Employee Experience

 Die neue Welt des Arbeitens oder das „große Kuscheln“
Stockfoto

Employee Experience Die neue Welt des Arbeitens oder das „große Kuscheln“

Die Veröffentlichung der jährlichen Gallup-Studien[1] ist nicht nur für interne Kommunikator*innen ein Downturner. Wenn wieder einmal bestätigt wird, dass im Schnitt nur weniger als 20 Prozent der Beschäftigten eine hohe Identifikation mit ihrem Arbeitgeber haben, müssen die Alarmglocken in allen Unternehmensfunktionen und natürlich in der C-Suite schellen. Ob es nun die Gallup-Alarmglocken, die Pandemie, der Fachkräftemangel oder wirklich die wachsende Erkenntnis um die Bedeutung von Change und Interner Kommunikation ist, die die Veränderungen auslösen – sie gibt es. Zusammengefasst begegnen sie uns unter der Überschrift „Employee Experience“.

Abgeleitet ist der Begriff von „Customer Experience“, der vereinfacht gesagt, das Ziel beschreibt, dem Kunden über alle Berührungspunkte mit einer Marke hinweg ein gleichartig positives Erlebnis zu vermitteln. Übertragen auf Employee Experience bedeutet es nichts anderes: Mitarbeitende, auch zukünftige Mitarbeitende, sollen eine durchgängig positive Erfahrung mit ihrem Arbeitgeber haben – in der Erwartung damit die Identifikation, Motivation und Produktivität zu erhöhen.

Das große Kuscheln hat begonnen

Quer durch alle Industrien, Unternehmensgrößen und Organisationsformen hat also das „große Kuscheln“ begonnen, das sich längst nicht mehr an hippen Sitzsäcken, Kickertischen oder Obstkörben manifestiert.

Die „Employee Experience“ wird vielmehr durch „Touchpoints“ bestimmt, die sich drei Wirkungskreisen Raum, Technologie und Kultur zuordnen lassen. Dabei ist zu betonen, dass sehr individuelle Perspektiven auf die Relevanz dieser Touchpoints gegeben sein können und es demnach auch keine One-Size-Fits-All-Strategie zur Verbesserung der individuellen Employee Experience gibt.

Unabhängig davon dürfte ganz oben in der Hierarchie der oder die unmittelbare Chef*in stehen.[2] In der Hierarche folgen in ihrem Einfluss auf die Erfahrungen Kolleg*innen über die Micro-Kultur in der Arbeitsgruppe, die wiederum von Unternehmenswerten, Führungs- und Informationskultur beeinflusst ist. Das Kollaborationserlebnis, sei es physisch im Büro oder auf digitalen Plattformen, ist ebenso zentral. Aber machen wir uns nichts vor – die Erfahrung einer nicht erfüllenden Arbeit wird alles andere überlagern.[3]

Wie lässt sich die „Employee Experience“ verbessern und wie macht man das aus Perspektive der (internen) Kommunikation?

·      Digitale Transformation verlangt nach dem „Purpose“

Es dürfte kein Zufall sein, dass das Verständnis um „Employee Experience“ gefühlt überall dort besonders ausgeprägt ist, wo die digitale Transformation der Unternehmen auf den Weg gebracht ist. Spätestens, wenn die Digitalisierung disruptiv auf das überkommene Geschäftsmodell wirkt, stellt sich die Sinnfrage: Welchen Platz im Markt und in der Gesellschaft haben wir? Was würde die Welt vermissen, wenn es unser Unternehmen nicht gäbe?

Wer darauf eine überzeugende Antwort hat und die daraus entstandene Vision, Mission und assoziierten Werte in einem systematischen Change-Prozess in den Köpfen und Herzen der Mitarbeitenden verankern konnte, muss sich über die nächsten Gallup-Befragungen keine Sorgen machen.

