Familienunternehmen ticken anders - Teil 1

Familienunternehmen ticken anders - Teil 1

Im ersten Teil dieser Newsletterserie wollen wir uns einmal ganz grundsätzlich dem MYSTERIUM Familienunternehmen widmen.

Warum Mysterium? Nun, weil es in der wissenschaftlichen Betrachtung und Untersuchung von Unternehmen wenig Arbeiten gibt, die sich mit dem SYSTEM Familienunternehmen und dessen Gesetzen befassen.

Die Betriebswirtschaftslehre untersucht und beschreibt lediglich theoretische Abläufe in Unternehmen, und je nach Unternehmensgröße werden dann verschiedene Strukturformen betont oder vorgeschlagen, die zur optimalen Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens beitragen sollen.

Es gibt jedoch einen erheblich Unterschied zwischen Familienunternehmen und eben Nicht-Familienunternehmen. Und dieser Unterschied liegt in der DNA oder der Kultur.

Erst seit ca. 3 Jahrzehnten wird die reine betriebswirtschaftliche Lehre auch um Begrifflichkeiten wie Organisationskultur ergänzt. Hier entsteht dann aber oft fälschlicherweise der Eindruck, dass Kultur operativ gemanagt und verändert werden kann, was aber leider oder Gott sei Dank nicht möglich ist.

Aber man kann lernen, Kultur zu verstehen und das Unternehmen dann so strukturell aufzusetzen, dass die Kultur sich Zug um Zug positiv anpasst.

Allerdings ist es dazu notwendig, erst einmal zu verstehen, dass Familienunternehmen eigentlich ein Paradoxon in sich sind. Und genau das macht es auch so schwer bzw. so einzigartig, ein erfolgreicher Familienunternehmer oder ein erfolgreicher CEO eines Familienunternehmens zu sein.

Wenn Sie also Inhaber, potenzieller Nachfolger oder ein angestellter CEO sind, hilft Ihnen vielleicht diese Newsletter-Reihe, eine neue Perspektive auf Ihr TUN zu bekommen und erfolgreicher durch die Wirren eines Familienunternehmens manövrieren zu können.

Worin besteht nun dieses Paradoxon zwischen Familien und Unternehmen?

Ein Unternehmen beruht in erster Linie auf Sachlichkeit. ZDF - Zahlen, Daten und Fakten sind die Basis für Entscheidungen. Was braucht der Markt? Wie hoch sind die Produktionskosten? Welcher Anbieter bietet das beste Preis-Leistungsverhältnis? Welche Abteilungen sind am produktivsten? Welche Mitarbeiter haben den größten Output? Und so weiter.

Der Mensch in diesem System ist ein Kalkulationsfaktor. Auch in der Hinsicht, dass ALLE Mitwirkenden, vom Helfer bis zum Vorstand idealerweise austauschbar sein müssen, damit das „SYSTEM Unternehmen“ maximales Überlebenspotenzial hat.

Man könnte sagen, dass das „SYSTEM Unternehmen“ davon lebt, dass die besten Regeln entwickelt und eingehalten werden.

Das „SYSTEM Familie“ hingegen lebt davon, dass man in der Lage ist, Regeln so zu brechen oder auszulegen, dass alle Mitglieder so gut wie möglich geschätzt und dem System erhalten bleiben.

Familien definieren sich dadurch, dass der Mensch und dessen Wohlergehen im Mittelpunkt steht und nicht ausschließlich das wirtschaftliche Ergebnis, welches den Fokus auf das AUSSEN (dem Kunden) voraussetzt. Sobald Menschen eine Familie verlassen, ändert sich das System. Und genau das möchte das „SYSTEM Familie“ entgegen des SYSTEMS Unternehmen vermeiden.

