Effektiv arbeiten: mit oder ohne KI?

Effektiv arbeiten: mit oder ohne KI?

Studie der Harvard Business School* zeigt worauf es ankommt.

Von Michael Lardy

 

Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) und ihre Integration in verschiedenste Bereiche des Arbeitslebens hat eine Welle von Innovationen und Veränderungen ausgelöst. Eine jüngste Studie der Harvard Business School in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group (BCG) wirft ein klares Licht auf die Auswirkungen von KI auf die Produktivität und Qualität von Wissensarbeitern. In einem groß angelegten Experiment mit 758 Beratern der BCG wurden die Effekte von KI, insbesondere des großen Sprachmodells GPT-4, auf die Bearbeitung komplexer, wissensintensiver Aufgaben untersucht.

Die „gezackte technologische Grenze“: Ein neues Paradigma der Arbeitswelt

Die Studie führt das Konzept der „gezackten technologischen Grenze“ ein, ein Begriff, der die Unvorhersehbarkeit und Uneinheitlichkeit der Fähigkeiten von KI beschreibt. Innerhalb dieser Grenze sind einige Aufgaben leicht von der KI zu bewältigen, während andere, die auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, außerhalb der aktuellen Fähigkeiten der KI liegen. Diese Grenze ist dynamisch und verändert sich mit dem Fortschritt der KI-Technologie, was es für Wissensarbeiter und Organisationen herausfordernd macht, die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der KI richtig einzuschätzen.

Produktivität und Qualität: Die Vorteile der KI innerhalb der technologischen Grenze

Innerhalb dieser technologischen Grenze zeigt die Studie beeindruckende Ergebnisse. Die Berater, die KI zur Unterstützung ihrer Aufgaben nutzten, konnten ihre Produktivität erheblich steigern. Im Durchschnitt bearbeiteten sie 12,2 % mehr Aufgaben und benötigten dafür 25,1 % weniger Zeit. Die Qualität ihrer Arbeit, gemessen an Bewertungen durch menschliche Experten, stieg um über 40 %. Diese Steigerung war besonders bei Beratern bemerkbar, die vor dem Einsatz der KI unterdurchschnittliche Leistungen erbrachten. Diese Gruppe konnte ihre Ergebnisse um 43 % verbessern, während die Berater mit ohnehin schon hohen Leistungen eine Steigerung um 17 % erzielten.

Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist, dass die Nutzung von KI nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität der Arbeit verbessert. Dies ist insbesondere in Bereichen wie Kreativität, analytischem Denken und schriftlicher Ausdrucksfähigkeit von Bedeutung. Die Studie zeigt, dass die KI die Fähigkeit besitzt, hochkomplexe und kreative Aufgaben zu bewältigen, die traditionell als Domäne des Menschen galten.

Risiken und Herausforderungen: Wenn KI an ihre Grenzen stößt

Die Studie zeigt jedoch auch die Risiken auf, die mit der Nutzung von KI verbunden sind, insbesondere wenn Aufgaben außerhalb ihrer technologischen Grenze liegen. In einem speziell entwickelten Szenario, das sich außerhalb dieser Grenze befand, schnitten Berater, die auf KI setzten, signifikant schlechter ab. Die Erfolgsquote lag um 19 Prozentpunkte niedriger im Vergleich zu ihren Kollegen, die ohne KI arbeiteten. Dieses Ergebnis verdeutlicht die Notwendigkeit, die Grenzen der KI zu kennen und ihre Nutzung in Bereichen, in denen sie noch nicht ausgereift ist, zu hinterfragen.

Ein zentrales Problem bei der Nutzung von KI in solchen Kontexten ist die Gefahr, dass Menschen zu sehr auf die KI vertrauen und ihre eigenen analytischen Fähigkeiten vernachlässigen. Dies führt dazu, dass falsche Ergebnisse oder ungenaue Empfehlungen entstehen, die schwerwiegende Folgen haben können. Die Studie unterstreicht die Bedeutung einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der KI und einer intensiven Überprüfung der von der KI gelieferten Daten und Analysen.

Strategien der Mensch-KI-Interaktion: Centauren und Cyborgs

Die Forscher der Harvard Business School identifizierten in ihrer Studie zwei Hauptstrategien im Umgang mit KI: den „Centaur“-Ansatz und den „Cyborg“-Ansatz. Diese Modelle beschreiben unterschiedliche Arten der Mensch-KI-Interaktion und bieten Einblicke in die optimalen Nutzungsstrategien von KI in der Wissensarbeit.

