Easy Einstieg in agiles Arbeiten – Tools, die Sie schon morgen einsetzen können. Teil drei: die Retrospektive
Wie geht agiles Arbeiten? Die Scrums und Kanbans dieser Welt versuchen uns das zu erklären, indem sie die wenig greifbaren Werte und Prinzipien agilen Arbeitens in ein Rahmenwerk verpacken, nach dem Sie und Ihr Team dann handeln sollen. Was aber, wenn dieser Rahmen zu groß ist für Ihr Arbeitsumfeld, wenn politische oder kulturelle Hürden der Implementierung im Wege stehen?
In der Reihe „Easy Einstieg in agiles Arbeiten“ lernen Sie Tools aus dem Werkzeugkoffer agiler Arbeit kennen, die so einfach und verständlich sind, dass Sie sie schon morgen einsetzen sollten!
In Teil eins und zwei der Reihe „easy Einstieg in agiles Arbeiten“ haben ich Sie mit dem Taskboard und dem Daily Standup Meeting bekannt gemacht. In der dritten Ausgabe möchte ich Ihnen ein weiteres Meetingformat aus der agilen Welt vorstellen: die Retrospektive. Ein regelmäßiges Teamtreffen mit dem Ziel, schon während des laufenden Projektes Risiken und Verbesserungspotentiale aufzudecken und anzugehen. Für mich als Agile Coach ist die Retrospektive eines der effektivsten Werkzeuge aus dem agilen Werkzeugkasten. Denn Sie ist einfach in das Projektgeschäft zu integrieren (sonst wäre sie nicht Teil dieser Artikelreihe) und der Mehrwert ist auf Anhieb spürbar. Wie für alle Tools dieser Reihe gelten dabei wieder die beiden folgenden Voraussetzungen:
Verantwortlichkeit: Ein Teammitglied ist für die Einführung der agilen Tools zuständig, pflegt Kalendereinträge und ist Ansprechpartner für alle auftretenden Fragen.
Teamgröße zwischen drei und neun: In der agilen Methode Scrum wird eine Teamgröße von drei bis neun Mitgliedern empfohlen – das möchte ich unterstreichen und ergänzen: Je kleiner, desto besser. Weniger Diskussionen, weniger Abstimmungen, mehr Redeanteil pro Person.
Sind diese beiden Punkte erfüllt, kann es losgehen.
Quickstart:
Erstellen Sie für ihr Team einen Serientermin, der alle 14 Tage für 90min ansteht: die Retrospektive. Nach Möglichkeit sollte das Meeting immer im gleichen, „gewohnten“ Raum stattfinden. Stellen Sie ausreichend Getränke und am besten etwas Obst oder Nervennahrung auf den Tisch. Sorgen Sie dafür, dass sich Ihr Team wohl fühlt und eine angenehme Atmosphäre herrscht. Ein Teilnehmer sollte für das Meeting in die Rolle des Moderators schlüpfen. Er oder sie führt mit Fragestellungen oder Aktivierungen durch das Meeting und fasst das Beschlossene im Nachgang für alle zusammen.
In der Retrospektive geht es inhaltlich ausschließlich darum, Ihr Team und Ihren Prozess zu verbessern. Hinterfragen Sie dazu kritisch, was in den letzten zwei Wochen nicht optimal gelaufen ist und suchen Sie gemeinsam Lösungen für alles, was Ihr Team aufhält. Auch zwischenmenschliche Differenzen können und sollen in dieser Zeit angesprochen und gelöst werden. Bewerten Sie die vergangenen zwei Wochen mit Schulnoten oder schreiben Sie positive und negative Punkte auf Post-its. Sprechen Sie über die Dinge, die angepasst oder verbessert werden sollten und halten Sie es für alle Teilnehmer ersichtlich fest.
Vorteile:
- Teambuilding: Auch die Retrospektive unterstütz das Teamgefühl. Die Teammitglieder lernen sich besser kennen und können spätestens alle zwei Wochen offen alle Missstände ansprechen, auch auf persönlicher Ebene und abseits des daily doings.
- Kontinuierliche Verbesserung: In regelmäßigen Abständen wird sich Ihr Team und die Art, wie gearbeitet wird, verbessern. Sie gehen Problemen und Verbesserungspotentialen auf den Grund und vereinbaren Änderungen und Actionitems, die die Effektivität und Effizienz des Teams verbessern.
- Abstand: In der Retrospektive geht es nicht um die opperative Arbeit und das, was Sie jeden Tag 9 to 5 machen. Es geht darum wie Sie es tun. Sie haben also die Möglichkeit, in diesen 90 Minuten von der täglichen Arbeit Abstand zu nehmen und sich die Dinge gemeinsam aus der Vogelperspektive anzusehen.
Protips:
- Inspiration: Es gibt unzählige Vorlagen, Aktivitäten und Inspiration zu Retrospektiven. Googlen Sie zum Beispiel mal den „Retromat“ oder das „Spotify Retro Kid“. In jedem Fall werden Sie nach kürzester Zeit auf jede Menge inspirierenden Inhalt für Ihre nächste Retrospektive stoßen.
- Retrospektive der Retrospektiven: Von Zeit zu Zeit können Sie auch größere Abstände retrospektiv unter die Lupe nehmen. In der Retrospektive der Retrospektiven sehen Sie sich die vergangenen drei, sechs oder zwölf Monate an und haben die Möglichkeit, an größeren Zahnrädern zu drehen.
- Dot Voting: Zu viele Themen für 90 Minuten? Sammeln Sie alle Themen auf Post-its und führen Sie ein sogenanntes „Dot Voting“ durch. Dabei bekommt jedes Teammitglied zum Beispiel fünf Dots, also Stimmen in Form von Punkten, die frei auf den Post-its verteilt werden können. Im Anschluss besprechen Sie die dringlichsten Themen, also die mit den meisten dieser Dots.
In der Praxis erlebe ich immer wieder, dass die Retrospektive gerne vergessen, verschoben, oder gar abgeschafft wird. Das operative Geschäft lässt es scheinbar nur schwer zu, seinen Arbeitsplatz alle zwei Wochen für 90 Minuten zu verlassen um gemeinsam mit dem Team die Flughöhe zu ändern und die Dinge von oben zu betrachten. Genau das braucht es aber, überall wo Teams zusammen arbeiten – agil hin oder her. Räumen Sie sich und Ihrem Team die Zeit frei und nutzen Sie die Retrospektive, um sich zu verbessern. Kontinuierlich und wie immer ab morgen früh.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei und freue mich zu hören, wie der agile Wandel in Ihrem Team läuft. Schreiben Sie mich gerne an oder treten Sie dem agilen Netzwerk bei.
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Zum ersten Teil der Reihe: Das Taskboard
Zum zweiten Teil der Artikelreihe: Das Daily Standup Meeting