Entgeltgleichheit von Männern und Frauen – Neues Urteil zum Gender Pay Gap – Was müssen Sie als Arbeitgeber beachten?
Das LArbG Stuttgart hat mit Teilurteil vom 19. Juni 2024 (4 Sa 26/23, Quellen: juris sowie Medienmitteilung des LArbG Stuttgart) einer Angestellten eines im Großraum Stuttgart ansässigen Unternehmens die von ihr unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) eingeklagte höhere Vergütung für das Jahr 2021 teilweise zugesprochen. Erfolgreich war die Klägerin im Hinblick auf zwei ihrer Gehaltsbestandteile (Grundgehalt und Dividendenäquivalent).
Der rechtliche Hintergrund
Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.
Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Hintergrund des EntgTranspG sind Bestimmungen aus dem Recht der Europäischen Union. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten.
Beschäftigten steht zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebotes ein individueller Auskunftsanspruch gem. § 10 EntgTranspG zu. Dieser Anspruch besteht jedoch erst ab einer Betriebsgröße von in der Regel mehr als 200 Beschäftigten. Zudem ist ein Vergleichsentgelt nicht anzugeben, wenn die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des anderen Geschlechts verrichtet wird.
Der aktuelle Fall
Im hier betroffenen Fall ist die Abgrenzung der einschlägigen männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe von deren Vergütung zwischen den Parteien unstreitig. Demnach sind jedenfalls die Gehaltsbestandteile Grundgehalt und Dividendenäquivalent bei der Klägerin geringer als beim Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe.
Eine derartige Vergütungsdifferenz ist nach Ansicht der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts (im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19) ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit. Die entsprechende Vermutung muss die Arbeitgeberin im Sinne eines Vollbeweises widerlegen.
Hier bedeutete das, dass die Arbeitgeberin die prozessuale Last hatte, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorlag, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung der Klägerin geführt haben. Zulässige andere Gründe wären beispielsweise geschlechtsunabhängige Differenzierungen nach der Berufserfahrung, nach dem Dienstalter oder nach der Qualität der Arbeit gewesen.
Hier hatte sich die Arbeitgeberin zwar darauf berufen, dass die männlichen Kollegen der Klägerin durchschnittlich etwas länger im Unternehmen beschäftigt seien und dass die Klägerin unterdurchschnittlich „performed“ hätte.
Damit hatte sie jedoch aus Sicht der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts die von ihr angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. Denn aus ihren Angaben ging nicht hervor, wie sie die Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ und „Arbeitsqualität“ im Einzelnen bewertet und wie sie diese Kriterien zueinander gewichtet hatte. Damit hatte sie keine Tatsachen angegeben, die eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte ermöglicht hätten. Dies wirkte sich zu ihren Lasten aus.
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Das Wichtigste / Praxistipps
1. Besteht die Vermutung einer Benachteiligung bei der Entlohnung, tragen Sie als Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Sie müssen insofern als Arbeitgeber Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.
2. Als Arbeitgeber müssen Sie in diesem Zusammenhang darlegen, dass die festgestellte unterschiedliche Vergütung durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, zu erklären ist und dass die Ungleichbehandlung auch tatsächlich ausschließlich auf anderen Gründen als dem unterschiedlichen Geschlecht der Arbeitnehmer, also auf einem geschlechtsunabhängigen Unterschied beruht.
3. Die vorgebrachte Erklärung muss auf einem legitimen Ziel beruhen. Die zu dessen Erreichung gewählten Mittel müssen hierzu geeignet und erforderlich sein. Auf Kriterien und Faktoren, die im Ergebnis Frauen stärker nachteilig betreffen als Männer, kann eine Entgeltdifferenzierung nur gestützt werden, wenn sie der Art der Arbeit geschuldet sind und zu den (legitimen) Bedürfnissen und Zielen des Unternehmens in Beziehung stehen.
4. Zulässig wären z.B. geschlechtsunabhängige Differenzierungen nach der Berufserfahrung, nach dem Dienstalter oder nach der Qualität der Arbeit. Denkbare objektive Kriterien, die unterschiedliche Entgelthöhen rechtfertigen, können hierbei z.B. Sprachkenntnisse, Abschlüsse, (Zusatz-)Qualifikationen, Auslandserfahrung o.ä. sein.
5. Bloße allgemeine Behauptungen genügen zur Widerlegung der Vermutung nicht. Als Arbeitgeber müssen Sie vielmehr einen Vortrag leisten, der eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung durch die Gerichte ermöglicht. Gelingt Ihnen dies nicht, so geht dies zu Ihren Lasten.
6. Die Entscheidung unterstreicht, dass sich umsichtige Arbeitgeber darauf einstellen müssen, sich in Zukunft intensiver mit der Dokumentation und Begründung unterschiedlicher Entgelthöhen auseinander setzen zu müssen, damit diese im Rahmen eines etwaigen Arbeitsgerichtsprozesses umfassend und detailliert dargestellt werden können.
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Bei Fragen und Anmerkungen zu dieser Entscheidung sprechen Sie mich gerne an.
Jens Buchwald
Fachanwalt für Arbeitsrecht