  1. Centaur-Ansatz: Dieser Ansatz erinnert an den mythischen Centauren, ein Wesen, das zur Hälfte Mensch und zur Hälfte Pferd ist. In dieser Strategie teilen Menschen und KI die Aufgaben so auf, dass jede Entität ihre Stärken optimal ausspielen kann. Der Mensch übernimmt Aufgaben, die Kreativität und komplexes Denken erfordern, während die KI repetitive oder analytische Aufgaben bearbeitet. Diese Art der Zusammenarbeit ermöglicht es, die Vorteile beider „Arbeiter“ – Mensch und Maschine – zu maximieren.
  2. Cyborg-Ansatz: Der Cyborg-Ansatz beschreibt eine noch tiefere Integration von Mensch und KI. Hier verschmelzen die Aktivitäten von Mensch und KI auf einer granularen Ebene, sodass der Mensch und die KI gemeinsam an fast jedem Teilaspekt einer Aufgabe arbeiten. Diese enge Verknüpfung ermöglicht es, die Effizienz und Präzision der KI voll auszunutzen, während der Mensch gleichzeitig seine intellektuelle Flexibilität einbringt.

Diese beiden Ansätze bieten wertvolle Erkenntnisse darüber, wie Unternehmen ihre Arbeitsabläufe gestalten können, um das Potenzial der KI optimal auszuschöpfen. Sie zeigen, dass eine flexible, gut durchdachte Integration von KI in den Arbeitsalltag erforderlich ist, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Organisatorische Implikationen: Die Zukunft der Arbeit mit KI

Die Ergebnisse dieser Studie haben weitreichende Implikationen für Unternehmen, die KI in ihre Arbeitsprozesse integrieren möchten. Zunächst einmal wird deutlich, dass der Einsatz von KI nicht nur eine Frage der technischen Machbarkeit ist, sondern auch von der Art der Aufgaben abhängt, die bearbeitet werden. Unternehmen müssen sorgfältig abwägen, welche Aufgaben innerhalb der technologischen Grenze der KI liegen und welche nicht. Dies erfordert eine kontinuierliche Neubewertung der Fähigkeiten von KI, da sich diese Grenze ständig verschiebt.

Zudem zeigt die Studie, dass KI besonders bei komplexen und kreativen Aufgaben erhebliche Vorteile bieten kann, gleichzeitig aber auch das Risiko besteht, dass die Vielfalt und Originalität von Ideen eingeschränkt wird. Unternehmen müssen daher Strategien entwickeln, um diese potenzielle Homogenisierung zu verhindern, etwa durch den Einsatz verschiedener KI-Modelle oder durch gezielte Förderung der menschlichen Kreativität.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Notwendigkeit, Schulungen und Weiterbildung anzubieten, um die Mitarbeiter im Umgang mit KI zu schulen. Die Studie zeigt, dass diejenigen Berater, die eine Einführung in die Nutzung der KI erhalten hatten, signifikant bessere Ergebnisse erzielten als diejenigen, die ohne Anleitung mit der KI arbeiteten. Dies unterstreicht die Bedeutung von Schulungsprogrammen, um die Fähigkeiten der Mitarbeiter im Umgang mit KI zu stärken und sicherzustellen, dass sie die Technologie effektiv und kritisch nutzen können.

Fazit: KI als Partner im Arbeitsalltag

Die Studie der Harvard Business School und der Boston Consulting Group zeigt, dass KI ein mächtiges Werkzeug sein kann, um die Produktivität und Qualität in der Wissensarbeit zu steigern. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass der Erfolg des Einsatzes von KI von der richtigen Einschätzung ihrer Fähigkeiten und Grenzen abhängt. Unternehmen, die es schaffen, KI geschickt und strategisch in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren, können erhebliche Vorteile erzielen. Gleichzeitig müssen sie sicherstellen, dass die menschlichen Fähigkeiten nicht vernachlässigt werden und dass Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, die KI effektiv zu nutzen.

Die Zukunft der Arbeit wird stark von der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine geprägt sein. Diese Studie bietet wertvolle Einblicke in die Möglichkeiten und Herausforderungen, die sich aus dieser Zusammenarbeit ergeben, und liefert wichtige Hinweise darauf, wie Unternehmen diese Transformation erfolgreich gestalten können.

 

*https://www.hbs.edu/faculty/Pages/item.aspx?num=64700

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