Führen heißt ... so authentisch, wie möglich zu sein.

Führen heißt ... so authentisch, wie möglich zu sein.

Praktisch jedes Unternehmen wünscht sich authentische Führungskräfte. Mir scheint jedoch, dass diese Qualität „authentisch sein“ viel zu häufig missinterpretiert wird. Daher hier der Versuch einer Begriffsklärung und der Versuch einer Antwort auf die Frage, worum es eigentlich bei Authentizität im Kontext von Führung geht und warum Sie für den Einzelnen und das Unternehmen so wichtig ist? 

Die wahre Bedeutung des Begriffs Authentizität eröffnet sich in einem Satz, der Konfuzius zugeschrieben wird:

„Ein Mensch mit einer schönen Seele, wird immer schöne Dinge zu sagen wissen. – Jedoch, ein Mensch, der schöne Dinge sagt, hat nicht notwendigerweise auch ein schöne Seele.“

Abraham Maslow sagte dazu:

„Authenticity is the reduction of phoniness to the zero point.“

Für Maslow ist Authentizität gleichbedeutend mit „Echtheit“. Denn jeder von uns hat grob gesagt zwei Identitäten. Das äußere und das innere Selbst. Authentizität nach Maslow erfordert also die völlige Kongruenz dieser beiden Identitäten.

Wenn man dieser Definition folgt, ergibt sich automatisch die Frage nach der Realisierbarkeit dieses Ideals. Ist sowas in einem Businessumfeld überhaupt möglich?

Ich halte diesen Zustand authentisch sein, im Sinne von Maslow, für einen Zustand der sich wahrscheinlich nur in absoluten Ausnahmefällen zu 100% realisieren lässt. Kein Mensch, der in einem sozialen Gefüge agiert, wird das je so vollständig, durchgängig leben können. Und um es gleich vorweg zu sagen: Dass man im Berufsleben auch Rollen spielen muss, wird sich nie ganz vermeiden lassen.

J.P.Sartre geht sogar davon aus, dass das, was er die „unauthentische Seinsweise“ nennt, die für uns durchaus übliche ist. Er drückt damit aus, dass wir dazu neigen, uns mit gewissen gesellschaftlichen Anforderungen zu identifizieren und danach zu handeln und anderer Facetten unserer Persönlichkeit zu ignorieren oder hintan stellen. Inwieweit das gut oder schlecht ist, will ich hier nicht beurteilen. Ich gehe aber davon aus, dass wir einen gewissen Spielraum haben, in dem wir uns bewegen können, ohne uns selbst damit zu schaden.

Aber warum ist Authentizität so wichtig?

Können Sie sich an John Wayne erinnern? John Wayne war ein Schauspieler, der in seinen Rollen, wenn auch nicht unbedingt immer sympathisch, so doch immer ausgesprochen authentisch, echt wirkte. Der Grund dafür war meines Erachtens, dass er in seinen Filmen permanent einen Männertypus verkörperte, mit dem er sich voll identifizierte. Er wirkte so authentisch, weil er eigentlich ein „Nicht-Schauspieler“ war und sich selbst darstellte. Ich gehe mal davon aus, dass Ihm seine Rollen relativ leicht fielen, weil es genügte, sich in eine Handlung zu versetzen, um darin dann einfach wieder John Wayne zu sein.

Oder nehmen Sie Mickey Rourke als Randy (the Ram) Robinson im Film „The Wrestler“. Ein Kritiker meinte dazu, „…eine Rolle, die unter Einsatz eines ganzen Lebens ausgefüllt wurde.“

Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie es sich anfühlt eine Rolle zu spielen, mit der man sich nicht identifizieren kann? Früher oder später werden Sie diese Erfahrung machen. Eine solche Rolle zu spielen erfordert Anstrengung, weil Sie permanent so tun müssen „als ob“. Etwas zu spielen, was Ihnen völlig fremd, vielleicht sogar zuwider ist, fällt einfach schwer, weil es eine Menge Disziplin, Aufmerksamkeit und somit Energie erfordert. Energie und Aufmerksamkeit, die Ihnen dann an anderer Stelle fehlen. Und zu guter Letzt wirken Sie trotz dieser Mühe, oder gerade deswegen, oft verkrampft und unglaubwürdig. Wenn Sie permanent dazu gezwungen sind eine Rolle zu spielen, führen Sie schlicht ein anstrengendes Leben und es wird Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit keine große Freude bereiten.

Hinzu kommt der Zeitfaktor: Menschen, die mit Ihnen zusammen arbeiten, überprüfen unbewusst, quasi permanent, ob das, was Sie behaupten und das, was Sie tun, auch stimmig ist. Wenn es eine bewusste Anstrengung erfordert eine bestimmte Rolle zu spielen, dann wird es Ihnen immer wieder passieren, dass Sie zwischendurch buchstäblich „aus der Rolle fallen“ – und bumms haben Sie an Glaubwürdigkeit verloren.

