Episode 20: Wer investiert in was, und warum?
Christoph Räthke | www.angelsofdeutschland.de

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Jede Art von Investmentvehikel hat ihren durchgerechneten Business Case, der sich bewusst für bestimmte Parameter entscheidet und gegen andere. Das trifft auch auf den individuellen Angel zu, der sich überlegt, welchen Anteil seines Vermögens er warum in welche Art von Startups investiert. Geld ist Geld, die Regeln von Investment, Gewinn und Verlust sind für alle gleich; die einzige Distinktion ist letztlich, Bereiche zu identifizieren, in denen man wenigstens marginal bessere Erfolgschancen zu haben glaubt als alle anderen. Im Laufe von Angels Of Deutschland haben wir gehört, welche Bandbreite diese Wahl haben kann. Daniel Höpfner setzte mit B10.vc nicht auf eine bestimmte Branche, sondern eine angestrebte Rolle als Investor: der erste und einzige sein, insgesamt nur 10 Investments machen, viele davon in einem gemeinsamen Büro zusammenholen, sehr eng Mentor sein. Ganz im Gegenteil dazu zum Beispiel Christian Nagel mit Earlybird: Erst in der A-Runde einsteigen und mit großen Fonds viele Startups idealerweise lange und mit potenten Co-Investoren begleiten, um vielleicht doch das eine oder andere Milliardenunternehmen zu kreieren. Jeder Ansatz hat seine eigene Logik, ist eine eigene Wette und Hoffnung - und jeder Ansatz schließt auch andere aus. Auf den ersten Blick ist das nicht immer gut zu erkennen, denn kein Investor beginnt seinen Pitch oder seine Website mit einem Statement darüber, wo er NICHT investiert. Leider, möchte ich sagen, denn das würde oft einiges klarer machen.

Unter anderem deswegen sind Gründer frustriert darüber, dass Investment-Vehikel Y ihnen abgesagt hat, obwohl man doch eine extrem vielversprechende Geschäftsidee hat - und nur darum geht es doch, oder? Nein. In AoD-Folge 19 sprachen wir über Impact Investment und die Problematik, dass sie so schwer zu finanzieren ist. Wenn man die Diversifizierung und Spezialisierung des Investmentmarktes versteht, merkt man, dass da zwei Dinge zusammenkommen. Das eine und naheliegende ist, dass in diesem Segment tragfähige Geschäftsmodelle schwerer zu bauen sind, aber das kriegt man gelöst. Bei betteries.com, dem Startup aus der 19. Folge, ist es nicht schwer, Wertschöpfung und potentielle Profitabilität zu erkennen. Das andere ist aber, dass betteries ein Hardware-Geschäft betreiben will - und gefühlt 95% aller Investoren nicht in Hardware investieren. Das ist ein feiner, aber wichtiger Unterschied, der für den Gründer Rainer Hönig bedeutet, dass er Investoren nicht nur für die Nachhaltigkeit seiner Firma gewinnen muss, sondern vor allem für die Komplexität eines jeden Hardwareprojekts.

Ich habe diese typischen Wer-investiert-in-was-Kombinationen hier mal in einem Schaubild vereinfacht dargestellt.

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Hinter allen Investmentvorlieben und -Ablehnungen stehen Jahrzehnte der Erfahrung mit Konstellationen, die wieder und wieder schief gegangen sind, die sich dem neuen Angel und erst recht dem Gründer aber nicht sofort erschließen. Vor ein paar Wochen hatte ich eine LinkedIn-Diskussion mit einer Frau, die sich über meine Einschätzung einer Aussage des letzten Female Founders Monitors ärgerte - dass nämlich der Umstand, dass die befragten Startups mehrheitlich von Einzelgründerinnen geleitet wurden, der wesentliche Grund für ihre VC-Unfinanzierbarkeit ist. Ihrer Ansicht nach war das Diskriminierung - wo steht denn geschrieben, dass nur Zweier- oder Dreierteams für Risikokapital in Frage kommen?

Tja - geschrieben steht das in der Erfahrung von hunderten Investoren, die in Einzelgründer investierten und ihr Geld verloren, als der Gründer krank wurde und niemand das Geschäft weiterführen konnte. Meine extreme Vorsicht mit Hardware-Startups speist sich aus den Teams, die in meinem Accelerator waren und an Dingen wie Vorfinanzierung der Bauteilproduktion, Gewährleistung, Logistik und Distribution scheiterten. Nichts davon gibt es bei Software, weswegen Hardware-Startups fast nur aus öffentlichen Mitteln fremdfinanziert werden (und vielleicht von der Crowd, die ein cooles Gadget will, aber nicht den langfristigen Aufbau einer Firma finanzieren). Diskriminierung? Nein - der Privatmann kann sich diese erhöhten Risiken in einem ohnehin schon riskanten Umfeld einfach nicht leisten. Wer einen Online-Shop gründet, stößt auf eine Investorenlandschaft, die sehr, sehr oft erlebt hat, dass im E-Commerce das Produkt egal ist und am Ende nur die Fähigkeit, große Budgets auf die richtigen Marketingkanäle aussteuern zu können, zählt. Ohne tiefe Taschen und mit allen Wassern gewaschene Google AdWords-Expertise geht man da nicht ran, egal, wie schön vielleicht der Modeschmuck für Haustiere ist.

Die (oft schwer zu schluckende) Quintessenz für Gründer und Angels ist deswegen, dass Investment oft nicht in ein tolles Produkt gemacht wird, sondern in die Regeln und Vorgaben, die sich ein Investor gesetzt hat, um seine eigene Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen.

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