Erneuerbaren-Ausbau versus Rentabilitätsoptimierung – ein Gegensatz?

Erneuerbaren-Ausbau versus Rentabilitätsoptimierung – ein Gegensatz?

Österreich hat sich im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) dazu verpflichtet, bis 2030 den Strombedarf über das Jahr gerechnet vollständig aus erneuerbaren Quellen zu decken. Nachdem überdies bis 2040 mit einer Verdoppelung des Strombedarfs zu rechnen sein wird, resultiert daraus ein hoher Investitionsbedarf in Wind- und Photovoltaikerzeugungskapazitäten. Diese Investitionen werden allerdings nur dann getätigt werden, wenn sich die Investitionen für den Investor auch rechnen und einen positiven Beitrag zum Unternehmenswert leisten.

Generell ist die Branche damit konfrontiert, dass sich die Investitionen in erneuerbare Energien nicht oder nur knapp amortisieren, insbesondere vor dem Hintergrund der sehr volatilen Energiepreise. So zeigt sich seit Ende des Jahres 2023 an der European Energy Exchange („EEX“) eine signifikante Reduktion der Terminpreise („EEX Austrian Power Futures“) für den Lieferzeitraum 2024 bis 2027.



Den volatilen und aktuell sinkenden Preisen stehen relativ konstante oder nur leicht sinkende Investitionskosten gegenüber. Für Investoren ergeben sich daraus oft sinkende Renditen.

Am Markt herrscht zudem aktuell ein reges Interesse an Transaktionen im Bereich Renewables. Die Preise für die angebotenen Projekte sind hoch, da die Nachfrage das Angebot übersteigt. Finanzinvestoren mit entsprechender finanzieller Kraft haben hier vor allem im Vergleich zu kleineren Marktteilnehmer die Möglichkeit höhere Preise für entsprechende Targets zu bieten. Auch aus dieser Perspektive erwachsen uns immer wieder Fragen hinsichtlich der Bewertung von Erneuerbaren Projekten, insbesondere bei der Begleitung bei Transaktionen.

Als Mindestverzinsung von Investitionen werden durch Aufsichtsgremien oft pauschale Hurdle Rates vorgegeben, die durch die erneuerbaren Erzeugungsanlagen nicht erreicht werden. Viele strategische Investoren sehen ihre Investitionen in Erneuerbare mit Fragezeichen behaftet bzw. kommen bei Ausschreibungen nicht zum Zug, da die Renditen im Vergleich zu alternativen Investitionsmöglichkeiten oft geringer sind.

In zahlreichen Gesprächen mit unseren Kunden haben wir einige Ansatzpunkte identifiziert, die im Zuge von Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Renewable Projekte berücksichtigt oder zumindest angedacht werden sollten. Ziel ist eine ganzheitliche und realistische Einschätzung der Rentabilität und jedenfalls keine redundante Berücksichtigung von Risiken. Wir haben unsere Überlegungen dahingehend geclustert, was bei der Ermittlung der Cashflows aus der Erzeugungsanlage, was bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes und was bei sonstigen Aspekten zu berücksichtigen ist. Über allem steht, dass eine doppelte Berücksichtigung von Risiken in den Cashflows und zugleich im Diskontierungszinssatz zu vermeiden ist.

Cashflows

  • Viele Erneuerbare Energien-Projekte bieten die Möglichkeit, die Erzeugung zu hybridisieren, d.h. zusätzlich zur Windkraft auch PV-Module zu bauen bzw. künftig Speicher einzubinden. Derartige Potenziale sollten im Zuge der Planung der Cash-Flows berücksichtigt werden.
  • Gegebenenfalls bestehen Möglichkeiten zur Verdichtung von Anlagen. Sollte dies möglich sein, dann wäre der Ansatz der Verdichtung im Zuge der Cashflow-Planung zu überlegen.
  • Die Möglichkeiten des Repowering von erworbenen Renewable-Projekten und damit einhergehend erhöhte Produktionsmengen sollten nach Maßgabe berücksichtigt werden.
  • Die erzeugungsspezifischen Parameter der Anlagen sollten unter Einbindung von Expert:innen sensitiviert werden. Wesentlich ist, dass damit einhergehende Risiken eher in den Cash-Flows (und weniger im Diskontierungszinssatz) darzustellen sind.
  • Vorteile aus der Ersparnis eventueller CO2-Abgaben bzw. anderwärtige Synergien sollten dem Projekt zugerechnet werden.
  • Die Nutzungsdauern werden aus unserer Sicht oft eher konservativ angesetzt. Insbesondere bei modernen Anlagen sollten die Nutzungsdauern mit Experten diskutiert und realistisch (in Balance mit den geplanten Instandhaltungs- und Repoweringmaßnahmen) angesetzt werden.
  • Die Verwendung unterschiedlicher Strompreiskurven von anerkannten Datenanbietern im Zuge von Szenariorechnungen ist unbedingt zu empfehlen, da die Prognosen oft sehr unterschiedlich sind und sich die Auswirkungen der Unterschiede über die Laufzeiten kumulieren.
  • In zahlreichen Projekten wird auf den Ansatz von Rest- und Liquidationswerten verzichtet, wobei Rekultivierungsaufwendungen angesetzt werden. Im Zuge einer umfassenden Beurteilung sollten die entsprechenden Restwerte geschätzt und angesetzt werden.
  • Nicht zuletzt sollte eine Verbesserung des ESG-Scorings, die die Rentabilität des Unternehmens gesamt erhöht, monetär bewertet werden und dem Renewable- Projekt zugerechnet werden.

