Eine Marketing Welt ohne Kampagnen -  Wie nice wäre das bitte?
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Eine Marketing Welt ohne Kampagnen - Wie nice wäre das bitte?

Ein letztes Mal heißt es für 2022 "Willkommen zu den Agency Founder Insights". Ich verspreche Euch, es gibt keinen Jahresrückblick (zumindest nicht hier an dieser Stelle) und auch mit Zukunftsprognosen werde ich mich bedeckt halten.

Stattdessen sprechen wir über den Sinn und Unsinn von Kampagnendenke, über Kollaboration und wir beschäftigen uns mit dem Begriff der "Postnormalität" und was er für uns bedeuten muss.

Es lebe die Kampagne?

Vielleicht sind wir als Agentur mit dem Fokus auf FMCG-Konzerne ein bisschen voreingenommen, was das Thema Kampagnen angeht, aber ich frage mich wirklich, wer hier der Bewahrer dieses uralten Werkzeugs ist und ich fürchte, da müssen wir Agenturen uns mal wieder selbst an die Nase fassen. Ich weiß, wir haben das schon immer so gemacht und ich weiß, es klingt so einleuchtend und ich weiß, der Kunde kennt es ja auch nur so und ich weiß, die ganzen Silos und Prozesse, die es dafür braucht, die kann man nicht einfach so von heute auf morgen abschaffen... oder doch?

Bevor ihr mich jetzt an die Wand hämmert - natürlich haben Kampagnen irgendwie eine Berechtigung. Als übergeordnete Reise. Aber die Wahrheit ist, dass wir keine 3-4 Kampagnen im Jahr brauchen. Und wir brauchen auch nicht für jeden neuen Produkt-Launch eine neue Kampagne. Oder für jeden Commercial Moment da draußen. Eigentlich brauchen wir nur EINE richtig gute Kampagne. Schreien wir nicht alle laut nach Nachhaltigkeit? Und wäre es nicht voll schön, wenn wir das auch für die digitale Kommunikation hinbekommen könnten?

In der Regel läuft es ja so: Der Kunde kommt mit seinem Kommunikationsauftrag zu seiner Agentur. Und da geht dann die Kampagnen-Maschine an und ... Wir wissen alle, was da passiert. Erst mal 'nen Hero TV Commercial. Dann YouTube Bumber Ads und vielleicht finden wir dann, wenn alles im Kasten ist, zwei Wochen vor dem Go Live der Kampagne auch noch 'ne Agentur, die uns den Spot kurz mal für Social Media zusammen cuttet. Muss ja eigentlich nur ins Hochformat und bisschen Sound drunter.

Ich würde lachen, wenn das nicht die traurige Realität wäre. Und wie oben bereits geschrieben, fürchte ich, dass wir Agenturen nicht unschuldig daran sind, dass es so läuft, wie es läuft. Die Produktionsfirmen haben nicht so richtig Bock auf ein Social-Media-Team am Set. Und überhaupt verstehen die ja auch gar nix vom Handwerk Film. Die Lead-Agentur hat ihre Asset-Liste, die ihr im Nacken hängt und der Kunde vertraut einfach drauf, dass sich so viele Experten auf einem Haufen nicht irren können. Dafür werden sie ja schließlich bezahlt.

Wenn wir mit unserem Team einen Kunden im Social Media Marketing betreuen, bestehen wir immer darauf, Teil der Kampagnen-Shoots zu sein. Das gibt eigentlich immer böse Blicke. Nicht beim Kunden, aber bei den anderen Agenturen. Dabei wollen doch am Ende alle das Gleiche. Eine funktionierende Kampagne. Das Zauberwort ist also - wie so oft - Kollaboration. Nur durch das radikale Andersdenken von Marketing-Maßnahmen (zu dem vielleicht auch der Tod der Kampagnen zählt) kann Marketing heute noch erfolgreich und nachhaltig funktionieren. Wir haben unsere Konsumenten und Communities in den letzten Jahren so sehr mit Kampagnen zugemüllt, dass wir jetzt vor einem Haufen Mist stehen, den wir erstmal wieder gerade biegen müssen. Und das tun wir bitte nicht, indem wir das Problem mit Media Budget bewerfen sondern in dem wir das tun, was man halt macht, wenn die Dinge nicht mehr funktionieren. Wir fragen uns, was wir anders machen können. Eine Frage, die mich schnurstracks zu meinem nächsten Thema führt.

