Energiesteuerentlastung für Motorenprüfstände

Energiesteuerentlastung für Motorenprüfstände

Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29.11.2023 – 4 K 619/23 VE

Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich in einem Urteil mit einer recht exotischen, aber durchaus interessanten Fragestellung aus dem Energiesteuerrecht befasst. Im Streitfall ging es um die Entlastung der Energiesteuer auf Motorenprüfstände für dort eingesetzten Diesel- und Ottokraftstoff.

Die Klägerin betrieb an einem ihrer Standorte, u.a. aus einem Verbrennungsmotor und einer Wirbelstrombremse bestehende Motorenprüfstände. Letztere simuliert eine Last, gegen die der Motor auf dem Prüfstand getestet werden kann und erzeugt u.a. beim Betrieb elektrischen Strom (sog. Wirbelstrom), der nicht entnommen werden kann, da er in Magnetfelder und zum größten Teil in Wärme umgewandelt wird. Die Klägerin beantragte für das Jahr 2021 eine Entlastung von der Energiesteuer nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) i.H.v. 1.279,51 € und nach § 49 Abs. 3 EnergieStG i.H.v. 726,61 € für den verwendeten Diesel- und Ottokraftstoff. Das beklagte Hauptzollamt verwehrte der Klägerin die Entlastung.

Die Klägerin legte gegen die Ablehnung Einspruch ein, den das Hauptzollamt als unbegründet zurückwies. Gegen die zurückweisende Einspruchsentscheidung erhob sie nachfolgend Klage zum Finanzgericht Düsseldorf. Zur Begründung in dem Klageverfahren führte sie u.a. aus, dass eine Wirbelstrombremse als Belastungseinheit der Motorwelle diene. Die in Form von Kraftstoff zugeführte Energie werde ausschließlich zur Stromerzeugung genutzt oder in Wärme umgewandelt. Vereinfacht gesagt werde zunächst Strom erzeugt, sodann folge ein Stromfluss und unmittelbar danach ein Verbrauch des erzeugten Stroms im Rahmen der Bremsfunktion. Da der verbrauchte Strom nicht von außen zugeführt werde, könne er nur innerhalb der Wirbelstrombremse erzeugt werden. Die Wirbelstrombremse sei Erzeuger und zugleich Verbraucher des Stroms. Auch die übrigen Voraussetzungen von § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG seien erfüllt:

Die Verwendung von gekennzeichnetem Gasöl (Anmerkung: Gemeint ist damit mittels eines Farbstoffs gekennzeichneter Dieselkraftstoff, der aufgrund seiner deutlichen Steuerreduzierung einer Kennzeichnung bedarf, um den Einsatz zu den vorgesehenen Zwecken jederzeit kontrollieren zu können) würde zu einer typischen Färbung von Bauteilen führen, die die Messdaten beeinflussen könnten. Das Hauptzollamt trug im Klageverfahren u.a. vor, dass die Wirbelstrombremse ein Mess- bzw. Prüfgerät sei und die Stromerzeugung einen bloßen Nebenzweck darstelle. Ein aus einem Verbrennungsmotor und einer Wirbelstrombremse bestehender Motorenprüfstand sei keine Stromerzeugungsanlage i.S.d. Position 8502 KN. Der mit der Wirbelstrombremse erzeugte Strom werde nicht zum Verbrauch bereitgestellt, sondern zwingend im nächsten Moment verwendet, sodass es sich auch nicht um eine Entnahme seitens des Eigenerzeugers handele, der Strom erzeugt und dieser nahezu zeitgleich eliminiert werde. Durch die Zufuhr von externem Strom zur Erzeugung eines statischen Magnetfeldes sei das Gerät kein Stromerzeuger, sondern ein Stromverbraucher. Der erzeugte Wirbelstrom sei vom Strom- und Energiesteuerrecht nicht erfasst, da er nicht unter Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Energiesteuerrichtlinie – EnergieStRL –) i.V.m. Position 2716 KN falle. Elektrischer Strom i.S.d. Position 2716 KN sei Handelsware, er könne an einer Stelle eingespeist und an anderer Stelle entnommen werden. Auch bei der Entnahme durch Eigenerzeuger seien Einspeise- und Entnahmezeitpunkt nicht identisch. Wirbelstrom falle nicht hierunter und werde daher von der Richtlinie und dem auf ihr beruhenden Stromsteuergesetz (StromStG) nicht erfasst. Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Hauptzollamts nicht und sprach der Klägerin die begehrten Entlastungen nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 49 Abs. 3 EnergieStG zu. Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG wird für nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EnergieStG versteuerte Gasöle auf Antrag eine Steuerentlastung bis zum Steuersatz des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG gewährt, soweit diese in Prüfständen zum Antrieb von Motoren verwendet worden sind, deren mechanische Energie ausschließlich der Stromerzeugung dient, und es aus Gründen der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit oder aus technischen Gründen nicht möglich ist, ordnungsgemäß gekennzeichnete Gasöle zu verwenden. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin, soweit sie die Entlastung nach der vorgenannten Regelung begehrte, nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EnergieStG versteuerte Gasöle in Prüfständen zum Antrieb von Motoren verwendet habe und unwidersprochen dargelegt habe, dass es ihr aus technischen Gründen nicht möglich sei, ordnungsgemäß gekennzeichnete Gasöle zu verwenden, da andernfalls eine Färbung von Bauteilen eintreten würde, die Einfluss auf die Messungen nehmen könne.