Diskontierungszinssatz

  • Generell besteht aktuell die Tendenz der Erzeuger, Preisrisiken an die Kunden auszulagern, d. h. der Erzeuger trägt im Wesentlichen das Mengenrisiko – oft verfügt der Erzeuger somit über langfristig geförderte Tarife, PPAs und ggf. Einspeisevorrang und damit über einen vergleichsweise sicheren Absatzmarkt. Im Businessplan ist das Risiko von schwankenden Cash-Flows im Wesentlichen auf das Mengenrisiko der Produktion beschränkt (welches wiederum durch Sensitivierung der entsprechenden Parameter quantifiziert werden sollte). Dieser Aspekt ist unter anderem bei der Auswahl der Peer Group zu berücksichtigen.
  • Renewables können einen Beitrag zur Erhöhung der Eigenversorgung mit Energie leisten, was unter anderem auch für Industrieunternehmen von großer Bedeutung sein kann, insbesondere unter dem Aspekt der Unabhängigkeit von Energielieferungen. Dies könnte im Zuge des Ansatzes des Kapitalisierungszinssatzes berücksichtigt werden.  
  • Die Peer Group als Ausgangsbasis für die Ermittlung der Kapitalkosten soll aus Erzeugern von Erneuerbarer Energie bestehen. Nach Möglichkeit ist die Peer Group dahingehend zu untersuchen, ob sich die Peers in Ländern mit einer vergleichbaren Marktstruktur befinden und zu bereinigen.
  • Insbesondere bei Industrieunternehmen ist eine Differenzierung zu den Renditeerwartungen im eigenen Kerngeschäft vorzunehmen, pauschale Hurdle Rates und Kapitalkosten traditioneller Projekte sind nicht geeignet zur Abbildung der Rentabilität von Renewable Projekten.
  • Hinsichtlich der Fremdkapitalkomponente sollte berücksichtigt werden, dass die Finanzierungskosten für Renewables aufgrund des ESG-Scorings unter jenen von Neuprojekten in anderen Bereichen liegen können.
  • Vieles spricht daher dafür, die einzelnen Komponenten des Abzinsungssatzes bei der Beurteilung geförderter Projekte im Bereich Erneuerbarer Energien an die Untergrenze einer möglichen Bandbreite zu legen.
  • Eine Untergrenze hinsichtlich des anzuwendenden WACC bildet aus unserer Sicht der Regulator-WACC.

Der Übergang zu alternativen Energiequellen ist entscheidend, um die globale Erwärmung einzudämmen, die Biodiversität zu schützen und eine dauerhafte und nachhaltige Energieversorgung zu sichern. Investition in erneuerbare Energien sind nicht nur ein Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit, sondern auch eine strategische Entscheidung für langfristige Stabilität und Sicherheit. Sie tragen dazu bei, die Abhängigkeit von unsicheren geopolitischen Konstellationen zu verringern und fördert technologische Innovationen und wirtschaftliche Diversifikation.

Wir unterstützen gerne bei der Wirtschaftlichkeitsrechnungen Ihrer geplanten Investition in Erneuerbare Erzeugungsanlagen. Von der strategischen (Transaktions-)Beratung über den Business-Plan und Szenarioanalysen bis hin zur Investitionsrechnung, Förderungen und steuerlichen Fragestellungen begleiten wir gerne Ihren gesamten Prozess. Bei Fragen kommen Sie gerne auf uns zu!



Milan Tafra

M.Sc; Independent advisor in the Financial Services industry/Credit risk/Real estate & Corporate

7 Monate

Danke für den interessanten Beitrag! ich habe vor Kurzem gelesen, dass mehr als 95% der Photovoltaik-Panelen die im Jahr 2023 in Europa installiert wurden, in China hergestellt wurden (??)- dass sollte wahrscheinlich auch berücksichtigt werden, wenn es um die "Abhängigkeit" geht, oder? was sind heutzutage die durchschnittlich-erwarteten hurdle rates bei diesen Assetklassen? Darüber hinaus, was sind, as Ihrer Sicht, die realistischen Nutzungsdauern? Danke vorab für Ihre Antwort!

Martin Schügerl

Senior Manager, Wirtschaftsprüfer at EY

7 Monate

spannendes Thema auch mit der Bewertungsbrille das Thema zu betrachten. Habe auch heute in einem Podcast von Erfahrungen zu "grünen" Projekten gehört, dass oft nur auf dem ersten Blick neue Kosten (bzw. schlechtere Renditen) entstehen, aber im Nachhinein sich doch oft auch neue Business-Cases ergeben. Danke!

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