Eine Glosse: "Politiker und ihre wechselnden Einsichten – oder: Wie man mit Wankelmütigkeit den Wahlkampf rockt

Eine Glosse: "Politiker und ihre wechselnden Einsichten – oder: Wie man mit Wankelmütigkeit den Wahlkampf rockt

Friedrich Merz, der selbsternannte Patriarch der deutschen Wirtschaft, gibt uns regelmäßig Denksportaufgaben auf. Erinnern wir uns an sein jüngstes Manöver beim Thema Wärmepumpe: Zuerst geißelt er das „grüne Heizungsdiktat“ und verkündet, dass die Wärmepumpe quasi die Abrissbirne der Mittelschicht sei. Wochen später klingen seine Töne versöhnlicher – fast schon wie der Onkel, der nach einem Streit mit Kuchen ankommt, aber immer noch die Kaffeetasse in der Hand zerdrückt. Und jetzt hat er eine neue Baustelle gefunden: Windräder. Die findet er nicht nur hässlich, sondern möchte sie am liebsten gleich rückbauen. Warum? Weil die Zukunft in seinen Augen offenbar besser aussieht, wenn man sie im Rückspiegel betrachtet. Vielleicht sollte man dieses Konzept auch mal auf seine politische Karriere anwenden – ein Platz in der dritten Reihe würde ja schon reichen.

Und dann wäre da noch Markus Söder, der politische Chamäleon-Weltmeister. Manchmal hat man das Gefühl, er steht morgens vor dem Spiegel und fragt sich: „Was soll ich heute vertreten?“ 2011 forderte er vehement die Abschaltung der Atomkraftwerke. Heute schwenkt er die Fahne der Kernkraft-Renaissance so enthusiastisch, dass man glauben könnte, er habe gerade einen Vertrag als Influencer für Uran abgeschlossen. Dass selbst Energieversorger sich von dieser Idee distanzieren, stört ihn nicht. Warum auch? Söder verkauft seine Meinungen wie Wurstsemmeln auf dem Münchner Viktualienmarkt – sie sollen nicht halten, sie sollen schmecken.

Ein weiteres Highlight ist sein Gerede von „Technologieoffenheit“. Klingt modern, oder? Aber was Söder dabei verschweigt: Viele dieser Technologien werden frühestens in 30 Jahren verfügbar sein. Es ist, als würde man jemandem, der Durst hat, eine Cola für 2050 versprechen – Hauptsache, man macht erst mal Eindruck. Dass so etwas am Ende nicht funktioniert, wissen wir alle. Aber Söder weiß auch: Wenn man laut genug ruft, werden die Details von den Parolen übertönt. Besonders pikant wird es, wenn man feststellt, dass die einfachsten Maßnahmen wie ein Tempolimit, die sofort zur Reduktion von CO₂ beitragen könnten, in den Köpfen der beiden Herren gar nicht vorkommen. Stattdessen wird lieber von einer „Technologieoffenheit“ gesprochen, die so offen ist, dass sie selbst naheliegendste Schritte konsequent ausschließt.

Und hier liegt das eigentliche Problem: Diese Herren ändern ihre Meinungen nicht aus Einsicht oder neuen Erkenntnissen. Nein, es geht ums Kalkül. Nicht die besten Lösungen für die Gesellschaft stehen im Fokus, sondern der schnellste Weg zu Applaus – oder zumindest zu Stimmen. Nach der Wahl gibt’s dann wieder das altbewährte Rezept: Steuergeschenke für Vermögende, Entlastungen für Unternehmen, und den Rest der Gesellschaft vertröstet man auf bessere Zeiten, die selbstverständlich nicht kommen.

Nun ist es natürlich menschlich, seine Ansichten zu revidieren. Neue Erkenntnisse, andere Perspektiven – wer würde sich da nicht mal selbst hinterfragen? Aber das ist etwas völlig anderes als die ständigen 180-Grad-Wendungen dieser Herren. Hier geht es nicht um Lernen, sondern um Lautstärke. Was dabei völlig fehlt, ist die Einsicht, dass man mit dem Klima nicht verhandeln kann. Es geht nicht darum, wissenschaftliche Entwicklungen einzuschnüren oder ohne Förderung versanden zu lassen, sondern schlicht darum, das Notwendige zu tun – und zwar jetzt. Aber der Mensch, vergesslich wie er nun mal ist, lässt sich von großen Worten leicht einlullen. So kommen die Leute mit der ganz großen Klappe auch weiterhin durch – fatalerweise gerade jetzt, wo die Herausforderungen eine klare Haltung verlangen.

Und während Merz und Söder ihre nächste Kurskorrektur proben, bleibt uns nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie die Gesellschaft auf den Spielplänen dieser Wendemeister zu einem Nebenschauplatz wird – während die Zeit davonläuft.

Ist es wirklich eine Glosse oder nicht viel mehr eine faktenbasierende Nachricht? Letztlich ist die Frage müßig. Entscheidend ist der Schluss: „….schaut die Gesellschaft weiter zu, wie sie auf den Spielplänen dieser Wendemeister zu einem Nebenschauplatz wird – während die Zeit davonläuft.“ Oder kapiert sie, dass am 23.2. notwendige Veränderungen zum Wohl der Gesellschaft auf dem Spiel stehen und uns eine rückwärtsgewandte Politik massiv schadet.

Dirk Sander

Freigestellter Betriebsrat BAUR-Gruppe

2 Wochen

Nur leider ist von allen anderen Parteien auch nichts anderes zu erwarten. Und das wissen die Menschen. Man darf auch gespannt sein, wie hoch der Anteil der Nichtwähler sein wird.

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