Anders, wenn Sie sich voll mit Ihrer Rolle identifizieren können. – Sie sind dann einfach Sie selbst! Sie wirken gelöster, entspannter und Vieles, was Sie sonst mit viel Disziplin, Denkarbeit und Selbstkontrolle ins Werk gesetzt hätten, geht jetzt „unwillkürlich“ (ohne bewusste Willensanstrengung) über die Bühne, glatt und mühelos – zumindest fühlt es sich so an. Ihre Aufmerksamkeit kann sich jetzt wieder nach außen richten, Sie sind präsent und werden auch von anderen so erlebt. Die Energie, die Sie sonst in Ihre „gefälschte“ Identität gesteckt hätten, steht Ihnen jetzt für Mehrwert schaffende Aktivitäten zur Verfügung.

Wenn Menschen eine Rolle spielen, die ihnen nicht passt, die mit ihrer Identität kollidiert, fühlen sie sich oft auch schuldig, hadern mit sich selbst. Wohingegen sich ein Gefühl von Stolz und Befriedigung einstellt, wenn wir sagen und tun können, was wir tatsächlich denken und fühlen. Es gibt uns das Gefühl, nicht falsch zu sein, so in Ordnung zu sein wie wir sind. Unser ganzes Denken, Sagen und Tun ist konsistent und erzeugt bei anderen das Gefühl der Berechenbarkeit, der Zuverlässigkeit, und gibt somit Sicherheit. Sie sagen, was Sie denken und tun, was Sie sagen – Sie „leben Ihre Rolle“!

Letztendlich geht es also für uns als Führungskraft nicht darum im Sartre’schen oder Maslow’schen Sinne authentisch zu sein. Sondern es geht viel mehr darum, uns mit den Anforderungen und Konsequenzen einer Rolle identifizieren zu können. Das bedeutet uns damit auseinander zu setzen und die daraus erwachsenden Konsequenzen und Verhaltensweisen zu akzeptieren und so zu verinnerlichen, dass sie sozusagen zur zweiten Natur werden und überwiegend unwillkürlich, mühelos erfolgen und somit durch Dritte als authentisch wahrgenommen werden.

Kurz gesagt: Wenn Sie Ihre PS auf die Straße bringen wollen, wenn Sie Ihr volles Potential entfalten wollen, dann streben Sie nach Rollen mit denen Sie sich identifizieren können. Wenn sie das tun, werden Sie automatisch den Eindruck von Echtheit erwecken und die Früchte der Authentizität ernten.

Was kann ich tun um ein Mehr an Authentizität in mein Leben zu bringen?

Damit das geschehen kann, damit ich mir eine Rolle wählen kann, in der sich dieser Prozess der Identifikation überhaupt ereignen kann, ist es natürlich absolut notwendig, dass ich mir meiner bestehenden Überzeugungen, Werte und Prinzipien, meiner eigenen Einstellungen einigermaßen bewusst bin, mit meiner eigenen Identität auf Du und Du bin. Nur dann kann ich bewusst wählen.

Beginnen Sie damit sich Ihrer eigenen Gedanken und Gefühle bewusst zu werden. Was denke ich über einen bestimmten Sachverhalt? Was fühle ich? Dabei ist es wichtig zunächst einmal die gesamte Bandbreite an Gedanken und Gefühlen zuzulassen, ohne Sie zu bewerten. Es geht lediglich darum sie anzunehmen und zu verstehen.

Bringen Sie dann Ihre Sicht der Dinge sukzessive in das Tagesgeschäft ein. Vorsicht! – Zerschlagen Sie kein Porzellan. Nehmen Sie Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer. Vielleicht beschränken Sie sich zunächst, sozusagen zum warm werden, auf Bereiche, die nicht die Position anderer bedrohen. Sie geben damit anderen die Gelegenheit sich an Ihre Denkweise und Sicht der Dinge zu gewöhnen. Wagen Sie sich erst dann an wichtigere, vielleicht kontroversere Dinge heran.

Um Ihre derzeitige Position in der „Rolle“, die Sie ausüben zu beurteilen, um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie weit Sie auf dem Weg hin zu einem authentischen Leben gediehen sind, können Sie sich folgende Fragen stellen, um dann in einem Prozess von „love it – change it – leave it“ zu Werke zu gehen.

Relevante Fragen:

  • Sind Sie mit Ihrer Identität auf Du und Du, kennen Sie Ihre Maximen?
  • Ist das, was von Ihnen erwartet wird, mit Ihren Maximen vereinbar?
  • Akzeptieren Sie sich wirklich so wie Sie sind und wissen darum auch genau, was Sie noch zu lernen haben?
  • Arbeiten Sie wirklich gerne und bringen Sie Ihre Leistung ohne einen zu hohen Aufwand an Disziplin?
  • Können Sie wirklich offen und ehrlich sein, selbst wenn Sie auf etwas Unangenehmes reagieren müssen?
  • Werden Sie von Anderen als Vorbild erlebt?

