Excellence versus Glück

Excellence versus Glück

Wenn ich Interviews mit Elon Musk verfolge, dann fällt mir auf, dass es ein krankhafter Wahn sein muss, der ihn verfolgt. Da scheint irgendwann in der Kindheit etwas schief gelaufen zu sein und jetzt glaubt er, er kann sich durch Excellenz sein Glück zurückkaufen. „Ich glaube, dass kein Mensch mit meinem Leben tauschen sollte, denn ich bin ein sehr unglücklicher Mensch“ sagte er einmal auf die Frage, wie es sei, Elon Musk zu sein. Sind nicht alle Genies irgendwie von einem Wahn verfolgt, von einer Sucht, die sie antreibt, mehr zu geben als jeder andere Mensch, mehr zu wagen, mehr zu forschen und Grenzen zu überschreiten?

Mein nächster Blick richtet sich auf dieses Land. Seine Sattheit und Trägheit. Der wirtschaftliche Abschwung, den wir bereits seit ca. drei Jahren haben und der so langsam auch dem letzten Zweifler offenbar wird. Und ich muss an meine Besuche in Indien denken, wie Millionen junger Menschen sich nach Wohlstand und eine bessere Zukunft sehen und zwölf Stunden oder mehr jeden Tag damit verbringen, besser zu sein als ihre zahlreichen Konkurrenten. Sie suchen Excellenz. Oder ich sehe japanische Musiker, die üben, üben, üben und damit internationale Anerkennung finden für ihre außergewöhnlichen Leistungen. Sind wir die glücklichen und die anderen folgen nur einem Wahn. Haben wir diese Zeiten hinter uns? Ist das eine Entwicklungsstufe? Oder geht es wieder bergab, werden wir bald wieder total unglücklich, weil KEINER mehr exzellent ist?

Wir wissen, dass wir in Deutschland ohne eine Elite, die neue Patente hervorbringt, Impfstoffe entwickelt, Motoren sparsamer macht usw. nicht weiterkommen. Aber muss das ich sein? Reicht es nicht, wenn das andere machen?

Ist Glück und Excellenz ein Gegensatz?

Kann man nicht auch Glück empfinden, wenn man sich einer Sache hingibt? Sich ihr verschreibt und mit Leidenschaft und Freude Menschheitsprobleme löst?

Wie ist das mit der Spannung zwischen „Ich hab schon“ und „ich sehne mich nach“? In der Theologie gibt es den Bereich der Eschatologie, der Wissenschaft von den letzten Dingen. Der Mensch lebe in einem Schwebezustand zwischen schon und noch nicht. Wir sind schon erlöst, aber noch nicht im Paradies. Man mag auf ein Paradies hoffen oder nicht, richtig ist, dass wir es uns ganz gut eingerichtet haben und es uns sehr gut geht, bei der derzeitigen Lage kann man aber sicher nicht davon sprechen, dass wir im Schlaraffenland leben. Es gibt so viel zu tun, zu heilen, zu versöhnen, zu reparieren…

Ist es also der ständige Wandel zwischen Dankbarkeit und Unzufriedenheit, zwischen Glück und Exzellenz, der uns wachhält. Kann Exzellenz besser gelingen, nachhaltiger, wenn wir auch mal glücklich sind?

Je höher man kommt, desto einsamer wird es

Sicher ist es so, dass man nur richtig gut ist, wenn man etwas gerne tut, aber es gibt dann auch immer die Momente, in denen man sich entscheiden muss: Mach ich jetzt weiter oder gehe ich stattdessen heute Abend mit Freunden schön Essen? Wenn es hart auf hart kommt und man sich entscheiden muss zwischen Excellenz oder Glück, zwischen 80 Stunden arbeiten oder 40, wie würde Ihre Wahl ausfallen?

Ich wünsche Ihnen einige Momente Glück. Denn ganz ohne Glück sollten Sie nicht durchs Leben ziehen. Ob das unbeschreibliche Gefühl, am Ende der Erste oder Einzige zu sein, der etwas erreicht hat, reicht, viele andere Glücksmomente aufzugeben, müssen Sie letztendlich selbst entscheiden. Ich versuche, immer wieder zwischen „schon“ und „noch nicht“ zu wandeln, beides im Blick zu haben und dabei nicht zu extrem zu sein. Nicht zur Weltspitze aufzuschließen.  Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel. Und Sie?

Ich wünsche einen schönen Advent!

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