Dreikönigstagung 2018: Was Kommunikations-Profis gegen die Medien-Misere zu tun haben
Es knistert in der Aura-Eventhalle der alten Zürcher Börse, nur ein Steinwurf vom Paradeplatz weg. Üppig Geld wurde verdient im Mediengeschäft. Jetzt brechen die Erträge aus dem Print weiter ein, die Online-Umsätze machen sie (noch) nicht wett. Der mediale Service-Public steht im politischen Fadenkreuz. Grosse Player gehen Allianzen ein und weiten ihre Geschäftsfelder aus. Ihr einstiges Kerngeschäft – den Journalismus – tragen sie wie einen schweren Rucksack mit. Wie lange noch? Doch können wir ohne ihn erfolgreich wirtschaften, uns entwickeln, als pluralistische Gesellschaft zusammenleben?
Lernen wir schnell genug?
Pietro Supino ist Präsident des Tamedia-Verwaltungsrates und des Verlegerverbandes. Als solcher begrüsst er und regt an, staatliche Mittel in die Förderung von Medienkompetenz (ganze Rede hier) der heranwachsenden Kundschaft zu investieren (anstatt in Mediensubventionen). Er hat Recht. Und doch fürchtet man: Lernt die Gesellschaft rechtzeitig? Und wenn nicht? Wieviel geht kaputt, bis das greift? Wieviel verlieren wir an Infrastruktur, Know-how und Bekenntnis zum Informations-Geschäft abseits von Bachelor und Bauer-ledig-sucht?
Authentizität, Glaubwürdigkeit, Vertrauen – aber woher?
Wir Kommunikations-Profis bringen, seit Jahrzehnten, Unternehmen und Journalisten zusammen. Wir gestalten Beziehungen von Organisationen mit ihren Bezugsgruppen – auch via die «klassischen» Medien. Neu bauen wir Online-Communities, kreieren aufwändig Inhalte (Content) und pushen (bezahlen) sie auf Reichweite. Und lernen dabei wieder Qualitäten wie Authentizität, Glaubwürdigkeit und Vertrauen schätzen. Wer ist hierfür zuständig? Wer beschreibt, erklärt und ordnet heute noch glaubwürdig ein?
So übernehmen Kommunikations-Profis Verantwortung
Es scheint – und hier ergänze ich die die Forderung Supinos – als benötigten nicht nur die Kids, Teens und Twens eine Lektion Medienkompetenz. Kennen die heutigen Chefs und Entscheider den Wert eines kritischen Journalismus? Wieviele Chefärzte, Ingenieure und Manager lesen noch (und bezahlen dafür)? Wie sieht es bei den PR-Schaffenden aus? Wir stehen in der Pflicht und sollten mit bestem Beispiel vorangehen:
- Abos, Bücher, Zeitschriften und Beiträge kaufen (egal ob Print oder Online)
Sowohl privat als auch als Unternehmen. Es braucht neben dem ideellen auch ein finanzielles Engagement. Die Investition von harten Franken in eine gute Medienqualität ist ein Bekenntnis und ein direktes, selbstbestimmtes Fördermittel.
- Journalistische Arbeit verstehen und wertschätzen
Die Ansprüche der Medienschaffenden aufnehmen. Darum wehre man sich gegen Worthülsen und Blabla. Sondern stehe zur Verfügung als wertige und integere Informations-Quelle. Und bereite im Unternehmen relevante Geschichten und Inhalte auf – mit journalistischem Gespür.
- Für gute Medienarbeit einstehen
Sich im Unternehmen als Brückenbauer und Vermittler sehen: Die Beziehungen brauchen nicht immer spannungs- und konfliktfrei zu sein. Die Journalisten-Rolle ist keine angepasste – sie verlangt nach Diskurs und kritischem Sinn. Es hilft beidseitig ungemein, sich in das Gegenüber zu versetzen und seine Bedürfnisse zu verstehen. Medienarbeit kann gut auch weiter gefasst werden. Blogger haben in zeitgemässen Media (und Influencer) Relations ihren Platz.
Damit tragen wir als Branche und als Berufsleute täglich zur Medienqualität und Vielfalt bei. Damit die Schweizer Gesellschaft – und die grosse, funktionierende (KMU-)Wirtschaft spielt darin eine wichtige Rolle – weiter davon profitiert.
Weiterführende Artikel:
Menschen und Unternehmen mit Kommunikation vernetzen. Unterstützen, beraten, inspirieren.
6 JahreJetzt machst Du mich stutzig. Da bin ich gespannt auf gelegentliche Ausführung. Wie prioritär ist die Form? Für «qualitativ hochwertige, journalistisch Inhalte» braucht es doch vor allem die richtige Artikelidee, These, Frage, Einordnung, Aussage, Aufbau, kreative Umsetzung, intellektuelle Aufarbeitung. Wir hören, lesen, denken zu wenig. Ich fürchte, dass wäre «mit Mehrwert» nicht so viel besser. Form follows Function – wenn dann noch aufgearbeitete Infografiken, 3D-Animationen, interaktive Karten dazu kommen – wunderbar – aber ganz zuerst soll die obige Liste abgearbeitet werden. Und bereits für die braucht es eben die erwähnte Medienkompetenz. Übrigens meine ich, dass es gerade beim Tagi und der NZZ schon einige ganz nette Online-Storytelling-Geschichten (Longforms, Interactives, Infographs, ...) – aber das kann sich natürlich gerne entwickeln. Wir bleiben dran. Und zahlen gerne dafür.
Kommunikationsspezialist und Digital Head | Sportenthusiast
6 JahreIch stimme deinen Forderungen voll zu. Aber wieiviel können wir Kommunikatiönler damit tatsächlich zur Lösung des Problems beitragen? Die Ursachen sind dermassen divers und teilweise auch hausgemacht. Meiner Meinung nach haben (zu) viele hiesige Medienhäuser nach wie vor keine richtige Ahnung, wie sie der Digitaliserung begegnen sollen und bieten mir als Leser resp. User keinen wirklichen Mehrwert - gerade Tamedia. Qualitativ hochwertige, journalistische Inhalte allein reichen heute einfach nicht mehr aus, um mich von einem Onlineangebot zu überzeugen. Da muss endlich mehr kommen.