Football sells - oder etwa nicht?
Es ist wieder so weit: Europas größtes Fußballfest hat begonnen. Was das heißt? Eine Reizüberflutung an Werbemaßnahmen. Beim Gang durch den Supermarkt wird es deutlich. Schwarz-Rot-Gold haben das Produktsortiment jetzt schon fest in der Hand. Und da ist es egal, ob das neue Volumen-Shampoo oder die Nudelterrine überhaupt was mit Fußball, geschweige denn die EM etwas mit der eigentlichen Zielgruppe, zu tun haben. Denn jeder Marketingleiter weiß, Fußball begeistert, Fußball verkauft. Und wenn das Produkt mal nicht ganz so passt, wird es passend gemacht. Also drauf mit dem Logo der Nationalmannschaft auf die Chips Packung und aus den Pringles werden schnell die Pringoooals. Passend dazu hat man die Superfan-Challenge aus dem Boden gestampft. Man lädt ein Video mit #PringlesSuperfans und dem #Ländernamen hoch und kann „ultimative“ Fanpreise gewinnen.
Die EM wird multimedial ausgeschlachtet, mit allem was geht. Dass das Geschäft mit dem Fußball lukrativ ist, weiß wohl jeder. Aber vor solchen Großevents, wie es die Meisterschaft in Frankreich ist, nimmt die Vermarktung absurde Züge an. Und damit ist nicht allein die Masse an Produkten oder Dienstleistungen gemeint, die einen neuen Anstrich erhalten, sondern vielmehr, die Frage, ob so ein Zusatz überhaupt auf die Marke übertragbar ist.
Nehmen wir die DFB Fan-Edition von Schauma. Shampoo für Sie in Rot und Gold, für ihn Schwarz und Gold. Aber was genau kann das Shampoo besser als die anderen, die Schauma bereits auf dem Markt hat? In der Produktbeschreibung, die auf der Unternehmensseite im Internet zu finden ist, lässt sich lesen: „Fan Edition Shampoo für Ihn verleiht dem Haar einen sofortigen Frische-Kick. Die silikonfreie Formel mit Carnitin-T und Protein kräftigt das Haar für 100% Power.“ Kick, Formel und Power – da haben sich die Texter zwar sportliche Begriffe einfallen lassen, aber im Endeffekt riechen meine Haare nach der Wäsche weder nach Rasen, noch habe ich annährend so eine voluminöse Haarpracht wie Dante.
Der fehlende Zusammenhang zwischen Produkt und Werbeumgebung wird deutlich. Jaja, werden jetzt einige sagen, bei Fußball geht es doch viel mehr um das Erlebnis, die Stimmung und Emotionen. Come on – Stadionatmosphäre in der Dusche? Ich glaube kaum. Die Produktbeschreibung für das weibliche Pendant fehlt – zumindest auf der Website – völlig. Vielleicht sogar aus gutem Grund.
Meine gewagte Prognose ist folgende: 2 von 10 potenziellen Kunden kaufen im Schnitt das Shampoo. In beiden Fällen sind sie männlich. Der eine hat keine Zeit und die Shampoo-Flasche springt ihm als erstes ins Auge. Der andere braucht noch etwas für den Bauchladen des besten Freundes Junggesellenabschied. In wohl keinem der beiden Fälle wird das Produkt gekauft, weil es so schön nach Fußball aussieht. Da stellt sich doch die Frage: Sind solche kurzfristig angelegten Marketingkampagnen überhaupt rentabel beziehungsweise absatzfördernd? Studien darüber gibt es bislang nicht, aber ich würde nicht wetten wollen.
Ein weiterer Punkt, der einen den Hype um die EM kritisch betrachten lässt, ist die Vielzahl an Marken und Unternehmen, die auf den Fußball-Zug aufspringen und damit eine Konkurrenz untereinander aufmachen, die vorher noch gar nicht bestanden hat. Und da wären wir auch schon mitten drin: Positionieren oder differenzieren, das ist hier die Frage. Hat eine Marke es erstmal geschafft eine ganz bestimmte Position oder sogar ein „Wort“ in den Köpfen der Kunden zu besetzen, dann ist eine Differenzierung zum Wettbewerb gar nicht mehr nötig. „Kreieren oder finden Sie eine neue bzw. freie Kategorie, in der Sie vom ersten Augenblick an Marktführer sind“, so die Formel zur erfolgreichen Positionierung. Die eigene Marke wird quasi zum Maßstab, von dem sich das Umfeld differenzieren muss. Und das ist bei weitem keine leichte Aufgabe.
Was hat das jetzt mit dem eigentlichen Thema von Marketing im Kontext der Europa Meisterschaft zu tun? Marken, die sich zwar bereits erfolgreich positioniert haben und ein bestimmtes Segment besetzen, versuchen durch „EM-Produkte“ von dem Hype um das Fußballfest zu profitieren. Das mag in einigen Fällen gelingen, aber eben nur dann, wenn sich den Kunden der Sinn dahinter erschließt. Im Fall Coca-Cola klappt das wie so oft. Der Softdrink-Hersteller startet seine große UEFA EURO 2016™ Kampagne und feiert mit Deutschland den Weg zum Pokal. Fußballfans dürfen sich über eine EM-Sonderedition der Coca-Cola Dosen, limitierte Sammlerstücke, Ticket-Gewinnspiele und den „Fan Styler“ freuen, mit dem jeder sein Porträt im Stil der Spielerdosen gestalten kann. Nach dem Motto „Mit Cola durch den Fußball-Sommer“, gibt es doch nichts Schöneres bei einem Spiel seine kühle Coke aus einer kultigen, limitierten Dose zu trinken. Produkt, Image, Zielgruppe und Werbeumgebung passen wie die Faust aufs Auge.
Zurück zu Schauma. Das Haarpflegeprodukt, das vom Henkel-Konzern unter der Dachmarke Schwarzkopf vertrieben wird, ist erfolgreich als Haarpflegeprodukt für die gesamte Familie positioniert. Mit der Vermarktung des „Fan-Shampoo“ verkauft sich die Marke aber deutlich unter Wert. Denn das Produkt unterstützt die Positionierung nicht, noch baut sie diese aus, weil die Idee beziehungsweise das Produkt nicht in den Werbekontext (siehe zwei Absätze vorher) passt. Und der Kunde weiß nicht, warum er das Produkt kaufen sollte. Im schlechtesten Fall schadet so eine Kampagne mehr, als dass sie nützt. Mögliche Ursachen? Der Kunde sieht vor lauter Schwarz-Rot-Gold das Produkt nicht mehr. Ergo: der Kunde findet das Alleinstellungsmerkmal der Marke nicht mehr wieder, weil es von der neuen Werbeumgebung überdeckt wird. Und der Aufwand für die Kampagne rentiert sich nicht beziehungsweise steht in keinem Verhältnis zum erwirtschafteten Absatz.
Also? Wenn sie als Marketingleiter und Werbetreibende ihr Geld verdienen, sollten Sie Kosten und Nutzen solcher Kampagnen überdenken.
Passt die Werbeumgebung zu meinem Produkt?
Lässt sich die Kampagne sinnvoll und kreativ mit meinem Produkt vereinbaren?
Stärkt es die Markenpositionierung oder versuche ich mich nur über das Event zu positionieren?
Erreiche ich damit wirklich Neu- und Stammkunden?
Auch, wenn viele Firmen von dem Fußball-Großereignis profitieren, die Rechnung geht nicht für jeden auf.
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