Wenn Sie damit beginnen Ihre Authentizität zu leben, kann es passieren, das Sie Menschen begegnen, auch solchen, die über beträchtliche Macht verfügen, die sich durch Ihr Verhalten irritiert oder bedroht fühlen. Hier ist es wichtig nicht einfach klein bei zu geben, sondern standhaft zu den eigenen Maßstäben zu stehen und um Ihre Standpunkte zu kämpfen. Im Angesicht dieser „Bedrohungen“ standhaft zu bleiben, wird Sie mit Stolz erfüllen, Ihr Selbstbewusstsein verbessern und Ihnen ein sichereres Gefühl für Ihre Identität vermitteln.

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Die Themen der Artikel-Serie "Führen heißt", basieren auf der ethisch pragmatischen Basis, meiner Seminare und Coaching-Praxis.

Sich informieren: Seminar OFFBOX 1 - Die Basis effektiver Führung - Coaching mit Gerhard L. Düwer

Arta Buneta

Senior Strategic Sourcing Specialist at Bruker Daltonics GmbH & Co. KG

9 Jahre

Ich möchte mich einem früheren Kommenatator anschließen: die Wahl John Waynes als Verkörperung von Authentizität ist gewagt. Herr Wayne war ein reaktionärer Rassist, um es euphemistisch zu formulieren. Und, nein, Führen und Authentizität heißen nicht unbedingt das Gleiche. Das gesamte Geschäftsleben dient einem Ziel: das Geschäft voranzubringen. 'Echtheit' ist ein Phänomen der Zeit und manifestiert sich in Unternehmen in der Art von Manufactum. Manufactum ist ein gutes Stichwort: Echtheit ist ein Luxus, sowohl bei Produkten (teuer!) als auch im Job. Es ist ja nicht so, dass Stellen, mit denen man sich in jeder Hinsicht identifizieren kann, im Überfluss vorhanden sind.

Ihre Beispiele sind etwas harmlos; es geht doch um fundamentale Werte. Wie weit bin ich beispielsweise bereit Korruption zu unterbinden, obwohl ich dabei gegen einflussreiche Personen innerhalb des Unternehmens antreten muss und dabei den Job riskiere. Einem amerikanischen Vorgesetzten kann man in der Regel die Wahrheit oder die Überzeugung nicht mitteilen. Er versteht das als Illoyalität und schmeisst sie beim zweiten Mal raus. Bei einem britischen Vorgesetzten können Sie sich sogar erlauben inkompetent zu sein - sie müssen nur diplomatisch sein. Wollen Sie in solchen Umfeldern überleben, können Sie das authentisch Sein über Bord werfen. Je nach Kultur gibt es eben auf die Frage, was authentisch sein bedeutet, unterschiedliche Antworten. Der springende Punkt ist letztlich die Frage, ob ich selbst den Eindruck oder die Gewissheit habe, dass ich noch authentisch zu mir selbst bin; dabei geht es nicht um Äußeres, sondern um mein eigenes Wertesystem - sofern vorhanden. Das authentisch Sein zur Rolle innerhalb des Unternehmens muss sich jeder bei der Annahme seines Jobs stellen. Kann er es nicht, lässt er es besser bleiben. Erwartungen zu erfüllen, welche dem eigenen Wertesystem widersprechen, führt nur zu pathologischen Verhaltensweisen.

Authentisch zu sein, ist tatsächlich zentral als Führungsperson; in der Realität können sich allerdings viele Führungskräfte diesen Luxus nicht leisten, weil sie gesellschaftlich in starken Abhängigkeiten gefangen sind. Erst wenn die Person finanziell unabhängig und über einen gewissen Freiheitsgrad verfügt, kann sie es sich leisten authentisch zu sein. Ausserdem ist es nicht schwer beim "schönen Wetter" authentisch zu sein; erst in einer Krisensituation wird sich zeigen, wie authentisch man ist oder sein kann. Schliesslich habe ich oft beobachtet, dass authentisches Verhalten gefordert wurde. Die gleichen Personen, welche solches gefordert haben, bekundeten dann aber im konkreten Fall die grösste Mühe damit, wenn ein Mitarbeitender sich authentisch verhielt. Die Mitarbeitenden haben übrigens für solche Situationen ein feines Sensorium entwickelt ... Ueberlebensstrategie. Werner Hertzog

wie wahr wie wahr Zusatz: ein bekannter Autohersteller pflegte einmal zu sagen: Man muss erst dienen können um dann richtig führen zu können, anders ausgedrückt den uns gegebenen Dingen im Leben mit einer gewissen Demut zu begegnen.

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