Wenn Sie also Inhaber, potenzieller Nachfolger oder angestellter CEO eines Unternehmens sind, wird sich Ihr Erleben aus Ihrer jetzigen Position heraus zum Teil völlig anders darstellen als aus einer anderen Perspektive. Und Sie werden sich vermutlich dadurch auch völlig anderen Herausforderungen gegenübersehen. Als CEO tendieren Sie dazu Unternehmen und Familie best möglichst zu trennen. Tun Sie das nicht, Sie werden scheitern. Als Inhaber versuchen Sie vielleicht die falschen Kompromisse zu schließen. Seine Sie hier sehr klar, wann das Unternehmen Vorrang hat und wann die Familie. Als Nachfolger haben Sie vielleicht noch nicht den idealen Platz für sich eingenommen. Entweder sie sind zu schnell und versuchen eine Platz zu besetzen, der Ihnen aus Sicht des Unternehmens noch nicht zusteht, oder Sie unterwerfen sich zu schnell den „alten Gewohnheiten“ des Unternehmens und hindern es somit an der notwendigen Transformation.

Bis zu welcher Größe ist ein Unternehmen ein Familienunternehmen?

Diese Frage wird in diesem Zusammenhang sehr oft gestellt, ist aber der falsche Ansatz. Halten Sie sich lieber an folgende Definition:

Ein Unternehmen ist ein Familienunternehmen, wenn eine Familie einen maßgeblichen Einfluss auf die Politik des Unternehmens hat (Rudolf Wimmer et al. 1996, S. 19 f.).

Es hängt also nicht von der Größe ab, ob die Spielregeln in einem Unternehmen eher denen einer Familie entsprechen, sondern vom Einfluss, den die Familie auf das Unternehmen hat.

Und dieser Einfluss kann auf zwei Ebenen in das Unternehmen getragen werden:

1. Durch physische Vertreter der Familie - Vater oder Mutter selbst, Sohn oder Tochter, aber auch Neffen oder Cousins, die im Unternehmen beschäftigt sind, ebenso wie Schwiegerkinder.

2. Oder durch die imaginäre Tradition, die sozusagen immer noch "in den Gemäuern" verankert ist.

Bei den physischen Vertretern braucht es eine große persönliche Reife, um seine Rolle und den Einfluss auf das Unternehmen zu verstehen und entsprechend zu lenken.

Leider lernt man dies (noch) nicht ausreichend an Universitäten, sondern muss hierfür eher seine eigenen Erkenntnisse in der Soziologie, der Systemtheorie, bei integralen Ansätzen im Konstruktivismus usw. schulen.

Soweit dies möglich ist, werden wir versuchen, in dieser Newsletterreihe die Methoden und Vorgehensweisen zu beschreiben, die in unserem Beratungsansatz die wirkungsvollsten Ergebnisse erzielen. Bei den Tradition die „in den Gemäuern verankert sind“, helfen zum Teil die richtigen Strukturveränderungen, aber auch - und dies bezieht sich jetzt ausschließlich auf unsere eigene Erfahrung - entsprechende Rituale die man für die Ahnenfamilien abhält. Klinkt für einige vielleicht etwas abgehoben, ABER WENN`S HILFT! :-)

Fazit des heutigen Newsletters:

Familienunternehmen unterscheiden sich von klassischen Unternehmen oder Organisationen hauptsächlich darin, dass man als Mitglied des Führungskreises oder Lenker des Unternehmens permanent dem Paradoxon ausgeliefert ist, zwei Systeme zu verbinden, die im Grundsatz völlig verschiedene Überlebensstrategien verfolgen.

Wie wir das in der Praxis umsetzen können, wird der Inhalt der nachfolgenden Newsletter sein.

Für heute ist Ihnen vielleicht schon etwas damit geholfen, dass Sie den Druck aus Ihrer Erwartungshaltung, vor allem an sich selbst, etwas herausnehmen dürfen.

Sie haben sich als Lenker oder Verantwortlicher eines Familienunternehmens für eine große, schwierige, aber auch sehr lohnenswerte Aufgabe entschieden. Wenn Sie diese Aufgabe gut meistern, gehören Sie sicherlich zu den 5% der besten CEOs und Manager in diesem Lande.

Wir wünschen Ihnen eine gute und souveräne Woche und freuen uns schon auf die nächste Ausgabe.

Herzliche Grüße,

Rudolf Bleicher & Ulrike Bleicher-Rapp


P.S. Sollten Sie konkrete Fragen haben, schreiben Sie uns bitte gerne direkt eine E-Mail - support@die-chefberater.de. Wir werden, wenn möglich, diese gerne beantworten, und Ihre Frage sowie die mögliche Antwort darauf könnten auch andere Leser sehr interessieren.

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