FINMA kritisiert Lebensversicherer hinsichtlich Transparenz
Die eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA schreibt in einer Medienmitteilung, dass Transparenz und Informationen von Lebensversicherungen häufig ungenügend sind. Auch die Angaben zu Renditen seien oft zu optimistisch. Die Kritik ist aussergewöhnlich heftig. thebroker bat Swiss Life um Stellungnahme.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA fordert die Lebensversicherer auf, die zu optimistischen Informationen zu korrigieren. Als Grundlage für die Kritik hat die FINMA im Zeitraum Januar 2020 bis März 2021 insgesamt 85 000 Abschlüsse von Lebensversicherungen untersucht sowie Kontrollen vor Ort bei den grössten Anbietern gemacht. Dabei stellte sie fest, dass die Transparenz beim Abschluss von Lebensversicherungen häufig ungenügend ist.
Bei Abschlüssen von Lebensversicherungen müssen die Anbieter ihren Kunden jeweils die möglichen Entwicklungsszenarien darlegen. Dabei handelt es sich um Beispielrechnungen, die darstellen, wieviel Geld die Versicherten künftig erhalten werden. Gemäss Vorgabe der FINMA enthalten die Offerten für fondsgebundene und traditionelle Lebensversicherungen Beispielrechnungen für ein günstiges, mittleres und ungünstiges Szenario.
Swiss Life: Beispielrechnungen Bestandteil des Genehmigungsprozesses der FINMA
Die Thematik «Beispielrechnungen in der Lebensversicherung» wurde gemäss dem grössten Lebensversicherer der Schweiz, Swiss Life , bereits im Rahmen der mittlerweile abgeschlossenen Revision der Aufsichtsverordnung (AVO) intensiv diskutiert. «Wir halten fest, dass die Beispielrechnungen beim Abschluss von Lebensversicherungspolicen Bestandteil des Genehmigungsprozesses der FINMA für die Prüfung der Abfindungswerte und der FINMA damit seit jeher bekannt sind», so die Swiss Life. «Beispielrechnungen» seien auch als solche zu verstehen. Es seien illustrative Beispiele, die ein besseres Verständnis des Produktes unter Berücksichtigung unterschiedlicher Anlageperformanceszenarien ermöglichen. Sie sollen die Kundinnen und Kunden beim Vergleich von Lösungen unterschiedlicher Markteilnehmer unterstützen. Für eine bessere Vergleichbarkeit habe der Schweizerischer Versicherungsverband SVV sein Regelwerk zur Erstellung von Beispielrechnungen im Oktober 2022 überarbeitet. Dabei wurden auch einzelne Kritikpunkte der FINMA an den Beispielrechnungen aufgenommen. Die Beispielrechnungen basieren auf historischen Beobachtungen, mit einem Disclaimer, dass kein Anspruch darauf abgeleitet werden kann.
Die Umsetzung der neuen Anforderungen aus der AVO sind gemäss Swiss Life mit einer Übergangsfrist von einem Jahr bis zum 1. Januar 2025 vorzunehmen. Die Anhörung der Nachfolgeregulierung AVO-FINMA und FINMA-Rundschreiben hat am 22. August 2023 begonnen und dauert bis am 22. November 2023. Die Medienmitteilung der FINMA und die vorgesehene schnellere Umsetzung kommen für die Branche entsprechend überraschend. Swiss Life wird nun zusammen mit dem Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) die Vorlage analysieren und im Rahmen der Vernehmlassung zu den einzelnen Anpassungen Stellung beziehen.
Die Beispielrechnungen waren seit jeher Teil des Genehmigungsprozesses bei der FINMA. Durch die AVO-Revision ergeben sich neue Anforderungen wie beispielsweise die Verwendung des von der FINMA definierten risikofreien Zinses in den Beispielrechnungen. Dazu gibt es eine Übergangsfrist bis 1.1.2025. Selbstverständlich wird die Swiss Life sämtliche Anforderungen, die die neue AVO an sie stellt, erfüllen, mit dem Ziel, die von ihr unterstützte Transparenz weiter zu verbessern. Swiss Life prüft derzeit ihre Möglichkeiten der Umsetzung aufgrund der von der FINMA jetzt verkündeten verkürzten Frist.
Verträge zu jung für retrospektive Beurteilung
Bei der Auswertung der untersuchten Beispielrechnungen kommt die FINMA auf über neunzig Prozent zu optimistische Renditeentwicklungen. Vor allem die ungünstigen Szenarien werden zu positiv dargestellt. Beispielsweise bei fallenden Aktienkursen sind die Erträge tiefer als von den Versicherungen versprochen.
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Swiss Life kann die Analyse der FINMA nicht im Detail nachvollziehen. Offenbar zeigten die Beispielrechnungen der Offerten von über 90 Prozent der untersuchten Vertragsabschlüsse in 2020/21 eine Rendite über ca. -0.5 Prozent im ungünstigen Szenario, was zu diesem Zeitpunkt gemäss FINMA der risikofreie Zins darstellte. Die Anforderung zur Verwendung des risikofreien Zinses sei neu, zudem seien die Verträge noch viel zu jung, um retrospektiv beurteilen zu können, ob dafür zu optimistische Renditeentwicklungen gezeigt wurden. In der Zwischenzeit seien die Zinsen wieder deutlich gestiegen und damit auch das von der FINMA geforderte ungünstige Szenario. Dies zeigt die hohe Relevanz des jeweils betrachteten Zeitfensters.
Weniger als die risikofreie Rendite
Die Untersuchung der FINMA zeigte auch, dass rund acht Prozent der Kunden, die zwischen 2010 und 2011 anteilgebundene Versicherungen ohne Garantie mit einer Laufzeit von zehn bis elf Jahren abgeschlossen haben, mit ihren Sparanteilen der Prämien weniger als die risikofreie Rendite erwirtschaftet haben.
Der gemäss neuer Anforderung der FINMA zu verwendende risikofreie Zins betrug in 2010/11 ca. 1.5 Prozent, so Swiss Life. Die Aussage der FINMA bedeutet also, dass 92 Prozent der Kunden mehr als 1.5 Prozent jährlich erwirtschaftet hätten und 8 Prozent weniger als 1.5 Prozent. Aus Sicht von Swiss Life stelle dies keine Missbräuchlichkeit dar.
Revision des VAG und der AVO
Mit der Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und der Aufsichtsverordnung (AVO) will der Gesetzgeber insbesondere den Kundenschutz stärken. Die revidierten Bestimmungen werden am 1. Januar 2024 mit einer Übergangsfrist in Kraft treten. Darin enthalten sind auch Vorgaben zu den Beispielrechnungen. Nun ist auf Verordnungsstufe explizit vorgesehen, dass beim Abschluss einer Lebensversicherung transparent und verständlich auf die Risiken und Gewinnchancen aufmerksam zu machen ist.
Die Revision von VAG und AVO stärkt insbesondere den Versichertenschutz, was Swiss Life ebenfalls unterstützt. Zudem konnte Swiss Life abweichende Beurteilungen in die jeweiligen Vernehmlassungsverfahren einbringen. Das VAG sowie die AVO seien nun verabschiedet und das Vernehmlassungsverfahren zu den Nachfolgeregulierungen wurde gestartet. Swiss Life wird sich auch hierzu in den Prozess und zu den Fragen der Umsetzung einbringen.
Binci Heeb