EQS Concept   What a feast for the eyes
media.mercedes-benz.com

EQS Concept What a feast for the eyes

Das beste Auto der Welt ! So bezeichnet Mercedes die S-Klasse. Und nun auch den EQS als elektrisch betriebenes Pendant zum Verbrenner. 

Jetzt stellt sich die nicht minder spannende Frage, wie es um die formale Attraktivität des EQS bestellt ist.

Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

In einer Pressemitteilung von Mercedes vom 28.03.2021 berichtet der Konzern, dass der EQS als komplette Neukonzeption auf einer reinen Elektroarchitektur steht, welche ein „konsequentes Purpose-Design“ ermöglicht. Hiermit ist das sogenannte „Cab-Forward-Design“ des EQS gemeint, das nichts anderes bedeutet als eine weit vorne platzierte Kabine, die Raum schafft für eine großzügig bemessene Fahrgastzelle.

So weit, so gut! Doch genau hier befinden wir uns an einem höchst kritischen Punkt in Sachen automobiler Ästhetik – oder noch konkreter – in Sachen grundlegender Automobildesignphilosophie. Denn bereits mit dem Beginn der serienmäßigen Automobilisierung steht eine imposante, lang gestreckte Motorhaube für automobile Potenz, für verschwenderische Großzügigkeit, für Luxus und damit für ein Höchstmaß an Begehrlichkeit.

Und nun kommt Mercedes und wagt das Unmögliche. Eine stattliche Luxuslimousine mit über fünf Metern Länge – und einer Motorhaube von der Länge eines VW Golf. Was soll man dazu sagen?! 

Ich meine, hierzu braucht es zunächst eine gehörige Portion Mut, Selbstvertrauen und das nötige Können, um mit dieser riesigen Bürde im Gepäck eine Luxuslimousine zu kreieren, welche den über Jahrzehnte vorherrschenden und nach wie vor existenten Erwartungen an Eleganz und Souveränität gerecht werden kann – und infolgedessen wie das konventionell angetriebene Pendant zu einem weltweiten Markterfolg generiert. Und all dies in der Gestalt eines Cab-Forward-Designs!

Grund genug, diese gewagte formale Extravaganz im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Design-Markterfolgs-Qualität des Fahrzeugs gründlich zu analysieren. 



Die Design-Markterfolgs-Qualitäten des Mercedes EQS im Detail


ÄSTHETISCHE QUALITÄT   

Die Front

Dem Niveau der Fahrzeugklasse entsprechend, zeigt der EQS einen respekterbietenden Gesichtsausdruck. Insbesondere die nach außen hin, nach oben schwingenden Scheinwerferoberkanten mit spitz zulaufendem Zwickel sind äußerst gelungen. Diese Ausgestaltung der Scheinwerfer kombiniert Dynamik mit dem geforderten Selbstbewusstsein und einer ordentlichen Portion Coolness. Auch die Scheinwerferdimensionen sowie deren Positionierung passen perfekt.

Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

media.mercedes-benz.com

Hinsichtlich des Mauls des EQS variiert die Attraktivität je nach Wagenfarbe beträchtlich. Schwarz lackiert, wirkt die Maulöffnung im Ganzen harmonisch-stimmig und integriert sich sehr schön in den Frontbereich. In helleren Tönen und insbesondere in weiß lackierte Fahrzeuge lassen die Fahrzeugfront im Ganzen deutlich zu komplex erscheinen. Hier zeigt sich durch den Hell-Dunkel-Kontrast ein unruhig wirkendes Formenspiel, das diesem Fahrzeug in beträchtlichem Maße seine oben beschriebenen Qualitäten beeinträchtigt.

Die logische Konsequenz hieraus dürfte sein, dass der Mercedes EQS in weit überwiegendem Maße in dunkler Wagenfarbe geordert werden wird – was wiederum kein Beinbruch und auch keine Überraschung ist, da gedeckte Farben Fahrzeugen in dieser Klasse bekanntlich besonders gut stehen.

Bezogen auf die Fahrzeugfront an sich, zeigen sich ausgewogene Proportionen im Hinblick auf Höhe und Breite. Dementgegen ist die Ausprägung des Mauls, welche sich bei seitlicher Betrachtung des Fahrzeugs zeigt, nach vorne hin etwas zu voluminös ausgefallen. Sprich, sie wölbt sich im Ganzen zu stark nach außen und weckt so Assoziationen in Richtung einer wenig attraktiven Maul-Lippen-Anmutung, welche durch das fliehende Kinn noch verstärkt wird.