·      Runter von der Sendetaste

Unternehmen, die „Employee Experience“ ernst nehmen, sind von der Sendetaste gegangen. Stattdessen gilt es, kontinuierlich am Puls zu bleiben, die Interessen und Sorgen, den Gesprächsstoff der Mitarbeitenden aufzunehmen und einfach mal zuzuhören. Dabei helfen die inzwischen verbreiteten Social Intranets, ebenso wie Microsoft Teams oder Yammer mit einer Vielzahl von Insights quantitativer und qualitativer Natur. Tracken lassen sich Themen, die Tonalität oder das Engagement bis hin zur Bildung z.B. eines „Zusammenarbeits-Index“, der nebenbei auch die Wirksamkeit von Maßnahmen abbildet.

·      Perspektivwechsel erforderlich – Von Mitarbeitenden her denken

Für Kommunikateure, die an der Modernisierung ihrer IK-Infrastruktur arbeiten gilt die Empfehlung, den Perspektivwechsel vom Unternehmens- hin zum Mitarbeitenden-Interesse als durchgängiges Prinzip einzubauen. Zur „Employee Experience“ gehört in diesem Zusammenhang auch ganz banal darauf zu achten, dass alle Quellen/Portale über ein Single Sign-On verknüpft sind und die Akzeptanz von Kanälen nicht schon deshalb leidet, weil sie einen eigenen Log-In erfordern. So wird es nämlich nichts mit der Employee Experience.

·      Der Schreibtisch im Büro hat weitgehend ausgedient

Die Pandemie und Hybrid-Arbeit als neuer Standard bietet Chancen, einen Office Space zu schaffen, der die unterschiedlichen Anforderungen im Arbeitsalltag abbildet, sei es ruhig zu arbeiten, zu telefonieren, kreativ zu sein oder ein hybrides Meeting abzuhalten. Was am wenigsten gebraucht wird, ist der traditionelle Schreibtisch und das Einzelbüro, wie wir es kannten. Das Büro wird zum Begegnungsort zwischen Mitarbeitenden, mit Kunden, Partnern und der Öffentlichkeit und die Kommunikation muss daran initiativ mitwirken.

Führungskultur zählt

Den größten Hebel für eine positive Employee Experience ist die Führungskultur, die das Unternehmen sich gibt. Die Pandemie hat hier sicher einen wirkungsvollen Beitrag geleistet, denn die Führungskraft, die in der Vergangenheit Anwesenheit mit Leistung verwechselt hat, ist mit ihrem Latein spätestens seit Corona am Ende. Agilität heißt mehr Verantwortung, intensivere Zusammenarbeit und Selbststeuerungsfähigkeit im Alltag. Das geht nur mit Führungskräften, die ihre Rolle als Coach*in und Mentor*in begreifen und ihren Mitarbeitenden den Raum für agile Strukturen lassen. Kommunikation muss diesen Veränderungsprozess begleiten, nicht nur kommunikativ, sondern auch programmatisch – denn das wird auch von uns erwartet.

Der Text ist eine gekürzte Version des Leitbeitrags der Beyond #18 (Januar 2022) und wurde in dieser Form auf Interne-Kommunikation.net veröffentlicht: Employee Experience – Die neue Welt des Arbeitens oder das „große Kuscheln“ - Interne Kommunikation (interne-kommunikation.net)

[1] Gallup Q12 Employee Engagement Study Gallup 2020 Q12 Meta-Analysis

[2] Laut Gallup Q12 Employee Engagement report ist der Einfluss des Vorgesetzten auf das Employee Engagement mit 70% am höchsten. How to Improve Employee Engagement in the Workplace - Gallup

[3] Deloitte Studie, aaO, S. 48

Frank Weber

weber.advisory - Hochschule Fresenius

2 Jahre

Thomas, stimme zu und möchte verdichten. In meinen Augen sind „Unternehmens- und Führungskultur“ die essenziellen Erfolgsfaktoren in der heutigen Unternehmenswelt. Aber: Viel zu viele C-Levels erachten diese (leider) immer noch als Orchideenthemen.

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen