Eines der modernsten Abwassersysteme der Welt: PORR baut Pumpwerk Emscher
Mit einer Länge von 51 Kilometern schlängelt sich der Abwasserkanal Emscher durch das Ruhrgebiet. Ende des 20. Jahrhunderts galt die Emscher noch als schmutzigster Fluss Europas. Jahrzehntelang stand der Gewässerschutz im Hintergrund. Das von der Emschergenossenschaft geleitete umfassende Generationenprojekt Emscher-Umbau ändert das: Als größtes europäisches Abwasserprojekt wird die Emscher von einem offenen Abwasserkanal zu einem natürlichen Gewässer umgestaltet. Im Sommer 2021 ist der größte und wichtigste Meilenstein im Gesamtprojekt erreicht worden: Das Pumpwerk Oberhausen, realisiert durch die PORR Deutschland, wurde in Betrieb genommen.
Schicht im Schacht. Das von der Emschergenossenschaft geplante Projekt Abwasserkanal Emscher ist eine Geschichte von vielen Enden und Anfängen. Von einem natürlich mäandernden Flüsschen wurde sie zu einem ökologisch toten Gewässer und zur größten Kloake Europas. Doch seit Ende 2021 sind die Emscher und ihre Nebenflüsse wieder abwasserfrei. Nachdem das Emschergebiet nun die modernste Kanalisation der Welt besitzt, wächst dort Emscher-Wein, die Blauflügelige Prachtlibelle ist zurückgekehrt und die Emscher-Groppe, ein urzeitlicher Fisch, der bereits als ausgestorben galt, konnte wieder angesiedelt werden.
„Eigentlich müsste das Ruhrgebiet Emschergebiet heißen“, lautet ein vielgelesener Satz. Denn entlang des auf 85 Kilometer kanalisierten Nebenflusses des Rheins entwickelte sich das einstige industrielle Herz Deutschlands.
Zwar liegt der Anfang des Kohleabbaus im Süden des heutigen Ruhrgebiets, da dort die kohleführenden Schichten von oben abgegraben werden konnten. Doch im Norden der sogenannten Mergelgrenze lagen die Kohlenflöze unter einer rund hundert Meter dicken, in der Kreidezeit entstandenen Mergelschicht in bis zu 3000 Metern Tiefe. Das Ruhrgebiet wandelte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts von einer dörflichen Agrarlandschaft zum größten Ballungsgebiet Europas. Menschen vor allem aus Polen wurden für Bergbau und Kokereien angeworben, Siedlungen entstanden rund um die Zechen und die ungeklärten Abwässer aus Häusern und Industrie landeten in der Emscher und ihren Nebenläufen. Bereits 1882 richtete sich eine Bürgerinitiative mit einem Bericht über die untragbaren, hygienischen Zustände an den preußischen Landtag.
Das Generationenprojekt Emscher-Umbau
Die Quelle der Emscher liegt in Holzwickede bei Dortmund, in Dinslaken fließt sie in den Rhein. Da der Steinkohleabbau ein stetiges Absinken der Landschaft um bis zu 30 Meter und mehr mit sich brachte, konnte erst nach dem Ende des Bergbaus mit der Verlegung unterirdischer Abwasserleitungen begonnen werden. Unterirdische Rohrleitungen hätten dem Druck durch die Bergsenkungen nicht standgehalten. Die bergbaubedingten Höhenänderungen führten auch dazu, dass die Emscher und ihre Nebenflüsse nicht mehr ungehindert fließen konnten. Im Gegenteil, in manchen Abschnitten flossen sie aufgrund der abgesackten Fluss- und Bachbetten rückwärts. Nach starken Regenfällen ergoss sich die stinkende Kloake im Sommer in die Landschaft und das Hochwasser brachte Mücken und Gestank. Um eine Versumpfung zu verhindern und die hygienischen Verhältnisse durch eine Abwasserreinigung zu verbessern, gründeten die anliegenden Städte, die Industrie und die Zechen im Jahr 1899 die Emschergenossenschaft. Flussläufe wurden nach und nach begradigt, in befestigte, mit Betonsohlschalen ausgekleidete Kanalbette gelegt und eingedeicht. Es entstand ein offenes Abwassersystem, das die Abwässer schnell ableiten konnte und die Hochwassergefahr eindämmte. 1907 wurde die erste mechanische Kläranlage der Region, die Emscherkläranlage in Essen, gebaut.