An dieser Stelle zeigt sich die Problematik immer wieder auftretender  Unvereinbarkeiten von formaler Symbolik und möglichst geringem Cw-Wert.

Das Profil 

Nun kommen wir zu dem – bereits zu Anfang erwähnten – mit Abstand sensibelsten Aspekt des Designs des Mercedes EQS. Dem Fahrzeugprofil. Hier stellt sich die Grundsatzfrage, ob, beziehungsweise inwiefern es gelingen kann, eine Luxuslimousine mit Cab-Forward-Design zum Erfolg, sprich Markterfolg, sprich Bestseller werden zu lassen. Kann ein solches Fahrzeug mit einer für diese Fahrzeugklasse äußerst kurz geratenen Frontpartie und zudem Fließheck – also mit einem waschechten Purpose-Design – nachhaltig begeistern, auch wenn sich der hier vorherrschende hohe Neuigkeitswert nach und nach verflüchtigt?

Welch ein Glück, dass Mercedes bereits ein Gestaltungselement im Repertoire hat, das sich bei mehreren Modellen als hochgradig wirksamer Attraktivitätsaspekt beziehungsweise „Markterfolgs-Booster“ herauskristallisiert hat: das vom Hersteller so bezeichnete „One-Bow-Design“. Laut Mercedes wird hierbei die Dachlinie über der Fahrgastzelle so straff gespannt wie ein Bogen, was dem Fahrzeug in Kombination mit der flachen Front eine coupéhafte Silhouette verleiht. 


Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

media.mercedes-benz.com

Zudem ist es Mercedes gelungen, durch einen weiteren Kunstgriff den in der Profilansicht erschreckend kurz geratenen Vorderwagen zumindest in der Frontansicht sowie Schräg-Vorne-Perspektive deutlich stattlicher wirken zu lassen als er realiter ist. Die Lösung ist ein optisch betont voluminöser, leicht gewölbter  sowie geschrägter Haubenbereich.

Trotz alledem entsteht bei einer Profilbetrachtung ein nicht unerhebliches Störgefühl.Treibt man diese Problematik auf die Spitze und komprimiert die Silhouette, so entsteht im Nu eine Van-artige Gesamtanmutung – sprich ein nutzenfokussiertes Automobil, das Lichtjahre entfernt zu sein scheint von dem Glanz der Mercedes-Premium-Liga.

Zudem ist es Mercedes gelungen, durch einen weiteren Kunstgriff den in der Profilansicht erschreckend kurz geratenen Vorderwagen zumindest in der Frontansicht sowie Schräg-Vorne-Perspektive deutlich stattlicher wirken zu lassen als er realiter ist. Die Lösung ist ein optisch betont voluminöser, leicht gewölbter  sowie geschrägter Haubenbereich.

Trotz alledem entsteht bei einer Profilbetrachtung ein nicht unerhebliches Störgefühl. Treibt man diese Problematik auf die Spitze und komprimiert die Silhouette, so entsteht im Nu eine Van-artige Gesamtanmutung – sprich ein nutzenfokussiertes Automobil, das Lichtjahre entfernt zu sein scheint von dem Glanz der Mercedes-Premium-Liga.

Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

Retusche P. Rosenthal

Werfen wir an dieser Stelle einen Blick auf eine äußerst gelungene, bereits seriennahe Studie des EQS, so ist bedauerlich, dass für eine hohe Design-Markterfolgs-Qualität ausschlaggebende formale Elemente und Grundparameter nicht in die Serie hinübergerettet werden konnten. Diese hätten dem Image der Marke in Sachen Progressivität  sowie dem Markterfolg nochmals richtig Schwung gegeben – und dem Rivalen Tesla ordentlich das Wasser abgegraben.

Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

media.mercedes-benz.com


Das Heck 

Betrachten wir nun das Hinterteil des Mercedes EQS. Durch das im Rahmen des One-Bow-Designs konsequent bis zum Fahrzeugende durchgezogene Fließheck sowie einem nach hinten-unten zu, visuell ausladenden Fahrzeugabschluss fehlt es hier an visueller Dynamik. Insbesondere im Vergleich zu dem oben gezeigten, höchst gelungenen Concept Car offenbart die Serienausführung gewisse Defizite im Hinblick auf ein ästhetisch-knackiges Hinterteil.

Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

media.mercedes-benz.com


Demgegenüber zeigt der Gesichtsausdruck der Heckpartie – visualisiert durch die gekonnte Ausformung des durchgängigen Heckleuchtenbandes – Modernität und Esprit sowie eine bemerkenswerte Souveränität sowie Coolness, welche dem Führungsanspruch einer zukunftsweisenden Luxuslimousine aus dem Hause Mercedes bestens zu Gesicht steht. 


Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

media.mercedes-benz.com


CHARAKTERSTÄRKE / PERSÖNLICHKEIT

 

Bereits die in der Luxusklasse bislang einmalige Melange aus Cab-Forward-Design sowie One-Bow-Design macht den Mercedes EQS zu einem Unikum – und selbstredend zu einer automobilen Persönlichkeit der besonderen Art.

Wenn es Mercedes-Benz gelingt – wie im Falle des Tesla S – im Rahmen eines Facelifts einen ordentlichen „Attraktivitätssprung“ zu machen, dann kommt dies nicht nur der Personality des EQS zugute. Aufgrund einer höheren Design-Markterfolgs-Qualität wird auch die weltweite Nachfrage spürbar steigen


VISUELLE WERTIGKEIT

Auch wenn der EQS in Summe ein Höchstmaß an realer sowie visueller Wertigkeit ausstrahlt – hier seien zum einen die bei dieser Marke bereits gewohnten, geringen Spaltmaße – erwähnt. Zum anderen insbesondere auch die in sich stimmige Gesamtkreation, die bei diesem einmaligen Gesamt-Gestaltungs-Konzept wahrlich ein Husarenritt gewesen sein muss, zeugt vom Können der Designerriege aus dem Hause Mercedes-Benz.


Ein echter Faux Pas in meinen Augen ist hingegen der „Pseudogrill“ in Form eines schnöden gewölbten Hochglanz-Plastikdeckels mit aufgeklebtem Stern, den zu allem Überfluss eine Vielzahl kleine Sternchen „zieren“. Und dies beim vermeintlich besten Auto der Welt! Sorry für die klaren Worte – aber das musste gesagt werden!


Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

media.mercedes-benz.com



Design-Markterfolgs-Qualität 

Mercedes EQS


Ein unfassbar mutiger Schritt. Ein kühnes Cab-Forward-Konzept, das bislang nicht wirklich reüssierte. Und all das im Rahmen der Mercedes S-Klasse als der laut Eigendarstellung besten Luxus-Limousine der Welt. Dafür höchsten Respekt auch von meiner Seite! Mercedes ließ nichts unversucht, diese aus freien Stücken gewählte Gratwanderung höchster Schwierigkeitsstufe anzugehen und mit geballter Designkompetenz zu meistern. 


Auch wenn das Resultat – unter Beachtung der Rahmenbedingungen – höchst bemerkenswert ist, ist meines Erachtens nach davon auszugehen, dass der EQS in jetziger Form nach einem gewissen Erstlingshype aufgrund des hochinnovativen Gesamtkonzeptes in Zukunft sukzessive an Attraktivität einbüßen dürfte. Verantwortlich hierfür wird wieder einmal das Cab-Forward-Design sein, dass aus meiner Sicht mit dem Typus „Limousine“ auch in Zukunft nicht wirklich kompatibel sein wird.


____________________________________________________________________


ROSENTHAL INDEX

Nach der Analyse von 76 für den Markterfolg maßgebenden Designaspekten besitzt der Mercedes EQS folgende Design-Markterfolgs-Qualität:


ÄSTHETISCHE ATTRAKTIVITÄT

7,1 Punkte   |   durchschnittlich bis leicht gehoben


CHARAKTERSTÄRKE  

 7,7 Punkte   |   gehoben bis hoch  


VISUELLE WERTIGKEIT 

7,2 Punkte   |   durchschnittlich bis leicht gehoben _________________________________________


Gesamtwertung: 72 Punkte 

Durchschnittliches bis gehobenes Markterfolgspotenzial


(max. 100 Punkte)

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Dr. Peter Rosenthal

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen