsum, für Lernerlebnisse dagegen „sehr begrenzt“ (vgl. Paul. A. Kirschner et.al. in Sciencedirect Vol. 67, 10/2017 https://goo.gl/f2SQHY).
Die Digitalisierung wird jeden Tag an jeder deutschen Universität vorangetrieben. Wie es den Scholaren in frühmittelalterlichen Klosterschule nicht mehr ausreichte, sich über religiöse Themen auseinanderzusetzen und sie deshalb die Klöster verließen, um freie Universitäten zu gründen, werden Universitäten das Konzept „Universität“ überdenken müssen.
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