In 30 Jahren zum weltweit modernsten Abwassersystem
Vier bis zum Ende der 1990er Jahre errichtete, dezentrale Kläranlagen waren der erste Schritt. Das Abwasser wird in einer mehrstufigen, mechanisch-biologischen Reinigung geklärt und wieder in die Emscher zurückgeleitet. Die Großkläranlage in Bottrop ist die erste Kläranlage, die sich durch eigen produzierten Strom, teilweise aus erneuerbaren Energien durch eine 3 MW-Windkraftanlage, annähernd energieautark versorgt und jährlich 70.000 Tonnen CO2 einspart. Regenwasserbehandlungsanlagen in den seitlichen Nebeneinzugsgebieten trennen Regen und Abwasser, 113 Schachtbauwerke wurden für Wartung, Belüftung und Bewetterung alleine am Abwasserkanal Emscher errichtet. Für den Korrosionsschutz des Abwasserkanals gegenüber Schwefelgasen sind an 33 Schächten Gebläsestationen in Kombination mit Fotooxidationsanlagen zur Abluftreinigung im Einsatz. Zusätzlich halten Dosieranlagen für Korrosionsschutzchemikalien die Sulfidkonzentration im Abwasser niedrig und sorgen dafür, dass der Gehalt an Schwefelwasserstoffgas in der Kanalatmosphäre dauerhaft unter einem Wert von 1 ppm bleibt. Ein vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg speziell entwickeltes, autonomes Kanalinspektionssystem mit einem schwimmenden Erstinspektionsgerät sowie einem fahrbaren Reinigungsgerät übernehmen die nach der Selbstüberwachungsverordnung vorgeschriebenen Leckageortungen in den nicht begehbaren Kanälen und reinigen den Kanal bei Bedarf.
Das Projekt Abwasserkanal Emscher (AKE)
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Der auf 51 km parallel zur Emscher verlaufende Abwasserkanal Emscher (AKE) ist der zentrale Abwassersammler und führt die Abwässer aus den Nebenkanälen zusammen. Beginnend mit einer Tiefenlage von 8 m in Dortmund verläuft der Abwasserkanal Emscher (AKE) mit einem 1,5 ‰ Gefälle bis zu 40 m tief unter der Geländeoberkante. Das Ziel: Eine Fließgeschwindigkeit des Abwassers von 1,5 km/h zu erhalten, um somit Ablagerungen bei den langen Fließwegen zu verhindern. Ohne drei neue Pumpwerke hätte der Kanal in Dinslaken eine Tiefenlage von 80 m erreicht. Im Pumpwerk Gelsenkirchen befördern 11 Pumpen rund 12.800 l pro Sekunde knapp 26 m hoch und verteilen die Abwasserströme auf die Kläranlage Bottrop und das Klärwerk Emschermündung in Dinslaken. Das Pumpwerk Bottrop hebt das Abwasser mit 10 Pumpen und einer Leistung von 8.100 l/s cirka 32 m in die Kläranlage der Emschergenossenschaft. Am 20. August 2021 wurde das letzte der drei Pumpwerke in Oberhausen offiziell in Betrieb genommen.
PORR baut für Erreichung der Abwasserfreiheit Giganten in 46 m Tiefe
Das neue Pumpwerk Oberhausen führt das Abwasser aus dem tiefliegenden Kanal über einen oberirdischen Freigefällekanal zur Kläranlage Emscher-Mündung in Dinslaken. Das Pumpwerk Oberhausen-Handbach pumpt anfallendes Abwasser aus dem Abwasserkanal Handbach in den hochliegenden Doppelrohrkanal, der zur Kläranlage Emscher-Mündung führt. Die Arbeiten für das das Teilprojekt BA 60.3 Bautechnik Pumpwerk Oberhausen des Abwasserkanals Emscher begannen im März 2017. Die PORR Deutschland, Ingenieurbau Berlin, wurde mit den Arbeiten beauftragt: Sie umfassten die Realisierung der Bautechnik des Pumpwerks Oberhausen, des benachbarten Pumpwerks Oberhausen-Handbach sowie der Außenanlagen innerhalb des Rondells inkl. Zufahrt.
Die erforderlichen Baugruben für beide Pumpwerke wurden in einem separaten Bauabschnitt durch Dritte in Schlitz- und Bohrpfahlbauweise erstellt. Das Pumpwerk Oberhausen besteht aus einem zylinderförmigen Tiefbauteil mit einem Durchmesser von 46 m und einer Gründungstiefe von 44 m unter Geländeoberkante. Das Pumpwerk Oberhausen-Handbach verfügt über einen Durchmesser von 7 m und eine Tiefe von 12 m. Neben der Realisierung der Pumpwerke gehörten noch weitere Ingenieurleistungen zum Bauvorhaben, wie der Bau des 220 m langen Rohrvortriebs, zwei Entspannungsschächte inklusive der Einhausung für die Fotooxidationsanlagen, das Betriebsgebäude mit Pultdach, die Dosierstation inklusive Aussichtsturm, der Rahmenkanal und die Schachtbauwerke, der Rohrleitungsbau und die Realisierung der Außenanlagen.
Inbetriebnahme des Pumpwerks Oberhausen markiert wichtigsten Schritt im Projekt Emscher-Umbau
Die Inbetriebnahme des Pumpwerks in Oberhausen stellte die wichtigste Voraussetzung für die Abwasserfreiheit in den Städten Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herne, Herten, Bochum, Gelsenkirchen, Gladbeck, Bottrop, Essen, Oberhausen, Duisburg und Dinslaken dar. Für die Emscher bedeutet das: Seit Ende 2021 ist der Fluss zum ersten Mal seit mehr als 170 Jahren von seiner Schmutzfracht befreit sein. Denn durch das aktive Pumpwerk wurden schrittweise alle noch verbleibenden Abwassereinleitungen in die Emscher mit dem unterirdischen Abwasserkanal verknüpft. Jetzt fließt sauberes Fluss- und Regenwasser offen in der Emscher, während das Abwasser durch die unter Tage liegenden Abwasserkanäle zur Kläranlage befördert wird.