Fake Arbitration

Das schweizerische Schiedsgerichtswesen geniesst weltweit einen hervorragenden Ruf. Private Schiedsrichter, in den meisten Fällen erfahrene Rechtsanwälte oder Rechts-professoren, sprechen auf Ersuchen zweier Parteien Recht und fällen Entscheide, die in ihrer Wirkung Urteilen eines staatlichen Gerichtes gleichgestellt und damit vollstreckbar sind. Voraussetzung zur Durchführung eines Schiedsverfahrens ist der Abschluss einer schriftlichen Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien.

 Wie überall gibt es aber auch unter den Schiedsrichtern schwarze Schafe. Das Bundesgericht hatte kürzlich im Zuge einer Beschwerde Gelegenheit, das "Urteil" eines solchen "Schiedsrichters" zu beurteilen (Urteil 4A_618/2015).

 Im konkreten Fall teilte eine Arbeitnehmerin (nachfolgend A) der Arbeitgeberin (nachfolgend B) schriftlich mit, sie werde die (bereits vor einem ordentlichen Gericht hängige) Streitigkeit im Zusammenhang mit einer Lohnforderung einem Schiedsgericht zur Beurteilung vorlegen, falls B keinen Widerspruch erhebe. B reagierte nicht auf das Schreiben.

 Kurz darauf stellte ein gewisser D.M. aus Wolfhalden (das Bundesgerichtsurteil nennt seinen vollen Namen) der B ein Schreiben zu, in welchem er sich als Schiedsrichter ausgab. Er wies darauf hin, dass B der Schiedsvereinbarung nicht widersprochen habe, weshalb er beauftragt sei, die Sache zu entscheiden. Weiter forderte er B auf, zur Klage Stellung zu nehmen. B schrieb daraufhin zurück, sie fühle sich durch den Schiedsauftrag der A nicht gebunden und bestritt seine Zuständigkeit. Dies kümmerte D.M. allerdings nicht und er lud kurz darauf zu einer Gerichtsverhandlung vor. B teilte daraufhin D.M. erneut mehrmals mit, dass für ein Schiedsgericht keinerlei Grundlage bestehe und das Verfahren zudem bereits vor einem ordentlichen Gericht hängig sei. D.M. liess sich nicht beirren und fällte einen Vorentscheid, in welchem er seine Zuständigkeit als Schiedsrichter bejahte und die Einrede der Unzuständigkeit durch B als nichtig bezeichnete. Kurz darauf stellte er der B ein "Urteil" zu, in welchem diese verpflichtet wurde, A einen Betrag von CHF 2'054'776.87 zu bezahlen.

 Im Wissen darum, dass Schiedsurteile grundsätzlich vollstreckbar sind, sah sich B gezwungen, beim Bundesgericht Beschwerde zu erheben. Als Begründung führte B aus, sowohl beim "Vorentscheid" als auch beim "Urteil" von D.M. handle es sich um nichtige Schiedssprüche, da nicht einmal der Anschein einer formgültigen (das heisst schriftlichen) Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien bestehe.

 Das Bundesgericht stützte die Auffassung von B und äusserte sich in ungewöhnlich klaren Worten: die Annahme einer (stillschweigenden) Zustimmung zu einer Schiedsvereinbarung durch D.M. sei dreist, sein Gebaren wirke dubios, da er Vorentscheid und Urteil mit einem Stempel versehen habe, der die Insignien der "Freien Stadt Danzig" trage, seine Ausführungen seien bizarr und die Schiedssprüche liessen jegliche Seriositätsindizien vermissen. Es erklärte die Schiedssprüche daher für offenkundig nichtig und auferlegte A die vollen Verfahrenskosten.

 Beklagte, welche in derartige Schiedsverfahren geraten, müssen wegen der Anerkennung von Schiedsentscheiden als vollstreckbare Urteile reagieren, auch wenn dies mit (oftmals uneinbringlichen) Kosten verbunden ist und dürfen nicht einfach nichts unternehmen.

(Quelle: Urteil 4A_618/2015)

Matthias Kuster, Rechtsanwalt/LL.M.

www.anwaltkuster.ch

 


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