Eine Ministerin und die Medien – Deutschland, was ist los?
Jahrelang haben sich – zu Recht – viele Medien darüber Gedanken gemacht ob sich nicht in den militärischen und paramilitärischen Organisationen unserer demokratischen Staaten (zum Beispiel Deutschland und Österreich)braunes Gedankengut eingenistet hat und dies zum Teil aktiv und zum Teil durch Wegschauen gefördert wurde. Jetzt hat in Deutschland mit Ursula von der Leyen erstmals eine zuständige Politikerin nicht das getan, was zuständige Politiker sonst tun: Weiter wegschauen oder leugnen oder zumindest kleinreden – also wie es so schön heißt – das Nest nicht beschmutzen. Nein, sie hat das Problem beim Namen genannt, nicht klein sondern groß und dringend geredet. Die überwiegende Medienreaktion: Von der Leyen hat ein Problem! Vielleicht. Aber hat nicht die Bundesrepublik Deutschland mit einer Bundeswehr die das Braun nicht rauskriegt das größere Problem? Ist, was die Ministerin in ihren Stellungnahmen jetzt taktisch richtig oder falsch gemacht hat, wirklich das zentrale Thema? Die “Truppe” wünscht sich eine andere Ministerin, besser noch einen Minister. Mit Stallgeruch. Ja, klar. Warum wird nicht erst untersucht, herausgefunden, wer wo wie was absichtlich oder fahrlässig vergurkt hat und dann über Rücktritte diskutiert. Weil Wahlkampf ist? Weil sie für die Medien die bessere Zielscheibe ist als irgendwelche nationalsozialistische Bundeswehrmitglieder im Dunkel? Da dürfen sich dann Management-Theoretiker wie ein Herr Sprenger in der Welt daran abarbeiten. Seine Position: Eigentlich ist die Stimmung in der Truppe das Wichtige. Legitimität definiert sich durch die Zustimmung der Truppe. Eine Führungskraft muss zum Unternehmen, zu den Mitarbeitern passen, sagt der Management-Theoretiker. Super. Wer Mitarbeiter hat, die grundgesetzfeindliche Tendenzen tolerieren, der muss sich einfach anpassen, dann ist er eine gute Führungskraft. Die hat die Bundeswehr da oder dort ja offensichtlich bereits. Frage also: Sind das die, die bei der Truppe Zustimmung haben? Die haben die Führungslegitimität? Im Ernst, Herr Sprenger? Sie fordern von Führungskräften die Loyalität zu Mitarbeitern vor Aufklärung und Bekämpfung von brauner Unterwanderung zu stellen?
Der Großteil der medialen Auseinandersetzung beckmessert um Fragen wie ob das jetzt eine zu große Verallgemeinerung des Problems war, ob eine andere Wortwahl die bessere gewesen wäre oder ob sich die Ministerin bei „ der Truppe“ entschuldigen sollte? Warum sagt „die Truppe“ nicht: Bravo, Frau Minister, wir sind froh wenn mit der Duldung dieser Tendenzen aufgeräumt wird. Weil unser - der Mehrheit der Soldaten, die das nicht wollen- Ruf durch diese braunen Schafe untergraben wird. Wo bleibt diese Stimme der Truppe?
Der Begriff „die Truppe“ ist mir übrigens mindestens so verdächtig wie der Begriff „das Volk“. Jetzt werden sie vielleicht sagen: aber da geht es doch nur um Einzelfälle. Sicher, aber wer schaut bei diesen weg? Die „Truppe“ oder wer? Da geht es nicht um ein börsennotiertes Unternehmen, da geht es um eine öffentliche Einrichtung. Und bei dieser geht wohl der Schutz des Staates und seiner Verfassung vor. Gerade von Deutschland und seinen Medien – die gerade für uns in Österreich einen beispielgebenden Umgang mit der Vergangenheit praktiziert haben - hätte ich mir flächendeckender erwartet, nicht in den Reflex der Hinrichtung des Überbringers der schlechten Nachricht zu verfallen. Aber es gibt auch Ausnahmen. Stellvertretend seien Marion von Haaren mit ihrem Tagesthemen Kommentar oder Stefan Kuzmany mit seinem Kommentar im Spiegel Online genannt, die das eigentlich brennende Problem im Fokus haben und weniger die Haltungsnoten für Frau Von der Leyen.
PS.: Inzwischen hat derWind etwas gedreht. Immer neue Entdeckungen haben gezeigt, dass die Reaktion der Ministerin wohl nicht "Nestbeschmutzen" war, sondern das dringend notwendige öffentliche Wegziehen der Decke unter der da und dort - mehr als vermutet - der braune Lurch nistet!