Aus Sicht des Finanzgerichts diene die mechanische Energie in den von der Klägerin verwandten Prüfständen ausschließlich der Stromerzeugung. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung des § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG dem Umstand Rechnung tragen, dass es auf Motorenprüfständen, deren mechanische Energie ausschließlich der Stromerzeugung diene, aus technischen Gründen unmöglich sein könne, gekennzeichnetes Gasöl einzusetzen. Unionsrechtliche Grundlage der Vergünstigungsregel sei Art. 14 Abs. 1 lit. a) EnergieStRL, wobei die Regelung eng auszulegen sei, um der durch die Richtlinie eingeführten harmonisierten Besteuerung nicht ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Ziel sei einerseits die Vermeidung einer Doppelbesteuerung des Energieerzeugnisses und andererseits des hierdurch unmittelbar erzeugten Stroms. Nach dem Telos, so das Finanzgericht, müsse daher eine Stromerzeugung i.S.d. § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG eine solche sein, die ihrerseits beim Verbrauch bzw. der Entnahme stromsteuerbar sei. Dies sei hinsichtlich der Entnahme des in der Wirbelstromanlage erzeugten Stroms der Fall. Diese sei nach § 5 Abs. 1 Satz 2 StromStG stromsteuerbar und -steuerpflichtig. § 5 Abs. 1 Satz 2 StromStG setze voraus, dass Strom erzeugt und zum Selbstverbrauch entnommen werde. Es sei ein Wesensmerkmal der Wirbelstrombremse, durch die Erzeugung von Wirbelströmen eine Bremswirkung zu erzeugen und die Belastung des Motors zu simulieren. Der in der Wirbelstrombremse erzeugte Strom sei daher auch tauglicher Steuergegenstand i.S.d. StromStG. Weder das StromStG noch die KN differenzierten nach einzelnen Stromarten oder danach, ob der Strom nach den Gegebenheiten im Einzelfall tatsächlich entnommen und gehandelt werden könne. Es sei ausreichend, so das Finanzgericht, dass tatsächlich Strom erzeugt wurde, der von der Klägerin i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 StromStG zum Selbstverbrauch entnommen worden sei, was einer Entnahme entspräche. Der Umstand, dass der Strom (nahezu) zeitgleich erzeugt und verbraucht werde, führe nicht dazu, dass er nicht unter § 1 Abs. 1 Satz 1 StromStG fallen könne, denn auch bei einem größeren räumlichen Abstand zwischen Erzeuger und Verbraucher sei es gerade ein Wesensmerkmal des Steuergegenstands „Strom“, dass dieser (nahezu) zeitlich erzeugt und verbraucht werde. Das Finanzgericht sah auch das Ausschließlichkeitskriterium des § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG als erfüllt an, da die Klägerin unwidersprochen vorgetragen habe, dass aufgrund des direkten Kraftschlusses zwischen Motorwelle und Wirbelstrombremse mechanisch keine Energie verloren gehe. Die beim Betrieb des Motors notwendigerweise entstehende Wärmeenergie, die von der Klägerin unstreitig nicht genutzt wurde, stünde dem nicht entgegen, so das Finanzgericht. Zwar fehle es an einer § 3 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG entsprechenden Regelung, hingegen sei eine vollständige, verlustfreie Nutzung der im Energieerzeugnis vorhandenen Energie zur Stromerzeugung physikalisch nicht möglich, weshalb notwendige Verluste im Hinblick auf den Telos der Regelung außer Acht bleiben müssten. Für den in der Wirbelstrombremse erzeugten Strom greife auch keine Befreiung von der Stromsteuer, so das Finanzgericht, denn es war nicht erkennbar, dass für das Streitjahr eine Befreiung einschlägig gewesen wäre. Die elektrische Nennleistung der im Jahr 2021 betriebenen Anlagen übersteige zwei Megawatt nicht und eine Befreiung sei zudem davon abhängig, dass der Strom aus erneuerbaren Energieträgern (§ 2 Nr. 7 StromStG) erzeugt werde, was vorliegend nicht der Fall war. Auch eine unmittelbare Anwendung von Art. 21 Abs. 5 UAbs. 3 Satz 2 EnergieStRL scheiterte aus Sicht des Finanzgerichts, da die Regelung durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG in der jeweils gültigen Fassung hinreichend in nationales Recht umgesetzt worden sei. Die Klägerin hatte folglich auch einen Anspruch auf die beantragte Entlastung von der Energiesteuer nach § 49 Abs. 3 Satz 1 EnergieStG, wonach für nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EnergieStG versteuerte Energieerzeugnisse auf Antrag eine Entlastung bis auf den Betrag nach dem Steuersatz des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. b) EnergieStG gewährt werde, soweit sie zu gewerblichen Zwecken nachweislich verheizt oder zum Antrieb von Gasturbinen und Verbrennungsmotoren in begünstigten Anlagen nach § 3 EnergieStG verwendet worden seien, was der Fall war. Das Finanzgericht hat allerdings zugleich die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, die aktuell bereits unter dem Aktenzeichen VII R 39/23 beim Bundesfinanzhof anhängig ist. Darin sollen folgende Rechtsfragen zur Entscheidung gelangen:

  1. Handelt es sich bei Strom, der innerhalb einer Wirbelstrombremse erzeugt und zur Erzeugung eines elektrischen Magnetfeldes innerhalb der Wirbelstrombremse verwendet wird, um Strom der Position 2716 und somit um einen Steuergegenstand nach § 1 Abs. 1 Satz 1 StromStG beziehungsweise Art. 2 Abs. 2 EGRL 96/2003?
  2. Kann für diese Motorenprüfstände damit eine Energiesteuerentlastung nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 und § 49 Abs. 3 EnergieStG gewährt werden?

Verfasser: Rechtsanwalt Heiko Panke

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Möllenhoff Rechtsanwälte

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen