Energiestrategie 2050 des Bundes
«Die Energiewende ist ein Wachstumsimpuls»
Beat Dobmann befasst sich als Innovations-Mentor im Hightech Zentrum Aargau vorwiegend mit Energiethemen. Er ist Maschinenbauingenieur und Zentralpräsident von Swiss Engineering STV.
Laut Beat Dobmann ist die Schweizer Stromversorgung verglichen mit anderen Staaten heute schon sehr nachhaltig. Im Interview sagt er, wie wir die Ziele der Energiestrategie erreichen und welche wirtschaftliche Bedeutung die Energiewende hat.
Wie sehen Sie die Energiezukunft der Schweiz?
Die bestimmenden Trends der Energiewirtschaft heissen Dekarbonisierung und Atomausstieg. Der sich abzeichnende Klimawandel und die schwindende Akzeptanz der nuklearen Stromproduktion erfordern diesen Umstieg.
Wie beurteilen Sie den Umbau aus technischer Sicht?
Die nukleare Bandenergie wird durch dezentrale Stromproduktion ersetzt. Dadurch werden verschiedene Speicherlösungen und ein aktives Lastmanagement notwendig, um die Energieerzeugung mit dem Bedarf abzugleichen.
Die Abkehr von fossilen Energieträgern wird eine Zunahme des Stromverbrauchs auslösen. Diese Zunahme lässt sich durch Zubau von Produktionskapazitäten und Umsetzung von Effizienzpotenzialen abfangen. Der Umfang des Netzausbaus wird massgeblich durch Speicherlösungen, Lastmanagement und den Grad an Eigenenergieversorgung bestimmt.
Wo steht die Schweiz mit erneuerbarer Energie?
Der Gesamtenergieverbrauch in der Schweiz liegt etwa bei 230 TWh/a und wird mengen- und anteilsmässig aus folgenden Quellen bereitgestellt: 65% (150 TWh) fossil, 10% (23 TWh) nuklear und 15% (35 TWh) Wasserkraft, 7% (16 TWh) andere erneuerbare und 3% diverse andere (Quelle BFE). Dank dem hohen Anteil an Wasserkraft ist die Schweizer Stromproduktion verglichen mit andern Staaten schon heute sehr nachhaltig.
Ist erneuerbare Energie schon rentabel?
Die Photovoltaik ist in der Schweiz im Neubaubereich bereits heute rentabel. Auch Windenergie ist wirtschaftlich rentabel. In der Schweiz liegt das Problem eher in der politischen Verhinderung des Ausbaus. Nuklearproduktion wird laufend teurer wegen wachsender Risikoauflagen und der ungelösten Lagerung des Atomabfalls. Bei einer realistischen Vollkostenrechnung sind nukleare Kraftwerke nicht gewinnbringend zu betreiben. Wasserkraft wäre rentabel, wenn der Strommarkt aktuell nicht durch Subventionen verzerrt würde.
Das heisst erneuerbare Energie kommt so oder so?
Der Umbau zu einer nachhaltigen Energiezukunft ist absehbar: Erneuerbare Energien werden günstiger, die nukleare Stromproduktion wird teurer. Elektromobilität wird sich gegenüber der fossilen Mobilität alleine wegen der tieferen Betriebskosten durchsetzen. Aus dem gleichen Grund werden sich Wärmepumpen gegenüber fossilen Wärmeerzeugern durchsetzen. Die Politik kann diesen Wandel beschleunigen, lenken oder bremsen, aber nicht mehr aufhalten.
Die Energiestrategie führe zu hohen Kosten für Bevölkerung und Wirtschaft,sagen Vertreter der SVP. Wie sehen Sie das?
Die infolge der Lenkungsmassnahmen kurzfristig steigenden Kosten der nichterneuerbaren Energien führen zu einer Verlagerung zu den erneuerbaren Energien und damit wieder zu sinkenden Kosten. Die SVP unterstellt in ihrer Argumentation fälschlicherweise, dass der Energiemix konstant bleibt, d.h., dass die Lenkungsmassnahmen keine lenkende Wirkung entfalten werden.
Die SVP sagt weiter, dass durch diese Kosten die Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz Schaden nimmt.
Der Anteil der Energie an den Gesamtkosten ist für die meisten KMU marginal. Energieintensive Branchen kann der Bund von den Lenkungsabgaben befreien, dass keine wesentlichen Wettbewerbsnachteile entstehen. Was für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft wirklich wettbewerbsrelevant ist, ist der Frankenkurs. Bei einem jährlichen Exportvolumen von ca. 200 Mrd. Fr. schmälert die Frankenaufwertung von 1 Rappen die Gewinne um 2 Mrd. Der Frankenkurs schadet unserer Wirtschaft also ungleich mehr als eine vorübergehende Verteuerung der Energie.
Bis 2035 soll der Gesamtenergieverbrauch um 43 % und der Stromverbrauch um 13 % gesenkt werden. Sind das realistische Ziele?
Diese Ziele sind ambitiös, aber langfristig realistisch. Die Mobilität verbraucht etwa 80 TWh, die Wärmeproduktion knapp 100 TWh an fossiler Energie. Ersetzt man die Hälfte der fossil angetriebenen Fahrzeuge durch Elektrofahrzeuge, spart man 40 TWh an Treibstoffen ein und verbraucht ca. 8 TWh mehr Strom. Ersetzt man die Hälfte der Öl- und Gasheizungen durch effiziente Wärmepumpen, spart man 50 TWh fossile Energie und verbraucht ca. 15 TWh mehr Strom. Die technischen Lösungen dazu sind marktreif. Deshalb ist die Einsparung von 43% der fossilen Energien innerhalb der nächsten 18 Jahre ein greifbares Ziel.
Rechnet man die Mehrverbräuche an Elektrizität auf, muss der Stromverbrauch um 33 TWh (35%) gesenkt werden. Diese Einsparungen kommen durch bessere Dämmung von Gebäuden, Ersatz von Elektroboilern und Speicherheizungen durch Wärmepumpen, Einsatz von LED-Beleuchtungen und effizienteren Elektrogeräten zustande. Prof. Anton Gunzinger hat in detaillierten Simulationsrechnungen nachgewiesen, dass die Schweiz in der Lage ist, den ganzen Energiebedarf durch erneuerbare Energien zu decken.
Unter diesem Blickwinkel sind die bis 2035 geforderten Ziele mehr als erreichbar.
Was nützen unsere Anstrengungen, wenn andere Nationen wie China oder auch die USA nichts tun?
Wenn die Staatengemeinschaft nichts tut, verpuffen unsere Anstrengungen gegen den Klimawandel wirkungslos. Neben der ökologischen Wirkung hat die Energiewende aber wichtige ökonomische und politische Effekte. Der Umbau der Energieversorgung ist ein Innovationsschub, der in der Gesamtwirtschaft neue Arbeitsplätze schafft, unsere nationale Autonomie stärkt, die Auslandabhängigkeit verringert und mehr Wertschöpfung im Inland behält. Die Energiewende hat also neben der dringend notwendigen ökologischem Wirkung für die Schweiz sehr wichtige ökonomische und politische Effekte, auf die wir nicht verzichten sollten.
Texte und Konzepte für die Vermarktung, konkret – pragmatisch – humorvoll
4 JahreYes