Drei Fragen an Dr. Niels Oelgart

Drei Fragen an Dr. Niels Oelgart

Führung und Kommunikation in der Corona-Realität – neue Anforderungen, neue Aufgaben und ein Lernfeld für die Kommunikationsbranche. In unserer Interview-Reihe von Deekeling Arndt/AMO beleuchten wir die unterschiedlichsten Perspektiven auf diese gemeinsame Herausforderung. Heute erzählt Dr. Niels Oelgart, Head of Corporate Communications DACH bei Lowell, über die Wandlung zum virtuellen Unternehmen im Eiltempo, Corona als Katalysator und steigende Produktivität in der Krise.


Viele Unternehmen berichten von einem enormen Schub in der Digitalisierung – gerade in den ersten Wochen des Ausnahmezustands. Wie hast du das empfunden und was waren die größten Veränderungen bei euch?

Der Druck des Lockdowns hat plötzlich so einiges möglich gemacht, was zuvor als schwierig galt. Innerhalb von 14 Tagen ist es uns gelungen, für 80 Prozent der Belegschaft mobiles Arbeiten zu ermöglichen. IT-Kapazitäten wurden im Eiltempo hochgefahren, Teams auf die neue Lage eingestellt. Die größte Herausforderung stellten die operativen Bereiche dar. Sie arbeiteten vorher ausschließlich mit Desktop-Systemen. Mobile Lösungen gab es nicht oder waren allenfalls langfristig in der Planung. Kurzerhand haben wir dann in einer Hauruck-Aktion die Rechner in Umzugskisten verpackt und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Hause aufgebaut. Das war ein riesiger Kraftakt. Doch er hat sich ausgezahlt. Wir konnten so nahezu ohne Probleme den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. Die IT-Infrastruktur funktionierte von Beginn an sehr gut. Die Führungsmannschaft stellte sich schnell auf die neue Situation ein und hielt die Teams virtuell zusammen. Die Produktivität in den operativen Bereichen ist seit Corona überraschenderweise höher als vorher. Wir sind in 14 Tagen zu einem virtuellen Unternehmen geworden. Hätte uns das jemand vor einem halben Jahr prognostiziert, dann hätten wir ihn ganz bestimmt für verrückt erklärt.

Die anhaltende Ausnahmesituation hat die Kommunikation und Kultur innerhalb der Unternehmen im Eiltempo verändert. Was möchtet ihr langfristig beibehalten und wo seht ihr dabei die größten Herausforderungen?

Tägliche Zoom-Calls mit den Teams schufen trotz Distanz Nähe. Mit dem Podcast „Lowell Backstage“ (bei Apple, Spotify, Deezer), der die Menschen bei Lowell und ihre Aufgaben vorstellt, behielten wir emotional Tuchfühlung. Wöchentliche All-Hands-Calls der Geschäftsführung via Zoom sorgten für Transparenz und erhöhten enorm das Vertrauen in die Führungsfähigkeit des Top-Managements. Diese Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang mit der Corona-Krise hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Dabei waren die Botschaften nicht immer angenehm. Wir wollen all diese Formate fortführen. Unsere Kolleginnen und Kollegen schätzen sie und fühlen sich noch stärker an das Unternehmen gebunden.

Was in der Krise auch deutlich wurde: Unsere Unternehmenskultur ist viel stärker von äußeren Faktoren abhängig als wir bislang dachten. Wenn Schulen und Kitas schließen, der ÖPNV zum Risikoort wird, dann können wir nicht alle Kolleginnen und Kollegen ins Büro beordern. Unternehmenskultur und Gesellschaftskultur sollten im Einklang sein. Ansonsten verlieren Unternehmen ihre Akzeptanz bei den Kolleginnen und Kollegen.

Was war für dich persönlich das interessanteste Learning aus den letzten Wochen?

Wie gut das mobile Arbeiten funktioniert. Aufgrund der positiven Erfahrungen haben wir eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Zukunft der Arbeit bei Lowell beschäftigt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir vollständig zu alten Gewohnheiten, Mustern und Prozessen zurückkehren. Wir haben jüngst unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt, wie sie zum mobilen Arbeiten stehen. Das Ergebnis war in der Deutlichkeit schon überraschend. Rund 70 Prozent der Befragten können sich vorstellen, ganz von zu Hause zu arbeiten oder lediglich 1 bis 2 Tage in der Woche ins Büro zu kommen. 50:50 Lösungen bevorzugen 20 Prozent. Nur 10 Prozent wollen unbedingt vollständig ins Büro zurück oder nur in familiären Notsituationen von zu Hause arbeiten. Bessere Work-Life-Balance und der Verzicht auf das Pendeln sind die wesentlichen Motive.

Insgesamt haben wir gelernt, dass die Technik weiter ist als der Kopf. Wir haben nicht auf grundsätzliche neue Technologien zurückgegriffen, sondern lediglich die vorhandenen konsequent genutzt. Die Sorge vor geringerem Engagement jenseits der Büroräume war völlig unbegründet. Digitale Technologien machen nicht nur produktiver, sondern auch zufriedener, weil sie Freiheitsgrade und Selbstbestimmung der Belegschaft erhöhen. Corona war und ist ein Katalysator für bereits angelegte Entwicklungen. Bei all den negativen Folgen der Corona-Pandemie ist dies sicher eine positive Erkenntnis des Jahres 2020.

Lieber Niels, vielen Dank für die spannenden Einblicke!

Mehr zu den Herausforderungen in der neuen Corona-Realität in unserem Special BACK TO A NEW REALITY.


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