Zwischen Hierarchie und Autonomie: Ein neuer Blick auf Führung
"Formale Führungsmacht ist so schlecht!"
Können wir bitte mit diesen anstrengenden Diskussionen darüber aufhören, wie schlecht formale Führungsmacht angeblich ist?
Viele Diskussionen zu diesem Thema werden (uns) viel zu einseitig geführt. Meist ist der Tenor, dass Hierarchien und formale Führung schlecht und hierarchiefreie, soziale Führung, im Sinne von autonomen Teams, gut sei.
Doch beides wird weder Leadership noch den Möglichkeiten formaler Führung gerecht.
Diese einseitige Diskussion geht an der Realität der meisten Unternehmen, denen wir begegnen, vorbei. Führung im Sinne von Leadership ist so viel mehr als die beiden Pole „hierarchische Führung“ und „autonome/selbstorganisierte Führung“. Sie ist ein dynamischer und hoch komplexer Prozess. Daher gibt es mehr als nur zwei potenzielle Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen und Probleme, denen Unternehmen ausgesetzt sind. Führung zeigt sich in ganz vielen Facetten: Sie kann hilfreich sein, indem sie Dinge voranbringt und Gestaltungsräume ermöglicht. Sie kann Schaden anrichten, indem sie unnötig die Energie der Beteiligten verschwendet oder Handeln verhindert.
All das kann Führung – völlig unabhängig davon, ob es sich um Führung in Form einer formalen Führungsrolle handelt oder ob sie in hierarchiefrei organisierten Teams entsteht. Bei ersterem haben vermutlich viele schon die Erfahrung machen “dürfen”, wie frustrierend es ist, wenn man nicht mitentscheiden darf, obwohl man den besten Überblick über ein Thema hat. Beim zweiten muss Jo von It’s about Leadership immer an die Geschichten denken, die ihre Mutter aus der Studentenbewegung der späten 1960er-Jahre erzählt hat: Nächtelange Diskussionen um Kleinigkeiten, die so lange geführt wurden, bis irgendeine Seite ausstieg. Frei von Hierarchie, aber kräftezehrend für alle Beteiligten und ebenfalls sehr frustrierend.
Führung ist neutral!
Für sich genommen, ist Führung neutral. Sie hat genau eine Funktion. Nämlich die, Lösungen für Herausforderungen und Probleme des Unternehmens zu ermöglichen. Genau daran kann und muss sie bewertet werden. Nicht daran, in welcher Form sie auftritt.
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Denn – und an dieser Stelle wiederholen wir uns, aber wir können es nicht oft genug sagen – ES KOMMT DARAUF AN! Auf die Herausforderungen. Auf die Probleme. Auf den Kontext, in dem das Unternehmen, der Bereich, das Team sich bewegen. Erst dann, wenn dieser Kontext greifbar ist, wenn sichtbar wurde, wofür es Lösungen braucht, DANN kann die Frage beantwortet werden, wie Führung gestaltet werden muss. Genau dann kann sie ihre Kernfunktion erfüllen: Lösungen für die Herausforderungen und Probleme des Unternehmens zu ermöglichen.
Vielleicht hilft das Bild, Führung wie einen Schieberegler zu verstehen. Bei der Anwendung geht es um die Frage: Welche Form der Führung, welche Ausprägung, welche Ausgestaltung braucht es JETZT für die Organisation, für das Unternehmen, für den Bereich, damit Lösungen möglich werden? Dann kann der Schieberegler verschoben, dann kann gestaltet werden.
Vielleicht ist es phasenweise die/der Kapitän:in, die/der allein entscheidet, um Klippen zu umschiffen und durch besondere Fahrwasser zu kommen. Vielleicht ist es in einigen Umfeldern die Intelligenz des Teams, die sich dann am besten entfaltet, wenn ihr keine hierarchische Funktion Steine in den Weg legt. Eventuell ist es aber auch – wie es heute in so vielen Fällen sehr erfolgreich funktioniert – die "klassische” Führungskraft, die sich nicht einfach nur auf ihrer formalen Macht ausruht. Stattdessen schafft sie Umfelder, in denen Verantwortung übernommen, gestaltet werden kann und in denen Lösungen entstehen können. Denn genau das ist ein großer Vorteil von klassischer Führung: Sie hat die formale Macht, um Schutzräume zu schaffen, in denen gestaltet werden kann. Und das ist in ganz vielen Unternehmen genau das, was es braucht.
Führung findet immer statt!
Führung findet nicht dadurch statt, dass jemand den Titel „Führungskraft“ oder „Manager“ verliehen bekommt und auch nicht dadurch, dass Hierarchien abgeschafft werden. Führung findet immer statt. Wenn sie dann noch ihre Funktion erfüllt, ist es in diesem Kontext, für dieses Unternehmen, diesen Bereich, dieses Team, die richtige Lösung. Zumindest für den Moment.
Anstatt also viel Energie auf die Diskussion zu verschwenden, welcher der beiden Pole der richtige ist, möchten wir eine Lanze für die Zwischentöne brechen. Für das „Es kommt darauf an”.
Es geht darum, Führung besprechbar zu machen und anpassungsfähig zu halten. Leadership anders zu verstehen. Ein anderes Führungsverständnis im Unternehmen zu ermöglichen. Damit Führung im Sinne von Leadership ihre Funktion erfüllt und ermöglicht statt verhindert. Egal, auf welcher Seite sich der Schieberegler gerade befindet.
Um es in einem Satz zusammenzufassen: Es kommt darauf an, wie Führung IN DIESEM Kontext am besten dazu beitragen kann, dass Lösungen entstehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Dein It’s about Leadership Team