Willkommen in der Postnormalität

Ich würde gerne ein Zitat mit Euch teilen, das mir diese Woche besonders im Kopf geblieben ist. Es stammt aus einem Interview mit Sebastian Baumann, Director Futuring bei Ogilvy Consulting, das in der Horizont veröffentlicht wurde:

"Sollten Sie in irgendeiner Form Verantwortung für eine Marke oder ein Unternehmen tragen, müssen Sie spätestens jetzt tapfer sein. Nur die Tapferen werden es gut durch die Turbulenzen der Postnormalität schaffen"

Den kompletten und überaus empfehlenswerten Artikel findet ihr hier.

Was mir bei dem Thema Umdenken und Tapferkeit vor allem in den Sinn kommt, ist die Sache mit der Empathie. Für die jungen Digitalen ist es vielleicht "einfach", diese neuen Wege neugierig zu beschreiten. Wir dürfen Fehler machen, wir dürfen uns auch mal komplett verrennen und für unsere Learnings dann auf sogenannten Fuck Up Nights gefeiert werden. Wir dürfen tapfer sein. Aber was ist mit all den erfahrenen Marketer:innen, die ihre Marken schon durch die ein oder andere Krise manövriert haben? Ich kann mir nicht vorstellen, gerade in ihren Schuhen diesen Marathon zu laufen. "What got you here won't get you there". Ich habe diese Erfahrung in anderer Form machen müssen dieses Jahr. Und auch wenn dieses Zitat von Marshall Goldsmith sich so easy peasy liest. Es ist eine unfassbar frustrierende Lektion, die viele von uns da gerade lernen müssen. In dieser Postnormalität. Jetzt stellen wir uns vor, mitten in dieser Lektion sind wir einem endlosen Bashing ausgesetzt.

Wann immer es etwas neues zu lernen gibt, sind wir darauf angewiesen, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die uns ermutigen. Die Verständnis und Geduld haben und die vor allem ein aufrichtiges Interesse daran haben, alle mit an den Tisch zu holen. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass die Postnormalität dazu führt, dass wir so miteinander umgehen. Es muss uns gelingen, von der Erfahrung und den Stärken der etablierten Marketer:innen und Kreativen zu profitieren und gleichzeitig gemeinsam diesen neuen Weg hin zur Postnormalität zu beschreiten. Und bitte lasst uns aufhören, junge, talentierte Menschen mit Senior-Titeln zu bewerfen, nur damit sie bleiben. Wir nehmen ihnen damit die Möglichkeit auf wahres Wachstum. Vielleicht ist mein Wunsch ein bisschen naiv. Aber immerhin hat diese Naivität mich bis hierhergetragen. Ich glaube, sie lässt mich auch jetzt nicht im Stich.

What's on the horizon

Damit belasse ich es bei den Themen für dieses Jahr. Ich bedanke mich bei allen Abonnenten und Lesern und kann nur sagen, dass es für mich keine Selbstverständlichkeit ist, eine Stimme zu haben. Eine Stimme, die ich nutzen darf, ohne Konsequenzen zu fürchten, die Leib und Leben bedrohen. Wir lesen uns im Januar mit der ersten Ausgabe der Agency Founder Insights 2023 wieder und bis dahin wünsche ich Euch allen eine spannende Reise auf dem Weg in die Postnormalität.

Eure Julia von Könemann

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