Erlebnis Deutsche Bahn
Beschwerden erst nach Ablauf einer Nacht, das war eine eiserne Regel meines früheren Arbeitgebers. Sinnvoll, denn wenn die erste Wut verraucht ist, bekommt man einen klareren Blick auf die Dinge. Nun sind mittlerweile drei Nächte vergangen, und ich ärgere mich immer noch über das fehlende Fingerspitzengefühl, das bei der DB in Teilen zu herrschen scheint. Wäre dies das einzige Erlebnis, man würde sicherlich darüber hinwegschauen, und bisher habe ich mich nicht am Bashing beteiligt. Aber nach zwei Jahren Erfahrungen mit Ausfällen und Verspätungen wird die Haut dann doch etwas dünner.
Der letzte Vorfall: Eine junge Studentin wollte von ihrem Zuhause in Landshut zu ihrer Uni nach Bielefeld, um zum einen eine Semesterarbeit abzugeben, zum anderen an einer Geburtstagsfeier teilzunehmen. Sie freute sichschon riesig auf die Studenten- Party, ihre erste seit Studienbeginn.
Da die Bahn- Preise am Freitag unerschwinglich waren, entschied sie sich, bereits am 01.08.24 zu reisen. Hierbei folgte sie als Studentin, die ihr Geld zusammenhalten muss, der Empfehlung in der DB – Navigator-App, nur den Fernstreckenzug zu buchen, da sie im Besitz eines Deutschland Tickets war – ein großer Fehler, wie sich später herausstellte. Und so buchte sie den ICE 786, Abfahrt ab München 13:52h, sowie den ICE 752 für die Weiterfahrt um 18:56h.
Geprägt von den Erfahrungen mit der Bahn der letzten beiden Jahre brach sie zeitig auf und nahm einen Regio von Landshut nach München, bei dem sie mindestens eine Stunde Aufenthalt in München einplante. Wer sagte noch, Zeit sei das kostbarste, das wir haben?
Bereits kurz nach Landshut strandete sie in Moosburg: der Zug ging nicht weiter, und es gab auch zunächst keine Informationen, wann die Strecke wieder frei sein würde. Sowohl in Moosburg als auch in Landshut strandeten etliche Passagiere, die erst einmal nicht weiter kamen.
Absehrbar, dass die Störung (Stellwerk defekt) nun doch noch länger dauerte, bat sie am Bahnhof um Aufhebung der Zugbindung für Ihren ICE, was ihr mit dem Hinweis auf das Servicecenter am HBF München verweigert wurde.
Die Studentin erreichte es, dass sie mit dem Auto zum Hauptbahnhof München mitgenommen wurde. Leider kam sie aber nicht mehr pünktlich an, um ihren gebuchten Zug zu bekommen.
Nun frage ich, wer eigentlich dafür verantwortlich ist, dass die Studentin trotz ausreichend eingeplanter Zeit den gebuchten ICE um 13:52h nicht mehr erreichen konnte?
In München am HBf angekommen, ging sie zum Servicecenter, hier der nächste Schlag. Es wurden Nummern ausgeteilt, da das Center überlastet war. Eine Stunde Wartezeit, um dann zu erfahren, dass sie aufgrund des Deutschlandtickets keinen Anspruch auf Aufhebung der Zugbindung hätte- schließlich sind das zwei verschiedene „Beförderungsverträge“, und der ICE war ja pünktlich. Tipp: Sie könne sich ja ein neues Ticket kaufen- mittlerweile für den drei- bis vierfachen Preis. Auch ein Anruf auf der DB Hotline ergab keine andere Entscheidung. Gestrandet in München! Geburtstagsfeier geplatzt!
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Erneut frage ich mich, wer eigentlich dafür verantwortlich ist, dass die Studentin den gebuchten ICE um 13:52h nicht mehr erreichen konnte?
Aufgrund der Verspätung hätte sie Anspruch auf 1,50 Euro, die aber als Bagatellbetrag nicht ausgezahlt werden. Hätte die Studentin den Rat in der DB – App missachtet und ein Ticket von Landshut nach Bielefeld gebucht, wäre die Zugbindung aufgrund der durch die DB verursachten Verspätung aufzuheben gewesen und sie hätte einen Folge- ICE nehmen können.
Kann man sich angesichts der aktuell andauernden Unzuverlässigkeit der DB und der nicht vorhandenen Kulanz auf das Deutschlandticket überhaupt einlassen bei Fernreisen? Ist der Hinweis auf das Deutschlandticket in der App am Ende eine Falle, um die Fahrtgastrechte bei Problemen auszuhebeln?
Nach dem enttäuschenden Ergebnis des sog. SERVICE- Centers in München entschloss sich die Studentin nach Rücksprache, noch am gleichen Tag von München nach Düsseldorf mit dem ICE 620 zu fahren, um bei ihrer Großmutter zu übernachten und am nächsten Tag weiter nach Bielefeld zu fahren. Sie kaufte zähneknirschend ein Ticket für 94,20 Euro -ein Sitzplatz war nicht mehr reservierbar. Und auch hier zeigte sich wieder, wie verlässlich die DB aktuell ist: Der Zug endete -überraschend- in Köln, nicht in Düsseldorf!
Was für eine Odyssee. Und am nächsten Tag ging diese übrigens weiter,die Reise dauerte doppelt so lange wie ursprünglich geplant.
Lessons learned!? Eine bittere und teure Lektion für eine junge Studentin. Glücklicherweise ist sie zumindestens nicht mitten in der Nacht an einem abgelegenen Bahnhof ohne Hilfe gestrandet. Vielleicht hilft dieser Erlebnisbericht, das Risiko der Nutzung des Deutschlandtickets in Verbindung mit ICE Reisen besser einzuschätzen.
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